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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1959-02/0018
nur in einem Falle das Original angegeben, nämlich
bei dem Gedicht „Goliath und David, nach
Claudius"; die anderen hat Feiner ohne Angabe
des eigentlichen Urhebers in sein Bändchen aufgenommen
. So übersetzt er zum Beispiel die
erste Strophe des unübertrefflichen „Der Mond
ist aufgegangen" von Matthias Claudius folgendermaßen
:

Dort stoht der schöni helli Mo,
dort funkle d'goldni Sternli scho;
der Wald isch schwarz und schwigt,
und us de Matte stigt
e wiiße Nebel uf ...

Matthias Claudius lieferte auch das Original zu
Feiners anderem alemannischen Abendlied:

Des schöni, großi Tag - Gestirn

wird jetz bal schlofe goh:

chumm, wisch de Schweiß vo miner Stirn,

Wib, und loß d'Suppe cho.

Hierzu findet Feiner — wie der Historiker der
badischen Literatur, Oeftering, schon bemerkt
hat — sogar einen eigenen, schönen Schluß, der
jedoch genau dem Gedankenablauf Hebelscher
Gedichte entspricht:

Nu, Chinder, lönt eu's gschmecken au:
es wird scho nüni sy:
gang mit dem Chleine, liebi Frau,
er Schlott am Essen i!

Auch Höltys „Üb immer Treu und Redlichkeit"
hat Feiner ins mundartliche Gewand gesteckt,
und auch dieses Gedicht gewann dabei nicht.
Feiner besaß kein Organ dafür, daß es mit dem
Umsetzen des gedanklichen Inhalts nicht getan
war; seiner Natur lag das Nachempfinden, das
Nachahmen, das Anlehnen an Fremdes, das Übersetzen
und Paraphrasieren mehr als das Schaffen
aus Eigenem. Das hatte sein literarischer Erstling
bereits gezeigt — er bestand in einer ziemlich
freien Übertragung der Briefe Ciceros. Im
übrigen aber hätte er sich — was das Umsetzen
hochdeutscher Gedichte in den Dialekt betraf —
auf einen Größeren berufen können: Goethe
selbst hat wenig später Hebel Ähnliches nahelegen
wollen, als er in seiner Rezension der
Alemannischen Gedichte Hebels schrieb:

Versuche doch der Verfasser aus dem sogenannten
Hochdeutschen schickliche Gedichte in seinen oberrheinischen
Dialekt zu übersetzen!

Ein anderer Grundzug von Feiners Wesen muß
nach Ausweis seiner hochdeutschen Gedichte —
von ihnen wird noch die Rede sein — jene
schäferische Neigung zur Verklärung und zum
verklärten Sehen der Natur gewesen sein, jenes
überschwengliche Preisen des Landlebens, wie es
die Gesellschaft des Rokoko allenthalben modisch
übte. Beide Impulse hatten vereint Feiner in
den Alemannischen Gedichten Hebels geeignete
Objekte für die eigene Betätigung sehen lassen,
— zu Unrecht allerdings, da Hebel über alles
Modische hinweg zum Echten und zu zeitlos
gültiger Gestaltung vorstieß. Schon im Oktober
1802 war Feiner an Hebel mit dem Vorschlag
herangetreten, dessen Gedichte ins Hochdeutsche
zu übertragen. Auch hatte er seine eigenen alemannischen
Gedichte Hebel in Aussicht gestellt
und gewünscht, daß Hebel sie begutachte. Hebel
schrieb hierüber im Juli 1803 an Freund Hitzig:

Ich getraue mir kaum ein zweites Bändchen zu
Stande zu bringen. Der erste heilige Anflug des
Genius ist schnell an mir vorübergegangen, und
möge er nun den Prof. Fellner umwehen. Meine
stille Absicht war es mit, durch die neuen Töne hie
und da eine Harfe zu wecken. Aber die Fellnerische
meinte ich nicht. Er schickte mir schon längst eine
mittelmäßig geratene Übersetzung des Probegedichts
und bat mich damals um das ganze Manuskript mit
dem Anbieten alles zu übersetzen und mit dem Vorschlag
Text und Ubersetzung miteinander drucken
zu lassen. Indessen bin ich sehr begierig auf sein
Produkt, und bitte dich, sobald es heraus ist, oder
auch einzelne Bogen davon, die etwa fertig sind,
einstweilen zu schicken.

Das geschah denn auch. Der letzte Bogen der
Neuen alemannischen Gedichte .Feiners brachte
nun als Schluß des Bändchens eine ziemlich
hölzerne Katechese über das Vaterunser; hierauf
bezieht sich Hebel, der offenbar nicht viel von
den Gedichten hielt, in einem Brief vom 18.
September an Hitzig:

Der Mann ist sich bis ans Ende gleich geblieben.
Obristleut-[nant] Medikus, dem ich dieses Produkt
mitteilte, weil er an den ersten all[emannischen]
Gedachten] Spaß fand, urteilte darüber naiv, er
vermisse hinten am Schluß des Vaterunsers und des
ganzen Büchleins die Kraft und die Herrlichkeit.

In einem Brief vom 27. März 1805 an Hitzig
äußert sich Hebel länger über Feiner und seine
nachempfindende Übersetzerei wie auch über
das Problem des Übersetzens überhaupt und
setzt sich mit dem oben zitierten Satz Goethes
auseinander:

Vor dem Ubersetzen werde ich mich freilich, wie du
auch warnest, hüten. Vestigia Fellneri me terrent
[das Beispiel Feiners schreckt mich ab]. Denn soviel
ich an meinen und seinen Versuchen bisher erkenne,
vertragt unsere Sprache durchaus nichts, was nicht
in ihr selber erzeugt und gebohren ist, sonst siehts
aus wie eine fremde Seele in einem andern Körper,
oder, weil wir das nicht kennen, wie ein bekannter
Mann von feinem Geschmack und Sit[ten], auf einmal
im Zwilchrock mit Orliger gefüttert und allem
linkischen Benehmen, das dazu gehört. Höchstens
müßte man das Hochdeutsche in den Dialekt hinüberdichten
, aber ja nicht, wie F.[einer], bloß hinübersetzen
.

Hebel erkannte im Gegensatz zu Goethe also das
Ungereimte derartigen Übersetzens. Die von ihm
offen gelassene Möglichkeit, daß es ein anderer
besser als Feiner machen könnte, mußte ja in
der Theorie bleiben, weil ein wirklicher Dichter,
der sie verwirklichen könnte, sich nicht an eine
so unschöpferische Übertragungsarbeit machen
würde. (Schluß folgt)

„Die Markgrafschaft"

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