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ihren Wurzeln dereinst ein Mann mit dem
Rechenstift stehen, der kühl bis ans Herz hinan
den Nutzwert schätzt und sein Angebot macht?
Oder sollen die vorbeifahrenden oder wandernden
Menschen jener Tage langsamer fahren oder
stehen bleiben, um „diesen wunderbar schönen
Baum" anzustaunen, der „gewiß seine hundert
Jahre" gebraucht habe, um so ein Riese zu werden
? Bilder solcher Bäume werden dann in
Tausenden von Abzügen durch die Welt wandern
und für das paradiesische Markgräfler Land
werben.
Wie aber ist es heute? Wenn die heroische
Zeit alter Bäume kommt, dann beginnen die
Menschen an seinen Wurzeln zu graben und zu
hacken, und ein paar Stunden später hat das
großartige, in Jahrzehnten gewachsene Baumwunder
sein materialistisch bestimmtes Ende
gefunden, und das Land ist wieder einmal um
eine Persönlichkeit ärmer . . .
Ich weiß, ich weiß, das alles hat seine zwei
Seiten! Der Landmann will und muß leben, und
800 oder 1000 Mark haben oder nicht haben, ist
keine Kleinigkeit, aber das ist eben nur die
eine Seite der Sache, die unverändert bleiben
wird, so lange Menschen das Land bebauen.
Aber wo bleibt die zweite, die ideelle, die
kulturelle Seite der Naturbewahrung, die
heute endlich wieder als die grundlegende Voraussetzung
eines gesunden Menschenlebens erkannt
worden ist? Wir sprechen so gern, wenn
wir von der Markgrafschaft reden, von der
„himmlischen Landschaft", von einem „Garten
Gottes", aber behandeln wir sie auch danach?
Dürfen in einem himmlischen Garten die schönsten
Bäume im besten Alter gefällt werden, nur
weil sie dann das meiste Geld bringen?
Sollte man nicht und könnte man nicht beide
Seiten zu ihrem Recht kommen lassen? Den wirtschaftenden
Landwirt und den Fremdling, der
auf der Fahrt oder Wanderung durch das oder in
das „himmlische Land" ist?
L. Börsig \ Müllheim:
Am 16. April 1959 sind es siebzig Jahre her,
daß Ida Preusch - Müller, unsere verehrte Dichterin
des alemannischen Landes, das Licht der
Welt erblickte. Grund genug für uns, der langjährigen
Mitarbeiterin der „Markgrafschaft" in
besonderer Weise zu gedenken. Gerne hätten wir
gewünscht, daß das vom Schauenburg - Verlag in
Lahr in dessen Silberdistelreihe aufgenommene
Gedichtbändchen „Alles, Haimet, isch dy Lied"
noch rechtzeitig der Dichterin auf den Geburtstagstisch
gelegt werden könnte. Wir müssen uns
mit ihr noch eine Weile gedulden.
„Mit ere ghaime Gwalt", so sagt unsere Jubilarin
in ihrem Gedicht „An Hebel", hat sie dessen
Werk, Wesen und Gestalt ergriffen, gepackt.
Sicher gepackt wie jeden, der Gespür hat für
Wesen und Wesentliches, Echtes, Edles, weil von
innerem Adel. Zumindest unbewußt aber wohl
Wie wäre es, wenn der Kreis Müllheim, der
ja doch wohl heute die altberühmte Markgrafschaft
darstellt, drei bis vier Dutzend alte Nuß-
und Obst- und andere Bäume ankaufte und sie
bis zu ihrem natürlichen Ende wachsen ließe, so
daß sie zu Ruhepunkten im dauernd wechselnden
Bilde der Landschaft, daß sie zu „Rembrandt-
Bäumen" würden? Wenn die Kreisverwaltung
mit kulturellem Fingerspitzengefühl die Punkte
an den Straßen aussuchte, wo solche Kulturbäume
zu pflanzen oder zu erhalten wären, um
denen zur Freude zu dienen, die nach uns kommen
? Es wäre, meine ich, ein gut angelegtes
Kapital, „Luther-Bäumchen" zu pflanzen und
^Rembrandt- Bäume" zu erhalten. (Geziert mit
gut geformten Schildern: Stiftung der Familie . . .
der Gemeinde . . . , der Gesellschaft. . .)
Man stelle sich zum Beispiel einmal vor, daß
Müllheim eine zweite Platanen - Allee an seinem
Ostausgang hätte, daß auf halber Höhe des Innerberges
eine Nußbaumgruppe stünde, die weit
ins Land hinausschaute, daß auf dem „Lug ins
Land" neben dem Jägerhäusle eine Eichengruppe
wüchse, von der aus man das himmlische Gartenland
bis ins Elsaß hinein verfolgen könnte, wenn
neben dem Zielberghäuschen sich eine Lindengruppe
erhöbe und wenn um den zu erwartenden
Platz, an dem sich einmal der Autobahn-
Zubringer und die Zunzinger Landstraße kreuzen
werden, Platanen wüchsen und wenn bei der
Alten Post eine Lindengruppe entstünde?
Mit einem Wort: Die Durchführung dieser
Vorschläge wäre die Übertragung des vorbildlichen
Badenweiler Park - Gedankens auf das
ganze markgräflich „himmlische Land"! —
Über dem Eingang zur Forstakademie in
Eberswalde bei Berlin steht (oder stand?) ein
Wort, das auch auf die hier angedeuteten Pläne
passen würde:
Wir säen, was wir nicht ernten werden,
und wir ernten, was wir nicht gesät haben.
auch, weil sie durch Herkunft und Schicksal zur
Wahlver<T; andten des ersten großen Sängers der
alemannischen Heimat geworden ist. Zwei Feststellungen
berechtigen zu dieser Annahme: Ida
Preusch - Müller hat eine Alemannin zur Mutter
und einen Franken zum Vater. Und gleich Hebel
hat sie das Heimweh — freilich auch viel persönliches
Leid — zur Dichtung gerufen. Es wird
deshalb wohl richtig sein, wenn wir vor einer —
soweit hier überhaupt möglich — überschlägigen
Würdigung ihres Werkes einen Blick auf den
Lebensweg der Dichterin zu werfen, einer Frau,
die ihrer ganzen inneren und äußeren Erscheinung
nach den Prägestempel einer tiefen Menschlichkeit
aufweist.
Zwei Straßen ihres Lebens
„Zwei Straßen sind es, auf die meine Erinnerung
die buntesten Bilder meiner Jugend malt.
ailee, Lammet, ifctj Ay titb
Ida Preusch-Müller zum 70. Geburtstag
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