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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1959-02/0016
strickende junge Frau, ein Kind in der Wiege
und im Hintergrund einen lesenden Mann. Diesem
Büchlein verdankt es Feiner, daß man noch
heute gelegentlich von ihm spricht. Es trägt ihm
allerdings meist nur den Tadel der Literaturhistoriker
ein. Es firmierte ihn — nach ihrem
Willen — sozusagen für alle Zeiten als geistlosen
Nachahmer Hebels ohne eigenes literari-

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sches Verdienst. Ist ein so hartes Urteil begründet
? Welcher Art waren Feiners alemannische
Gedichte und welchen Wert haben sie? Und wie
steht es mit Feiners anderen Dichtungen? Sehen
wir zu!

In der Vorrede des Bändchens knüpft Feiner
zunächst sehr geschickt an Hebel an und gibt
sich — wenngleich etwas langatmig und weinerlich
— als seinen Verehrer aus:

's isch halt niit schöner, hani vo jederma g'hört, und
ha's au tusigmol by mer sei denkt, und au mine
Friinde gseit, aß die Gidicht, dien üs e gwisse Pro-
fesser vo Carlisrueihe do ufe gschickt het! 's goht
eim 's Herz e so uf, wemme dinn list, oder lese hört:
und währli, bey mengem Blättli hätti gern briegget,
wenni mi nit gschämt het; in d'Augen isch mer's
Wasser doch chummen, aß i d'Buechstabe doppelt
gsehne ha: do hani 's Büechli us der Hand gleit, bis
d'Auge wieder sin trucke gsi: aber was hets ghulfe?
Usern Herze hanis doch nit brocht, und han au nit
wolle: denn s'isch mer so wohl gsi, wenn i dra denkt
ha, was im Büechli gstanden isch: und wenn i so
denk, wie guet 's wär, in der Welt z'sy, und z'lebe
mit de Mensche, wenn si alli so gsinnt wäre, aß wie
's Vreneli und der Hans, und der Friederli, und der
Nachtwächter, und d' Muetter am Wienechtsbaum,
und bym Habermues. Lueget, i cha mer nit helfen,
i trag halt 's Büechli, woni mein, alliwil im Sack mit
mer no, und Iis dinn, und Iis es nonemol, und wir's
au mi Lebtig alliwil lese, und wenn i sterbe sott, se
legi mers zue mer na in mi Bretter-Hüsli. So hani
oft scho gseit zue mine Friinde, und wer's sust het
wolle höre, und han e Lobes und Prises gha vo dem
Büechli, aß niit drüber goht, und aß öbs sust keini
Büecher meh gäb in der Welt, aß des do ...

Halten wir Feiner zugut, daß er ein Kind seiner
empfindsamen, überschwenglichen Zeit war, die
mit Gemütsbewegungen nicht kargte und sich
auch nicht davor scheute, Gefühle zu zeigen.
Freilich wird dem Nachdenkenden auffallen,
wie sehr Feiner hierin noch das Gepräge des
18. Jahrhunderts trägt — gerade im Vergleich
mit dem nur sechs Jahre jüngeren Hebel, der
stets weit von der Felnerschen Rührseligkeit
entfernt bleibt und in seiner nüchternen Art
schon mehr dem beginnenden 19. Jahrhundert
angehört; freilich ist Hebel auch der größere
Geist.

Bei allem Überschwang hinterläßt die Felner-

sche Vorrede indessen doch den Eindruck, daß

Feiner Hebel ehrlich verehrte. Daß sich diese

Verehrung nun gleich in Nachahmung äußern

mußte, mag allerdings befremden. Auch Feiner

selbst hatte anscheinend dieses Gefühl und

nimmt anschließend gegen die Bücherflut und

gegen eine Nachahmung Hebels Stellung — ohne

zu merken, daß ihm eine solche Äußerung

schlecht zu Gesicht stand:

Ja, jo, 's git no sölli viel (Büecher), und meh, aß
guet isch: aber was sin's? Schofel Ziig — fryli nit
alli — aber öbbe doch d'meisti.

So hält sich Feiner — obwohl er die Vielschreiberei
seiner Zeit tadelt — ein Hintertürchen
für sein eigenes Buch offen. Ein ungewollter
Witz beinah ist es, wie er sich gegen
andere Nachahmer Hebels stellt:

Emol, do fallt mer i, daß jez e ganze Hufe so Büechli
chumme were, und aß me meine wird, es seyg licht,
so eifeltig z'schribe, wie d'Buuren uf de Dörfre duß
rede. Jo, jo, probieres numme, wenner Lust henn:
d'Eifalt und d'Unschuld, die usem Herze chumme,
molt me nit so licht ufs Papier, aß me glaube möcht;
's het sini Häckli. Me mueß d'Sachen aluege grad
wiene Buur; me mueß drüber nodenke grad wiene
Buur; ... me mueß uf de Chern grifen, und d'Schale
falle lo, grad wiene Buur; me mueß blösli si Herz
rede lo, grad wiene Buur, und mit de Buure-Sproch
so bikannt sy, aß wie mittem Thue und Losse vo
de Buure.

Sieht man einmal davon ab, daß Feiner hier das
Wesen des Bauern verfälschend romantisiert, so
hat er mit diesen seinen Worten doch Merksätze
aufgestellt, an denen Mundartdichtung überhaupt
und auch Feiners eigene alemannische Gedichte
geprüft werden können und müssen. Und nicht
nur seine — auch Hebels, seines Vorgängers,
wenn man wollte, — und auch alle späteren.
Lassen wir Hebel hier aus dem Spiel, den unbestrittenen
, unnachahmlichen Meister des alemannischen
Gedichts, — und halten wir üns an seine
Epigonen, Feiner vorweg: Für sie alle, für jede
Mundartdichtung überhaupt gilt auch heute noch,
was Feiner so bildhaft ausgedrückt hat:

Die Vorwürfe der Mundartdichtung müssen
dem. gleichen Lebensraum entstammen wie die
Mundart, in der sie ausgeführt werden. Man
kann in der Mundart nicht Beliebiges aussagen,
sondern nur das, was dem Gesichtskreis und dem
Empfinden des Volksteils entspricht, der diese
bestimmte Mundart als seine einzige Sprache
hat. Mundartgedichte müssen die Dichte und
Bildhaftigkeit der Volkssprache haben, ja mehr,
sie müssen den Satzbau und die bestimmten Bilder
aufweisen, die sich in jener Mundart finden

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