http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1959-02/0017
und nur in ihr. Nichts widerspricht dem Wesen
mundartlicher Dichtung so sehr und entfernt sich
so sehr von der Sprach- und Gestaltungskraft
etwa Hebels, als wenn abstrakte Begriffe, mühsam
erklügelt, mühsam ins Gewand der heimatlichen
Sprache gehüllt werden, um aus der
Sympathie, die der Mundart entgegengebracht
wird, Nutzen zu ziehen. Einheit von Wortschatz,
Satzbau, Bildgut und Denkweise, von Mundart
und Vorwurf — das ist das Grunderfordernis
für Mundartdichtung, die Dichtung sein will.
Wenn sie diese Forderung erfüllt — und wenn
darüber hinaus noch hinter den vorgetragenen
Einzelinhalten jeweils ein Allgemeines aufscheint
, ein das Mundartgebiet und das bäuerliche
Denken übersteigender Gedanke, ein für
alle Menschen gültiger Leitsatz, im Zusammenklang
von Bild und Wort ein Lichtblitz überzeitlicher
Schönheit, — dann erst ist wirklich
ein Kunstwerk entstanden. Aber — „'s het sini
Häckli", das Dichten in der Mundart.
Feiner war sich über diese Zusammenhänge
im klaren; im Vorwort heißt es weiter:
Des hani mer alles sei gseit, und ha gfunden, aß es
e bschwerlig Ding isch, d'Sach nummen um 's halb
so guet z'machen aß wies der sei Professer gmacht
het. Aber 's het mer kei Rueih glo; hüt hani e Liedli
gmacht, und morn eis, und woni gstanden und gange
bi, hets mi zupfet und gschüttlet: wart numme, hani
denkt, i will die Dinger alli z'semme schribe, und
drucke lo; und do sin si jetz!
Dann verabschiedet sich Professor Feiner von
seinem Leser, indem er ihm Gesundheit und
Wohlergehen wünscht. Was aber erwartet den
Leser hinter dem werbekräftigen Vorwort?
Zunächst geht nicht zu Lasten Feiners, daß
seine Freiburger Mundart — die mag es um 1800
noch gegeben haben — in Laut und Lautfügung
nicht so kraftvoll klingt wie die Markgräflerische
Hebels. Daß Feiner seine Mundart nach Grammatik
und Wortschatz beherrscht, zeigt die Prosa
des Vorworts. Wie aber ist es im Gedicht? Schon
beim Überlesen der Titel kommen einem Zweifel
. Einige zwar klingen echt; sie könnten auch
von Hebel sein: Abendlied eines Armen — Die
Spinne — Der May — Der Soldat auf der
Wache — Loblied eines Arztes auf seinen Pudel
— Der Herbstmorgen — Der Totengräber.
Doch das sind Ausnahmen. Die Mehrzahl der
Gedichttitel klingt unecht, abstrakt, blutlos, unanschaulich
: Die Zeit — Was schön ist — In
der Not hilft Gott — Über die Furcht Gottes —
Zufriedenheit versüßt das Leben — u. ä. Das
„Loblied eines Arztes auf seinen Pudel" beginnt
zwar ganz ansprechend:
Nei, sone Hund, wie du bisch gsi,
gits weger in der Stadt nit meh:
i chumm in mengi Stube ni,
und ha no kei so Pudel gseh.
Klingt das nicht echt? Schade, daß nun erst einmal
fünf recht papierene Strophen folgen, die
nicht viel mit dem Pudel, aber umsomehr mit
dem Verfasser zu tun haben. Dann kehrt die
Anschauung zurück:
Zeig wie! Was bisch mer alles gsi?
Mi Friind, mi Gsell; und miner Frau
hesch dient als Magd: in d'Schule ni
hescht d'Chinder gfüehrt, und heimwärts au.
Und sin z'Nacht öbbe Bothe cho,
und rüefen um mi Hilf mi a;
se loßt er nit mit Belle no,
und scharrt, und chratzt, se lang er cha.
Und meh, aß menge Dokter het,
het er Verstand und Bsinnig gha!
Er schlupft de Kranken unters Bett,
und schmeckt und schnufelt numme dra.
Gli weiß er, öb me gsunde will;
und gsundet me, se blibt er dort;
und himmlet me, se schlicht er still
dervo, aß hätt er mi nit ghört.
Das Gedicht bringt es noch auf neunzehn Strophen
; die zwei besten daraus lauten so:
Doch nootno nimmt alls en End;
die Chräfte nemme täglig ab:
und machet numme, was er went,
me sinkt halt endli doch ins Grab.
So triffts den arme Pudel au:
am Dunstig no — do schlicht er hi,
und wädelt no vor miner Frau,
und schnappt — und isch e Pudel gsi.
Recht ansprechend gibt sich auch der Beginn
eines Wiegenlieds:
Schlof, schlof, mi Chind! Es chunnt e Zit
(vo dir zwor isch si jetz no wiit),
in der mer selte schlofe cha
und sött me's no se nöthig ha.
Schlof numme: lueg, i bi no do,
und blib by diner Wagle stoh,
und wach by dir, und sorg für di;
was wöttsch de denn nit rüeihig sy?
Die nächste Strophe entgleist durch Verwendung
von „de weinsch" (du weinst, statt „de hielsch"
oder „briegsch"), eine mundartlich ganz seltene
und ungewohnte Form, und verliert auch sonst
an Kraft. — Am geschlossensten erscheinen Gedichte
moralisch-lehrhaften Inhalts. Hier gelingt
Feiner manchmal etwas, das dem deutschen
Kirchenlied der Aufklärungszeit ähnlich wäre,
stünde es nicht in Mundart. Manchmal hält Feiner
dabei auf Kürze, und nicht zum Schaden des
betreffenden Gedichts. Nur sechs Strophen hat
das hier zu nennende:
Wer es gut mit allen meynt?
Wer friedli no de Gsetze lebt,
und no nem frumme Lebe strebt,
für Gott mit Freuden allis thuet,
der meint's mit sinem Schöpfer guet.
Wer nit uf sini Glüste hört,
nit allis, was er sieht, bigehrt,
nit allis, was en glüstet, thuet,
der meint es mit si sei recht guet.
Und so fort bis zur letzten Strophe:
Wer andre thuet, was sie gern hen,
und blibe loßt, was si nit wen,
wer alle Mensche Guetes thuet,
der meint's mit alle Mensche guet.
Das Gedicht ist trotz seiner moralisierenden
Blaßheit nicht schlecht; es beruht auf echter
Empfindung. Aber hätten dergleichen Gedanken
hochdeutsch nicht besser geklungen? Scheinen
sie nicht unheimisch im Gewand der Mundart?
Wirkt das Gedicht nicht wie aus dem Hochdeutschen
in die Mundart übersetzt? — In der Tat:
Es findet sich hochdeutsch unter dem Titel „Allgemeine
Moral" in einem hochdeutschen Gedichtband
Feiners, der 1796 gedruckt wurde. Auch
manch anderes Mundartgedicht des Felnerschen
Bändchens von 1803 erweist sich bei näherem
Zusehen als Übersetzung. Im Register ist zwar
15
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1959-02/0017