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Sie gehen beide aus von meinem Geburtsort
Kandern und münden in Müllheim, der Heimat
meiner Eltern. Ein Kreis, in dem ein Stück Mark-
gräflerland liegt", so schrieb Ida Preusch-Müller.
Sie meint damit die Straße „inne dure" (über
Sitzenkirch, Eggenen, Feldberg, Vögisheim nach
Müllheim) und „usse dure" (über Riedlingen, Liel,
Schliengen). Tatsächlich umschreiben diese beiden
Straßen nicht nur ein Stück Markgräflerland,
sondern auch ein bedeutendes Stück persönlichen
Schicksals und ein nicht minder bedeutendes
Ida Preusch - Muller
Stück ihres Werkes. Kandern, wohin der Vater,
ein Buchdrucker mit großen Fähigkeiten, zur
Gründung eines eigenen Geschäftes gezogen war,
ist das heimliche Schatzkästlein der Erzählerin
Ida Preusch-Müller seit je gewesen. Der Vater,
wie schon gesagt, von seinen Vorfahren her aus
dem Unterland stammend, war es, der dem erzählerischen
Erbe von der alemannischen Mutter her
das lyrische Element beifügte. Das Bildhafte ihrer
Gedichte, den strengen musikalischen Rhythmus
hat Ida Preusch-Müller zweifellos vom Vater mitbekommen
. Zeichnen, Malen, Musik waren Dinge,
die vom Vater ererbt wurden. Die Mutter aber
war es, bei der die Erzählerin Ida Preusch-Müller
in die Schule ging, in eine Schule, in der echte
alemannische Sprache gelehrt wurde, in der Wesen
und Gestalt alemannischer Menschen anekdotenhaft
, humorvoll, mit einem Schuß knitzer
Bauernschläue, mit derber Diktion, mit kraftvollen
Strichen, aber vor allem mit herzwarmer
Menschlichkeit gelehrt und studiert worden sind.
In einer großen Reihe von Erzählungen wird die
Wirklichkeit der Zeit um die Jahrhundertwende
im Markgräflerland lebendig. Zahlreiche Erinnerungen
an holzschnittartig profilierte Menschen
aus Kandern, aus Müllheim, Sitzenkirch, Bürgeln,
aus fast allen Dörfern, die an den beiden Straßen
„inne dure" und „usse dure" liegen, werden bei
ihr lebendig, wenn sich wieder „ein Türlein öffnet
" bei der Dichterin, der freilich manchmal ein
bestimmter Duft, ein erinnerungsträchtiges Zusammenklingen
von Farben, Formen und Klängen
genügt, um eben dieses Türlein zum heimlichen
Reich von Traum und Wirklichkeit zu
öffnen.
Der Krieg kam, Schweres ankündigend auch
für unsere Jubilarin, die nach dem Besuch der
Bürgerschule im elterlichen Geschäft mithalf.
1920 verheiratete sich Ida Preusch-Müller mit
Hans Preusch, der als Lehrer u. a. in Tannenkirch,
Gernsbach, Mannheim, Obrigheim wirkte. Den
Eheleuten Preusch wurden zwei Söhne geschenkt,
höchstes Glück für die Jubilarin, zugleich aber
auch schwerstes Leid. Beide hat sie verlieren
müssen, den einen im Knabenalter, den anderen
als Soldat im zweiten Weltkrieg. Das Erlebnis
der Mutterschaft und des tiefen Schmerzes um
den Tod der Kinder haben die Dichterin mit die
reinsten Töne auf ihrer Harfe spielen lassen. Wir
werden darauf noch zurückkommen müssen. Vor
wenigen Jahren hat sie nun auch den treuen
Ehegefährten verloren, und wir wissen, daß es
nur eine tiefe Religiosität ist, die hier über
Schweres, Leidvolles nicht verzweifeln ließ. Seit
1957 lebt sie wieder im Hause ihres Vaters in
Müllheim.
Von Menschen und Menschlichem
Nicht leicht zu sagen, was nun in Ida Preusch-
Müller überwiegt: die Erzählkunst oder die
Lyrikerin. Wir meinen, daß beides ziemlich ausgewogen
ist. Vielleicht ist die Erzählkunst die
stärkere, denn auch in den Gedichten ist das
erzählerische Element weithin bestimmend. Wenn
Ida Preusch in ihrer Kanderner Erinnerungstruhe
kramt, dann holt sie Geschichte aus Vergessenem
und Versunkenem vor, die uns entzücken. Da ist
der Zundelheiner mit seinem Brückenzoll, Martin,
der Schäfer, ein unsterblicher Spaßvogel, ihm
gleich der Vetter Martin mit seinem respektablen
Durst. Da sind so manche Anekdoten und
Begebenheiten, so die Geschichte mit dem „Heidelbeerverein
", ganz besonders der lustige Streich
der „Vier Helden", die in der „guten alten Zeit"
in voller Kriegsbemalung in Basel aufmarschieren
, da ersteht die Gestalt der etwas knauserigen
Anne-Bas vor uns, oder die der Tante Perkula.
DIE ZEIT
In allem Lebe stoht e Gwalt,
si chunnt — un isch — un goht;
si dunkt di churz, erlebsch e Freud,
un lang, versinksch in Not.
„Zyt" sait der Mensch. E flüchtig Ding,
kai Afang hets, kai End,
isch nüt un alles, guet un bös,
isch no, wenn d'Welt verbrennt.
Si cha in alli Ewigkeit
vo selber nit vergoh,
bis Gott sy Wille uf si lait
un mächtig sait: „Bliib stoh!"
Ida Preusch - Müller
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