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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1959-05/0004
Wutter

Was man von der Mutter hat, das sitzt fest und läßt sich nicht ausreden, das behält man, und es ist auch gut so,
denn jeder Keim der sittlichen Fortentwicklung des Mensch engeschjechts liegt darin verborgen. Wilhelm Raabe

Qin meine Butter

Muetter, weisch no, wo den in de Beeri
hoch am Belche gstande bisch im Schlag?
Was Der dort in Sinn ii cho sy mag,
jung voll Süeßi, herb in Ernscht un Schweri?

Muetter! Ohni Di nit worde weri!
Hani mi dort in Der g'meldet, sag?
Lueg, i mein, i chennti sälbe Dag,
un vo sälber erschte Lieb no zehri.

's Himmels Blau hesch gsegnet in Di trunke

obe hoch in Sunneglascht un Wind!

Het Der ächt en anderi Heimet gwunke,

woni jetze heimlig in mer find?

's Aener Land, dur Di ischs iinegsunke,

Muetter, in Dy ungibore Chind!

Dermäctjtniö öec OTutter.

Wenn i emol mueß goh un reise
un traits me übere Sterneflor —
Hül nit, De blibsch kei armi Waise,
i wart uf Di am Himmelstor.

Un cheemtisch nit no tuusig Johre,
i warteti uf Di gliichwohl —
My Chind, i ha Di doch gibore,
hulf Der ans Liecht gern nonemol!

Mihr wüsse nit, wie lang mer bruuche,
un wie's der Herrgott mit is will.
Er würd is aber scho ahuuche,
no chanis keini Sorg me struuche —
So freu Di ehnder un bis still.

Hedwig Salm

<$egen Me OTuttec uerloeen

Anläßlich des 60. Geburtstages
des Dichters Richard Gang,
geb. am 21. April 1899

Was eine Mutter dem Kinde bedeutet, wieviel
sie ihm an Wärme, Liebe, Schutz, Kraft, Heimat
bietet, haben wir Erwachsene, zumal wir Männer
, vergessen. Wir haben den blühenden Garten
ihres Herzens verloren wie Adam das Paradies
. Wir flattern im Alltag zwischen Erfolgen
und Rückschlägen, Irrtümern und Hoffnungen
und haben unsere Fühler nach allerlei irdischen
Genüssen ausgerichtet. Doch in begnadeten
Augenblicken ist es uns vergönnt, einen Blick ins
verflogene Traumreich des Kindes, in die unversehrte
Welt der Jugend mit ihrer Reinheit,
Schönheit und Gläubigkeit zu werfen. Ein Hauch
wie aus einem ewigen Mai weht uns dann entgegen
. Es sind Sternstunden des Daseins, auch
wenn sie nur wenige Minuten dauern. Vor einigen
Tagen hatte ich das Glück, das schmerzliche
Glück, von einem solchen goldenen Strahl getroffen
zu werden.

Ich spielte mit meinem neunjährigen Sohn
Fangen und Verstecken. Er ritt auf mir, wir
balgten uns auf der Couch und am Boden, wir
spielten gar Fußball in der Küche und im Flur.
Und wie das! Wir trippelten, roßten, foulten und
knallten den Ball an den Küchenschrank und an
die Türen, daß die Mutter vom Zimmer her, wo
sie an der Maschine nähte, mahnend rief: „Nicht
so wild!" Wir bewarfen uns mit Sofakissen,
sahen ein Bilderbuch an, plauderten über Tiere

und Pflanzen, lachten und trieben, was wir für
lustig fanden. Wir waren eine vollkommene,
herzliche Einheit, und ich freute mich, dem fröhlichen
Knaben meine Zeit und Liebe geben zu
können. Und welcher Vater meint nicht bei solchen
Spielen, er gebe seinem Kinde alles, was
er besitze an inneren Werten, ja schon zuviel?
Aber, hört es, wir gaben ihm nichts, gar nichts,
gemessen an der Mutter.

Als ich nämlich auf die Uhr sah und feststellte
, daß ich eine geschlagene Stunde ver-
troddelt hatte und erklärte, nun müsse ich aber
an meine Arbeit, da fiel mir eine Binde von den
Augen. Mein wilder Knabe stand vor mir und
schaute, so schien es mir, traurig und erwartungsvoll
zu mir auf. Ich brachte es nicht über
mich, ihn zu verlassen; er würde aus einem
Rausch der Freuden in die Trostlosigkeit stürzen
und mit Klagen und Zärtlichkeiten wohl versuchen
, mich noch bei sich zu behalten. Angestrengt
überlegte ich, wie ich ihn beschäftigen oder mit
einem anderen Spiel trösten könne. Ich fand
nichts. Sanft strich ich ihm mit der Hand übers
Haar und sagte: „Und was machst du jetzt?"

Ohne zu überlegen und mit ruhiger Miene
sagte er: „Ich? Ich gehe zur Mutter!"

„Aber sie näht, und du mußt bei ihr still
sein."

Jetzt machte er eine lässige Handbewegung,
als wolle er den Firlefanz, den ich ihm (geboten
hatte, abtun und lächelte: „Das macht nichts. Bei
der Mutter ist es immer schön!" Richdfd Gang

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