Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1959-03/0018
leichtes, den Namen zu finden. Lassen wir ihn
unbekannt; sei er der namenlose Grenzverletzer
der Spiegelträger.

Wir schreiben das Jahr 1550. Da Markgraf
Karl II. sich erst 1555 öffentlich zur Reformation
bekannte, fällt die Tat in die vorreformatorische
Zeit des Kirchspiels. Was war geschehen?

Amtmann v. Habsperg schickte seinem Herrn,
dem Markgrafen Ernst, ein bemerkenswertes
Schreiben2:

„Ew. Fürstl. Gnaden gib ich zu vernehmen,
daß Ew. Fürstl. Gn. Pfarrherr zu Badenweyler
kurtz verrückter Zeit zu Badenweyler einen
rechten Marckstein, so ungefehrlich bey siebenzehn
Jahren zwischen Bastian Hanen, so zu der-
selbigen Zeit ein Burgvogt zu Badenweyler uff
dem Schloß gewest und etliche Güther uff dem
Berg gehabt, darunter ein Garthen uff dem Kießling
gelegen an einem, so dann H. Bastian Suger
seel., so dazumahl ein Pfarrer zu Badenweyler
gewesen, der auch sein Garthen daran liegen
gehabt, anders theils durch die geschworenen
Marckleuth laut der kundschafft mit F verzeichnet
, uffgericht und gesetzt werden, eigen gewalts
ausgegraben und in den Hag, daran gelegen, geworfen
, sich auch nach einen, als er des auß-
geworfenen Steins halben angesprochen ußzu-
werfen, trotzig genug vernehmen laßen, und
gerne sehen, wer es Ihm wehren wolte. Dieweil
nun, Gnädiger Fürst und Herr, eine solche freventliche
Handlung meines erachtens nicht allein
unpriesterlich, .sondern die Obrigkeit auch Gericht
und Recht dardurch veracht würdt; auch
sein leichtfertig schandlich Hußhalten und leben:
so er mit den Lasterbeigen Tag und Nacht ohn
einig abstehen muthwilliglichen und mit Trutz,
als ob manns Ihme nicht zu wehren hab, verfährt
; auch weder Ambtieuten noch Vogt oder
Gericht umb seiner Exceß willen, so Er in der
Herrschafft begangen und ohne mithel für die
weltliche Obrigkeit gehörig, nicht gewärtig noch
gehorsam sein will: sondern sich für und für für
sein Ordinarium beruefft. So ist an Ew. F. Gn.
mein unterthgste bith, dieweil Er umb ein solch
schwere mißhandlung vor Ew. Gn. Stab Rechtens
nicht gewärtig sein will, sondern so Er vertagt,
ungehorsam aubleibe, derohalben die Unter-
thanen auch Ew. Fürstl. Gn. Ambtleut gegen
Ihme rechtloß stehen müßen. Ew. Fl. Gn. wolle
mir, wie er zu Recht und gehorsamkeit zu bringen
und sein leichtfertig wesen, das fast gleich
bey allen Pfaffen im Ambt, abzustellen, gnädigen
bescheid zukommen laßen. Welches Ew. Fürstl.
Gnaden zu unterthänigkeit nicht verhalten sollen,
deren Gnaden ich mich befehlen thue

E. F. G. Unterthäniger Diener

Ludwig Wolff von Habsperg
Ambtmann zue Badenweyler".

Ein Grenzstein ist ausgerissen, die Grenze der
Lebensführung überschritten, die Schranken der
Obrigkeit, des Rechts und der Ordnung sind verhöhnt
worden. Wir fühlen aus dem Bericht die
ohnmächtige Erregung des Schreibers, die sein
Anliegen zu einem Notschrei werden läßt. Es ist
kein Zorn- oder Racheruf. Die Sätze fügen sich

nicht zu einer gesetzten Form. Sie greifen auf
und lassen wieder fallen. Es ist das Gefühl der
Ohnmacht, die jede Abwehr und Buße einer
Grenzverletzung in uns hervorruft, weil sie uns
eine neue Grenzverletzung aufzwingt.

Markgraf Ernst antwortet aus seiner Residenz
Pforzheim. Er verbindet das Unpersönliche des
Rechtsprechers mit dem Teilnehmenlassen an
einer persönlichen Sorge. Er dämmt dadurch die
Schuld auf ein erträgliches menschliches Maß,
löst das blockierende Gefühl des Erschauerns
und gibt dem Getriebe die Möglichkeit, sich weiter
zu drehen. Er schreibt:

„Betrefend den Pfarrer zu Badenweyler, wissen
wir der Sachen anders nicht zu Thun, daß
wir zu Demmung seiner muthwilligen Handlung
andern zum Exempel den alten ordentlichen Weg
mit Ihm an die Hand nehmen, nemblich, daß Du
Ihn fänglich annehmest und uff 24 Stunden im
Thurm legen, darnach Ihn uff einen Karren
schmieden und seinen Ordinarien schickest mit
genügsamer anzeug und ausführung seiner mutwilligen
Händel und ambtshalben begehren, daß
sich seine Liebden mit Straff gegen Ihme mit
solchem Ernst erzeigen und halten will, damit
wo solches nicht geschehen solt, wir Ursachen
haben, gegen Ihm und andern mit der Straff in
solchen Sachen, so die Gerechtigkeit mitbringet,
selbst fortzufahren, wie Du dann solch Schreiben
und anzeug selbst wohl werdest wißen zu thun.
Solches alles haben wir Dir uff Dein Schreiben
gnädige meinung nicht wollen verhalten; daß
solch antworth Dir so langsam zukombt, ist ur-
sach unsers Cantzlers Kranckheit, die sich noch
nicht gebeßert, darauf wir doch verzogen vermeint
, sein sach solt beßer sein worden.

Pfortzheimb, den 9. July Anno 1550".

So faßt aus einem vergilbten, zerrissenen, über
400jährigen Handschreiben plötzlich die ewige
Frage des Gesetzes nach uns, die Frage des Seins
überhaupt. Markgraf Ernst löst sie, indem er
sich unter sie beugt.

1. ) Hans Thoma: Biblische Geschichten in alemannischer

Mundart. Verlag Seldwyla, Bern.

2. ) GLA, Karlsruhe, Abt. 229/4119 Badenwei]er.

De Mähder

En Mähder maiht e Matte,
si Sägese hat Chraft;
scho liget langi Zatte
vom Gras im grüene Saft.

Er bückt sich schier wie diche
und zilet gnau und chüehl;
es isch, als chiem er gschliche
im Tod zglich ohni Gfüehl.

Er wetzt, dro maiht er witer,
und will all fürsi cho.
Me sieht, es würd dä Schnitter
am End vo allem stoh.

Richard Gang

Werden auch Sie Mitglied des Hebelbundes!

V _

16


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1959-03/0018