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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1958-08/0017
die Schrift den Rahmen der Biographie. Anderseits
hat Reich diesen Lebensgang mit
anderen Lebensläufen — des Schulmeisters,
des Feldwebels oder der Landfahrer — verwoben
und alles in romanhafter Form entzückend
lebendig dargeboten, — doch unterbricht
er das epische Fließen durch soziologische
, kulturgeschichtliche, historische, volkskundliche
und naturkundliche Exkurse: Über
die Bräuche bei der Taufe, über das Fasnachtstreiben
, über Tracht und Landwirtschaft,
über Jagd und landfahrendes Volk, über die
Ereignisse der Napoleonischen Kriege und
ihre Wirkungen auf Baar und Schwarzwald,
oder über die Natur um den Kohlenmeiler.
Und eben diese Spiegelungen des Lebens um
1800 in der begrenzten Landschaft machen
den außerordentlichen Wert des Buches aus;
eben dieses Leben unverzerrt wiederzugeben
war das Hauptanliegen Reichs. Im Vorwort
zur 1. Auflage sagt er:

Von den alten Sitten und Gebräuchen, wie sie
ehemals waren, ist zwar vieles schon abgekommen
und erloschen, doch lebt noch ein Teil davon
so charakteristisch im Volke fort, daß er wohl
verdient, abgebildet und beschrieben zu werden
— gleichsam als ein Denkmal ehrwürdiger
Uberreste, aus welchen wir schließen mögen, wie
solid, wie reich und eigentümlich jenes Volksleben
einst gewesen.

Und im Vorwort zur zweiten Auflage (1876)
schreibt Reich:

Soll ja das Werk keine bloße sogenannte Dorf-
oder ländliche Liebesgeschichte sein, sondern
vielmehr eine Lebensgeschichte auf historischem
und kulturgeschichtlichem Hintergrund eines
ganzen Gaues ...

Merkwürdig: Keine der verschiedenen Formen,
die sich im „Hieronymus" mischen, stört die
andere. Die Frage nach der Ursache dieser Erscheinung
ist leicht beantwortet: Es ist die ehrliche
Gesinnung, mit der Reich am Werk ist, —
es ist seine innere Verbundenheit mit den
geschilderten Dingen, — die so verschiedene
Intentionen so entschieden bündelt, daß ein einheitlicher
Wirkungsstrahl entsteht. Zu dieser
Gesinnung gehört auch der milde Blick, der alles
Heimatliche liebend umfaßt und verklärt darstellt
, — gehört die bescheidene und genügsame
Art, die in den Impulsen und Sitten der alten
Zeiten ihresgleichen erkennt. Aus dieser Gesinnung
fließt auch die literarische Form: Gemächlich
schreitet die Erzählung fort und ruht in den
Exkursen aus, um dann ebenso gemächlich weiterzuschreiten
; das Kleine wird ebenso genau
und liebevoll geschildert wie das Große und das
ganze Buch ist sanft überglänzt von der stillen
Besinnlichkeit des Nachbiedermeier.

So charakteristisch die literarische Gestalt des
„Hieronymus" aber sein mag, die volle Abrun-
dung erfährt das Buch doch erst durch die beigegebenen
Steinzeichnungen. Sie stammen von
Lucian Reich selbst; sein Schwager Johann
Nepomuk Heinemann, der als Lithograph in
Hüfingen tätig war (gest. 24. 2. 1902), hat sie
lediglich, wenn auch geschickt, auf die Platte
übertragen. Sie stellen in der Frische der Linea-

Eine der Steinzeichnungen aus dem „Hieronymus", 1. Auflage

Foto Dr. R. Feger

tur, in der stimmungsvollen, zarten Tonigkeit
und in der ruhigen Heiterkeit der Auffassung
dem Zeichner wie dem Lithographen das beste
Zeugnis aus. Ihre Vorwürfe sind dem Buche entnommen
, passen auf bestimmte Stellen seines
Inhalts und sind in der Wiedergabe zum Beispiel
der Trachten und Hausformen von nachprüfbarer
Genauigkeit und dokumentarischer Treue; sie
sind aber so allgemein ins Bildliche übertragen,
streben so echt ins Wesen der Heimat, ihrer
Natur und Leute, daß diese Lithographien unbeschadet
ihrer illustrativen Absicht ebensogut
jede für sich selbständig bestehen und auftreten
können. Dieser ihr allgemeiner Charakter wird
durch Unterschriften betont, die Reich aus
Gedichten Johann Peter Hebels entnommen hat.

Im Umkreis der Intentionen des Hüfinger
Maler-Schriftstellers auf Hebel zu stoßen wird
nicht in Erstaunen setzen. Manche der Komponenten
, die Wollen und Werk Hebels ausmachen,
waren auch bei Lucian Reich wirksam — vor
allem die Liebe zur Heimat, zum Ländlichen,
Bäuerlichen, Natürlichen, zur bestehenden Ordnung
, — die Bescheidung und Genügsamkeit und
der liebevoll auf dem Einfachen weilende Blick.
Dennoch werden bei der Nennung des Gemeinsamen
auch sofort die Unterschiede zwischen
Hebel und Reich bemerkbar: Hebel, dem Dichter

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