http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1959-04/0012
Emil Baader:
flortecut einet: berühmten 2llemanrun
Herders Gattin Karoline Flachsland, Tochter eines Herzoglich Württembergischen Amtsschaffners((
aus Markgräfler Geschlecht
Johann Gottfried Herder, gebürtig aus Moh-
rungen in Ostpreußen, zählt in die Reihe der
großen deutschen Schriftsteller und Denker. In
die Umbildung des deutschen Lebens am Ende
des 18. Jahrhunderts griff er entscheidend ein.
Die Forderung der „Humanität", der Heranbildung
und Läuterung zum „vergöttlichten Menschen
" ist der durchgehende Grundgedanke seiner
Schriften. Er wirkte auf den „Sturm und
Drang", den jungen Goethe, die Romantik. In
seinen „Ideen zur Philosophie der Geschichte der
Menschheit" gab er ein Bild der Völker- und
Menschheitsgeschichte. Er erforschte Sprache,
Kunst und Lied der Völker.
Er hatte das Glück, eine verständnisvolle
Gattin zu finden: eine Alemannin.
Wer ihr Geburtshaus sehen will, muß eine
Reise unternehmen ins Elsaß, in das berühmte
Weinstädtchen Reichenweier. Am Reichenweierer
Schloß kündet eine Gedenktafel:
Maria Karolina Flachsland
Herders Gattin
hier geboren am 28. Januar 1750
Im Taufregister des Gemeindearchivs findet
man über ihre Geburt folgenden Eintrag: „1750:
Maria Carolina, geboren den 28. Januar, getauft
den 30. Januar. Eltern: Johann Friedrich Flachsland
, Hochfürstlicher Schaffner allhier und Frau
Rosina Katharina Mauritzin. Taufzeugen: Heinrich
Friedrich Binder, Superintendent, Christoph
Mauritii, Professor der Beredsamkeit am Gymnasium
in Karlsruhe, Peter Josef Bregenther,
Hochfürstlicher Forstmeister, Anna Maria Bre-
gentherin geborene Jaquin und andere".
Reichenweier gehörte von 1324 bis 1789 zu
Württemberg. Allenthalben begegnet man in dem
alten Städtchen dem württembergischen Wappen.
Über dem wappengeschmückten Portal des
Schlosses kann man lesen: „Von Gottes Gnaden
Christoph Herzog zu Württemberg und Teck, Graf
zu Mömpelgard, hat 1557 dieses Tor machen
lassen".
Auf Veranlassung der beiden mit Herder befreundeten
Geschichtsforscher Johannes von Müller
und Johann Georg Müller schrieb Karolina
Flachsland nach dem Tode Herders Erinnerungen
an ihren Gatten nieder. In diesen Erinnerungen
(1820 in zwei Bänden bei Cotta in Tübingen erschienen
) schreibt Karolina über ihre Herkunft:
„Ich bin die jüngste Tochter des gewesenen
Herzoglich Württembergischen Amtsschaffners
Johann Friedrich Flachsland zu Reichenweier im
Elsaß. Mein Vater starb bereits in seinen blühendsten
Jahren, 39 Jahre alt, 1755 an einem
hitzigen Fieber. Meine Eltern lebten in der glücklichsten
Ehe, beide geliebt und geehrt vöm ganzen
Ort und der ganzen Gegend: wegen ihrer
Tugend, ihrer Wohltätigkeit und ihrem freundlichen
Umgang mit Menschen. Meine Mutter war
14 Tage Wöchnerin, als mein Vater starb. Sie
war mir bis zu ihrem Tode und über das Grab
hinaus das liebste, was ich auf der Welt hatte.
Acht unerzogene Kinder blieben mit ihr auf der
Welt zurück. Aber Gott hat uns wunderbar
durchgeholfen, durch Verwandte und edle Menschen
und mir in meiner Armut — Herder zum
Manne geschenkt".
Da Karolinens Vater „Herzoglich Württembergischer
Beamter" war, läge es nahe anzunehmen
, daß ihr Vater Schwabe war. Dies scheint
aber nicht der Fall gewesen zu sein. Über die
Herkunft der Familie bemerkt Johann Georg
Müller, der Herausgeber von Karolinens Lebenserinnerungen
: „Die Familie Flachsland, ursprünglich
adelig, besaß in Basel das Bürgerrecht. Zur
Zeit der Reformation verließen zwei Brüder die
Vaterstadt. Der eine, der katholisch wurde, verblieb
adelig und ließ sich im Elsaß nieder; der
andere legte den Adel ab, wurde lutherisch und
wohnte in der Markgrafschaft Baden. Er hinterließ
seinen Kindern die Familiengeschichte und
das adelige Flachsländische Siegel. Die Geschlechtsregister
gingen aber im Dreißigjährigen
Kriege verloren. Von den lutherischen Flachsland
stammt der Vater von Karoline ab".
Wie hat nun der aus Ostpreußen stammende
Herder seine aus dem alemannischen Land stammende
Gattin kennen gelernt?
Nach dem Tod des Vaters siedelte die Familie
nach Pirmasens über, wo Karoline der Mutter
treu zur Seite stand. Zehn Jahre nach dem Tod
des Vaters starb auch die Mutter. Nun kam
Karoline in das Haus des Geheimrats Hesse zur
Darmstadt. Hesse war mit einer Schwester Karolinens
verheiratet. Als Begleiter des Erbprinzen
von Holstein Eutin kam 1770 Herder an den Hof
der Landgräfin Karoline von Hessen-Darmstadt.
Er lernte hier den Kriegszahlmeister Johann
Heinrich Merk, aber auch Geheimrat Hesse und
dessen Schwägerin Karoline Flachsland kennen.
Um sie heiraten zu können, nahm er eine Stelle
als Hauptprediger des Grafen zu Lippe in Bückeburg
an. Dort erfolgte die Heirat im Mai 1773.
Wie sehr sich die beiden verstanden, bezeugt eine
Stelle aus Karolinens Lebenserinnerungen:
„In den ersten Jahren unserer Ehe, da ich
meist bei ihm auf seinem Zimmer war, überraschte
es uns oft bis zum Erstaunen, wenn wir,
ohne vorher darüber geredet zu haben, zu gleicher
Zeit an ein und dieselbe Sache dachten, ähnliche
Empfindungen und Gefühle hatten. Wir
fühlten uns dadurch in dem Glauben bestärkt,
daß ein Reich geistiger Kräfte auf uns wirkte;
welche Macht die Gedanken haben; wie innigst
verwandt unsere Seelen seien".
Karoline erlebte die Veröffentlichung ihrer
Lebenserinnerungen nicht. Sie starb am 15. September
1809. Johann Georg Müller schrieb: „Sie
10
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1959-04/0012