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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1959-02/0012
Breisgauer Silber war begehrt auf allen großen
Märkten. Schmuck aus den in Freiburg
geschliffenen Granaten und anderen Steinen
schenkten Fürsten geliebten Frauen. Das Gewerbe
der „Balierer" blüht neuerdings wieder
auf in Waldkirch, am Fuße des Kandel. In Freiburg
arbeiteten der Meister von Gmünd und
andere Steinmetzen, deren Werkzeichen die
Münstersteine tragen, Christian Wenzinger, nach
dessen prächtigen Plastiken die Sammler lüster-
ten, bis eine spitze Feder den Schachernden mit
einem Tropfen Galle den gottlosen Handel verdarb
. Hinter dem Schwabentor übte sich Jung-
Anselm Feuerbach im Zeichnen. Der Maler aller
Schönheiten europäischer Höfe, Winterhalter,
Lugo und Hans Thoma fühlten starke Bindungen
an die Dreisamstadt. Zur Zeit der französischen
Revolution war sie eine bevorzugte Zuflucht
aller Gewesenen und Gefährdeten. Merkwürdige
Erscheinungen schlüpften hier unter:
Derroy, der als Bub während der Hinrichtung
Louis XVI. die Trommel gerührt, wurde Rathausdiener
. Mirabeau „tonneau" stellte da seine
durch Falstaffstreifen berüchtigte Legion auf. Im
jetzigen „Römischen Kaiser" hielt er Hof und
sandte, wenn niemand mehr borgte, seine Frau
mit Bettelbriefen nach Wien. Auf dem alten
Friedhof, dem ergreifendsten Totengarten inmitten
einer deutschen Stadt, wurde der Fettwanst
bestattet, für den es keinen passenden
Sarg gab. Den schmalen Gedenkstein ziert eine
Schrift, die es mit den Titeln der besten Bodonidrucke
aufnehmen kann und die anzeigt, daß
hier der General Riquetti Vicomte de Mirabeau
ruht. Im Hause des Cafe du Dauphin der Engelgasse
nächtigte Marie Antoinette zum letzten
Male auf deutschem Boden. Zur Verbreiterung
der Straße für ihren Brautzug wurden die
Schluchtfelsen der Hölle gesprengt.

Was aus der stärksten Festung Europas geworden
ist, mit der Vauban den Einfall aus den
Ländern der Donau sichern sollte? Ein Tor, zu
einer Frauenarbeitsschule umgestaltet. Ein Wall
der Rempartstraße, wo kleine Mädchen unter
Götterbäumen sich arkadisch schläfrig schaukeln.
Einiges bemoostes Gemäuer, in dem Kanonenkugeln
wie Schrote in Wildhaut stecken. Dreißig
Jahre währten Frankreichs Besitzrechte, kürzer
die Zugehörigkeit zu Modena. Damals saß ein
herzoglicher Steuereinnehmer im Hause „Zum
Ladhof" in der Schiffsgasse, der Koffer, mit
Geldrollen gefüllt, über die Alpen schickte. Die
Erinnerung daran und die blauweißen Leibgurtstreifen
der Breisacher Feuerwehr, das ist alles,
womit Modena sich der Ortsgeschichte einzuschreiben
wußte.

Durchgreifender als der Festungsmarschall
veränderte dann um 1900 der große Winterer die
Stadt, die sich gern mit Lueger - Wien in einem
Atem nennen hörte. Wie sein Nachbar, der Volksschriftsteller
Hansjakob, stammte er aus Mittelbaden
. Aber während jener seine Wäldler-Art
betonte und alle Welt für die Backmulde zu
begeistern wußte, die seine Wiege gewesen,
mochte der mit einem Viererzug von Schimmeln
ausfahrende Bürgermeister nicht gern daran erinnert
sein. Er ließ die rührend behäbigen Stadttore
hochzopfen. Er setzte die riesige Pastete des
Theaters in das Stadtbild, bei dessen Bau sehr
ans Ausgeben, doch so wenig ans Einnehmen
gedacht worden war, daß die Anlage von Kassenhäuschen
ganz vergessen blieb. Fast wäre es
noch dazu gekommen, den Schönberg mit einer
Schloßruine zu krönen, hätten nicht andere Aufgaben
die Zeit in Anspruch genommen. Er legte
aber auch einen dreißig Kilometer langen Gürtel
von Waldstraßen an, was seinen Blick glücklicherweise
von der Altstadt ablenkte. So blieben
die entzückenden Gäßchen, Plätzchen, Ecken und
Winkel erhalten, die nicht verspielter als Szene
einer alten Spieloper sich erträumen ließen. Diese
Gassen weisen in ihrem Verlauf den gleichen für
die Gotik so bezeichnenden Knick auf, wie die
Führung einer zeitgenössischen Notenfolge oder
die Hüftlinie einer Figur. Die Häuser, die alle
Namensbezeichnngen führen, erheben sich oft
auf mehrstöckigen Kellergewölben, darin der
Kaiserstühler und der Markgräfler lagern. Aus
den Läden der Kellerluken ist jeweils ein Loch
zum Eingurgeln des Küferschlauches ausgespart,
wie aus der Kellertür das für die Katze, die
sich bekanntlich stets aufs Faß mit dem besten
Tropfen legt. Die heimischen Weinstuben leisten
der Unsitte des Einmanntisches keinen Vorschub.
„Alles hockt aufeinander droben". Beim Schoppen
will man sich unterhalten. Der Fremde wird
beraten, eingeladen, dies, jenes zu versuchen.
Man bemüht sich um ihn, wenn er für Humor
und familiäre Wärme etwas übrig hat. Selbst
ein Mann wie Treitschke, der anfangs so wenig
guten Willen dem Freiburger entgegenbrachte,
bekehrte sich schließlich aufgeknöpft zu ihm.
Der Fremde wird auf den Münsterturm, auf den
Schloßberg geschleppt. Alle Berge werden ihm
vorgestellt. Er soll im Augustinermuseum zugeben
, daß es da Einmaligkeiten gibt, wie sie
zwischen Berlin und Paris nicht zu finden sind.
Sein Staunen wird herausgefordert vor den
kostbaren Teppichen des Klosters Adelhausen,
seine Bewunderung vor den Glasfenstern, die
einen Überblick geben über die Entwicklung
süddeutscher Glasmalerei in vierhundert Jahren.
Vor allem wird jeder immer wieder von irgendeiner
Seite her unvermutet dem großen Turm
gegenübergestellt, bis es ihn hat wie einen selbst.

Wer dem Bobbele Langsamkeit vorwirft und
klagt, man komme ihm schwer näher, dem fehlt
es an Verständnis für seine besten Eigenarten,
denn der Freiburger hat viel Gemüt und Humor,
und es braucht eben Zeit, hinter diese Stammwürze
zu kommen.

Entnommen dem Buche Franz Schnellers: „Brevier einer
Landschaft", Eberhard Albert Verlag, Freiburg i.Br.1957.

die Monatszeitschrift des Hebelbundes

Sie erscheint monatlich und kostet 50 Pfg., im Postversand
65 Pfg., ins Ausland 70 Pfg.

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