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Johann Jakob Hebel zur Stunde der Pflicht
erwacht.
Nach den Augenblicken des Besinnens schlug
er Licht, zündete die Kerze an und stand bald
korsisch gekleidet, nahm einen Imbiß und rückte
das Feldbett in seine Ordnung. Er ging, nachdem
er die Kerze gelöscht hatte, sich von dem
Major zu verabschieden. Die Pistole und den
Dolch, die er unter dem Wams trug, konnte auch
ein gewarnter Blick nicht gewahren.
Der sei fromm, sagte Iselin, der alle Schalk-
heit wisse und sie nicht tue. Gottes Mühle stehe
oft lange still; er hoffe, daß ihre Flügel während
der nächsten zweiundsiebzig Stunden nicht plötzlich
angeblasen würden. Was er der Ursel
schulde, sei ihm gegenwärtig, und er wünsche,
ihr den in der Truhe liegenden Versiegelten, von
dem er, der Simmerner Johann Jakob gesprochen
habe, nicht schicken zu müssen. Wenn der
Streich gelinge, rücke Basel und eine Hochzeit
näher!
Mit solchem Trost machte der verkleidete
Adjunkt sich auf den Weg. Noch standen Sterne
über ihm. Doch das erste Mondviertel hing schon
tief im Westen, und der Osten dämmerte. Die
Mailuft wehte balsamisch. (Schluß folgt.)
Emil Baader.
'flftai'glötfctjen läuten wkbzn.
Kaum gibt es eine Blume in Gottes Garten,
die sich beim Volk einer größeren Wertschätzung
erfreut als das Maiglöckchen. „Freudentränen
Gottes" nennt sie die Legende.
Nun ist der Mai wieder da. Da fallen mir die
Maiglöckchenfahrten in die Schwarzwaldheimat
ein. Dieweil wir im April Schlüsselblumen in
der Lud wiese holten, suchten wir die „Maie-
riisli" an der Bärenhalde. Dort holten wir bei
der „Maiekur" Sträuße der geliebten Blume.
Auch die „Knöpfe" wurden nicht verschmäht.
Sie werden zu Hause im Wasser schon aufgehen,
dachte man.
Man kann sich im Maien keine Schwarzwälder
Bauernstube vorstellen ohne Maiglöckchen. Sie
stehen in der Fensternische; sie schmücken den
Maialtar, der Muttergottes zu Ehren. Sie erfüllen
die Stube mit ihrem würzigen Duft. Am zweiten
und dritten Maisonntag wurden die Sträuße größer
. Sie wurden nach strengem Gesetz gebunden:
ringsum grüne Blätter, aus der Mitte ragend die
besonders schönen Blumen. Die Burschen und
Mädchen wandern am Sonntag mit Maiglöckchensträußen
zum Gottesdienst; auch Männer
und Frauen nehmen gern ein Sträußchen mit in
die Kirche.
Betritt man das Dorfwirtshaus, dann schaut
man mitten auf dem Tisch einen Maiglöckchenstrauß
. Er gehört zum Maisonntag, wie der
Christbaum zur Weihnachtszeit.
Im Mittelalter galt die Blume als heilkräftig:
gegen Schlagfluß. Die Pflanze mußte aber vor
Sonnenaufgang, wenn noch Tauperlen an ihr
hingen, gepflückt werden.
Als Jesus Christus von den Kriegsknechten
gegeißelt wurde, so erzählt die Legende, trat eine
Mutter mit ihrem Kind herzu. Da das Kind des
Heilands Qualen sah, weinte es und bat die
Knechte, Erbarmen zu haben. Umsonst. Da
sprang das Kind die Stufen hinauf, faßte den
Heiland an, ihn zu befreien. Darüber ward der
Herr so gerührt, daß er Freudentränen vergoß.
Sie rannen von seinem Angesicht auf die Steinplatten
des Hofes. Diese zersprangen. Aus den
Spalten wuchsen die duftenden, schneeweißen
Blüten des Maiglöckchens.
Fürwahr: es sind Freudentränen Gottes, diese
wunderbaren Waldblumen unserer Heimat.
Im Markgräflerland vor hundert Jahren
7ot)ann fleter f>ebelö (Bcabmal in <E5djtuefcmgen
Am 16. Mai 1859 konnte man im „Oberländer
Boten" Nr. 58 folgende kleine Notiz lesen:
Schwetzingen, 10. Mai. Heute, am letzten Jahrestage
des Jahrhunderts, welches seit der Geburt Hebels
verflossen ist, fand die Enthüllung seines Grabdenkmals
an der Stelle statt, wo die irdischen Überreste
des edeln, gemüthreichen alemannischen Dichters,
des heitern „Rheinischen Hausfreundes" ruhen.
Zu dieser Notiz gehört ein Gedicht in alemannischer
Mundart, das in der gleichen Nummer des
genannten Blattes abgedruckt ist. Es lautet:
Bei der Enthüllung des Hebelgrabmals zu Schwetzingen
Gang suech e Grab im Chilchhof uf
Un setz e Maieblüemli druf!
E Maierisli wiß wie Schnee
Soll lütte unser Leid und Weh.
Jo, 's Leid und 's Weh, aß gar zue wit
Bigrabe vo der Heimeth lit
Der Hebel, der nit überall
Deheim isch, wie im Wiesethal.
Wo d'Wiese ruuscht dort her vo Zell
Mit ihre Welle flink und hell,
Dort stoht e Hus, no grad e so,
As wie's der Hebel het verlo.
Und Schöpfe, 's Wirthshus an der Stroß,
Und witer unte 's Röttierschloß,
Die wisse weger dies und das
Vom Hebel no und menke Gspaß.
Er het sie gliebt, er het sie gehennt
Si Heimeth — und nüt het en trennt
Vo sine Berg im Oberland,
Au wo ner glebt im Herestand.
Wie lieb het er nit d'Wiese gha!
Er stimmt ere ne Liedli a,
Es isch so schön und klingt so frisch,
As keis dermit z'verglichen isch.
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