http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1959-04/0007
Überall verspüren wir die Freude am behäbigen,
gelegentlich auch umständlichen Erzählen, und
überall begegnen uns Menschen aus Fleisch und
Blut. Menschlich - Allzumenschliches mischt sich
mit Gedanken an Bleibendes, an Heimat über die
Zeit hinaus. Dem aufmerksamen Leser dieser
Erzählungen, von denen man gerne noch mehr
in die Lesebücher unserer Kinder wünschen
würde, sollte auch ein ganz wesentlicher Zug
dieser Erzählkunst nicht entgehen: es ist eine
tiefe Liebe zur Natur, zu Blumen, Bäumen und
Tieren, zum nächtlichen Sternenhimmel, zum
Jahreslauf.
Wie Hebel hat auch sie „das Universum verbauert
": das Geschöpf erhält Namen und direkte
Beziehung zu jedem. Da ist ein gutes Haustier,
das von der Dichterin belauscht wird in allen
seinen Lebensäußerungen, es erhält Namen und
Rang in der häuslichen Gemeinschaft. Da ist der
gutmütige treue Hofhund Bello, die „kinderreiche
" Katze Miggi und Rümpel, das drollige
Schweinchen. Alle Blumen kennt die Dichterin
beim Namen, auch bei jenem Namen, den sie im
alemannischen Volksmund bekamen und die
heute nach und nach verloren gehen. An dieser
Stelle wäre auch die Heimatforscherin Preusch-
Müller zu nennen. Ihre Sammlungen alter uriger
Mundartausdrücke, Volkssprüche, alter Kinderlieder
, ja sogar alter Kochrezepte muß erst gesichtet
und ausgewertet werden. Ebenso gehörte
hierher eine Würdigung der Märchenerzählerin
Preusch-Müller. Auch diese Märchen — in einem
Manuskript „Das goldene Schlüsselchen" gesammelt
— verdienen eine besondere Würdigung, die
bei anderer Gelegenheit nachgeholt werden soll.
E Ghaimnis jedes trait
Wir haben es schon gesagt: auch bei Ida
Preusch - Müller hat das Heimweh die Saiten der
Harfe gestimmt. Wie bei Johann Peter Hebel und
wie bei Burte, dem auf seiner Wanderschaft im
Luxembourg - Park in Paris die ersten alemannischer
Verse zufielen. Übrigens das erste alemannische
Gedicht schrieb Ida Preusch - Müller nach
Johannes Helm:
Unser Dorf, das im Sommer wie im Winter,
an Werk- wie an Sonntagen von zahlreichen
Gästen durchwandert wird, kann sich der Entwicklung
, der heute wohl fast jedes ländliche
Gemeinwesen unterworfen ist, nicht entziehen:
Die alten, eingewurzelten Berufe werden immer
seltener. Der städtische Besucher, der vielleicht
an ausgedehnte Dampf- und Motorsägeanlagen
gewöhnt ist, bei denen sich der Betrieb hinter
Fabrikmauern oder Bretterzäunen abspielt, kann
sich deshalb beim Besuch unseres Dorfes kaum
dem Reiz einer Säge älteren Stils entziehen und
widmet ihr oft ein kurzes Verweilen, um dem
rastlosen Gatter und dem allmählich vorrückenden
Baumstamm zuzuschauen. Dieses Gewerbe
des Sägers blickt in Schweighof auf eine mehr
als dreihundertjährige Tradition zurück.
einem Vortragsabend des Dichters Hermann Burte
in Kandern 1919, als sie von der Lesung aus der
„Madlee" tief gepackt und geschüttelt wurde.
(Hermann Burte hat ihr in einem bedeutenden
Brief dafür gedankt, und er hat auch bei anderer
Gelegenheit am Schaffen von Ida Preusch-Müller
besonderen Anteil genommen und ihr einen
ehrenvollen Platz in der Reihe der alemannischen
Mundartdichter zugewiesen.) Von der Madlee, so
bekennt sie in jenem Gedicht, ist ihr ein Funke
geblieben. Und diesen Funken können wir da
und dort verspüren, so etwa in dem tief auslotenden
Gedicht „Die Zeit" oder in „Gedanken
unterm Sternenhimmel". Gewiß ist für Ida
Preusch - Müller, die sich stolz als Markgräflerin
bekennt, die Heimat zwischen Kandern und Müllheim
, Blauen und Rhein ein wiederkehrendes
Thema. Auch als Lyrikerin kann unsere Jubilarin
den Schalk aus manchen Fältchen der
Sprache zwinkern lassen. So etwa in „Frauenrecht
", „Eifersucht" und in „Der Unentschiedene".
Frühling und Herbst, Sommer und Winter
gehören zu ihrem natürlichen Themenkreis. Uns
will scheinen, daß, wie eingangs schon gesagt, das
Erlebnis mütterlicher Freude und mütterlichen
Schmerzes den tiefsten und reinsten Ausdruck in
ihren Gedichten fanden. Zeitliches und Ewiges —
ein jedes trägt ein Geheimnis, heißt es in einem
Gedicht. Das heiligste und tiefste Geheimnis,
Geburt und Tod eines Menschen, das eben verspürt
sie in den das Beste in uns ansprechenden
Versen „Meine Kinder", „Mutter im Glück",
„Mutterklage", „Und immer noch mein Kind".
Hier werden persönliches Glück und Leid kraft
dichterischer Sprache zum allgemeinen Glück und
zum allgemeinen Leid erhoben.
Wir konnten nur eben in groben Umrissen
auf das Werk unserer Jubilarin hinweisen. Manches
wäre zu verfeinern, zu ergänzen. Für heute
aber sollte es ein Gruß sein an Ida Preusch-
Müller, der Dichterin froher Kindheitserinnerungen
, farbigen, ursprünglichen Lebens, der besinnlichen
Stunden; ein Gruß an die echte, in und
mit der Heimat lebenden Markgräflerin.
Die älteste bisher aufgefundene schriftliche
Quelle ist ein Aktenstück aus dem Jahre 1659.
Es handelt sich um einen Ehevertrag, in dem der
Säger Hanß Sönlein und dessen Ehefrau Anna
Maierin ihr Besitztum, nämlich „eine Behausung,
Scheuer, Krautgarten undt Segmühlen, sambt
dem Begriff und Zugehörd, so zusammen ungefähr
anderthalb Jauchert, im Schweikhof, landauf
an den Sirnitzerbach, landab Sirnitzer Weg,
gegen Rhein die Allmend, gegen Waldt an alten
Steiner Weg", an den Schwiegersohn Bernhard
Kalt und dessen Frau Eva geb. Sönlein übergeben
. Der Lagebeschreibung nach muß diese
Säge identisch sein mit der in der Mitte des
Dorfes gelegenen, heute im Besitz der Familie
Pflüger befindlichen Säge. Sie wird in der Folgezeit
nicht mehr direkt erwähnt, wohl aber wer-
©ctjtueigtjof / ^a0 Z>ocf bec Oägen
Ein altes Gewerbe im Wandel dreier Jahrhunderte
5
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1959-04/0007