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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1959-06/0005
ruher Stadtgründer als Erbprinz eine liebenswürdige
Figur einnimmt) eine ganze Taufgesellschaft
ihre gebackenen Eier samt dem Endivie-
salat stehen lassen muß, um mit Kind und Kegel
nach Basel zu fliehen, weil die Franzosen als
ungeladene Gäste am „Herbst" teilnehmen wollen
, da bleibt als Einziger der Junggesell Sigrist
auf dem Bänkli sitzen und murmelt überm Glas
Neuen: „Wohl dem Manne, der sich nicht verflochten
hat mit dem Weibervolk: er darf sein
Chrüsli allein trinken, so längs ihm schmeckt,
und sein Schüfeli und die Hammeschnitz für sich
verzehren. Er kann aufstehn und ins Bett liegen
wann er mag, und das Weibervolk schimpfiert
ihm die Ohren nit voll, und das Kindsgeschrei
weckt ihn nit alle Stund in der nachtschlafenden
Zeit. Es lauft sich ledig allweg besser den
Hüttenrain hinan, wenn das Feindsvolk kommt,
als mit derengattigem Geschlepp am Rockflügel".

Nur eine Liebe, die bleibt frei von aller selbst
gutmütigen Spötterei: die Liebe zum Oberland.
Wenn sie aufklingt, sind alle Töne rein wie der
Lerchentriller am Aprilmorgen und das Alt-
väterisch-Biedermeierliche harmoniert mit den
Blumen der Wiesen, mit dem sanften Schwung
der Bergrücken, mit dem Seidenglanz der Rebstecken
und dem geflockten Himmel.

Immer wieder wird das kleine Paradies zwischen
Schwarzwald und Rhein umzirkelt, durchwandert
, durchfahren. Auf dem Schiff, vorbei am
Isteiner Klotz, mit dem Kütschli hinauf zu den
Probsten auf Bürgeln, zu Pferd ins Töpferstädtlein
Kandern oder gar nach Müllheim und Lörrach
. Und trotz Kriegsnot und anderen Drangsalen
finden die Menschen das Leben nur im
Markgräflerland lebenswert. Der liebeskranke
Präzeptoratsvikar Hebel geht auf kein noch so
verlockendes Angebot eines nach Amerika ausgewanderten
Freundes ein — wie könnte er
denn? — und der Professor der Historie, Daniel
Schöpflin, kriegt seine schöne, aber „wildhirnige"
Künigund im Grunde nur deshalb nicht, weil sie
halt doch nicht in der Franzosenstadt leben kann,
wo der ganze große Rhein sie von der Heimat
abtrennt. Nur der Johann Jacob Astor aus Walldorf
hat's geschafft, aber ob er freikam vom
Heimweh innerlich? Hermann Albrecht, der auch
sein Dichter wurde, weiß es besser.

Ihn selbst, den fabulierenden Seelenhirten,
ließ sie nie los, die Heimat. Sein Nördlichstes
blieb der Odenwald. Als Vikar wirkt er in
Michelbach, später in Strümpfeibrunn, Schollbrunn
und Fahrenbach. Die erste Pfarrei wird
ihm 1868 in Huchenfeld bei Pforzheim zugewiesen
, aber an seinem 43. Geburtstag erfüllt sich
sein Herzenswunsch, und er hält in Kleinkems
am Rhein seine Antrittspredigt. Was Hebel
lebenslang vergeblich ersehnte, seinem Schüler
im Geist bescherte es das Schicksal: die Mark-
gräfler Dorfpfarrei. Den Lebensabend verbringt
Hermann Albrecht, dessen körperliche Kräfte
durch vielerlei Krankheit sich erschöpften, in
der Heimat seiner Frau, in Lahr und Dinglingen.
Dort, wenige Jahre vor seinem Tode, schreibt er
eine einfühlsame Hebel-Biographie. Auch er,
Albrecht, betätigte sich als „Kalendermann",

doch erlebte das oberrheinische Jahrbuch, das
„Gotte-Stübli", nur zwei Jahrgänge. Ein Bändchen
Lyrik trägt den Titel „E Maje us em Oberland
".

Albrechts Bild wäre unvollständig, blieben
seine schweren inneren Glaubenskämpfe unerwähnt
. In Freiburg studierte der Sohn eines
Schreiner- und Zunftmeisters zuerst die katholische
Theologie. Doch das seinerzeit herrschende
Lehrsystem legte seinem Geist allzuviel Fesseln
an. Nach heftigen Seelenkämpfen trat er in Basel
zum Protestantismus über. Die Zweifel, ob er
den rechten Weg gewählt habe, beschäftigte ihn
viele Jahre. Sie sind deutlich in seinen ersten
Werken spürbar, die in gewissem Sinne als
Bekenntnisbücher aufgefaßt sein möchten. In
jugendlichem Sturm ereifert sich der Dichter
gegen manche Mißstände der Kirche, und die
Kuttenmönchlein müssen allerhand salzige Wahrheiten
hinehmen. Doch auch dieser Most klärte
sich zum Wein. Albrecht selbst sagte in reifen
Jahren, es wäre ihm lieber, diese Jugendbücher
wären nicht gedruckt worden. Große Teile seiner
„Häfnetjungfer" spielen zwar bei den Walden-
sern — Arnaud, der greise, tapfere Führer wächst
als wundervolle Gestalt aus ihrer Mitte auf —
aber in Albrechts Denken und Dichten siegen
Toleranz und weltweites Gefühl. Und wenn er
auch seinem Markgräfler Land einen „besonderen
" Himmel zuerkennt, einen besonderen Herrgott
gibts für ihn nicht, denn das, so sagt er einmal
sarkastisch, gibts nur im Krieg, wo der
Deutsche, der Franzos, der Türk und der Ruß'
seinen aparten Herrgott haben will. Wenngleich
Albrecht nicht die dichterische Kraft gegeben
war, diese seiner Zeit vorauseilenden Gedanken
in eine große, gültige Form zu bringen, so spricht
es doch nicht weniger für seine gereifte religiöse
Haltung, wenn er einmal, in den Tönen, die ihm
gemäß waren, von den zwei Kirchtürmlein erzählt
, die friedlich nebeneinander aus dem Grün
des Oberländer Dörfchens herausschauen und
zum selben Himmel emporweisen.

Den Pfarrerdichter Albrecht focht es wenig an,
daß seine Poesie im Schatten Hebels und Scheffels
sich bescheiden mußte. Gehört nicht der
Holunderstrauch zum sommerlich heimatlichen
Land ebenso wie der hochgewachsenere, edle
Nußbaum? So schließt seine Geschichte — mit
des Dichters eigenen Worten — „wehmütig und
halbfertig, wie alles Menschliche"; aber ist sie
deswegen weniger liebenswert? Der Leser, der
nicht die Mühe scheut, sich mit ihr vertraut zu
machen, mag es entscheiden.

Städte am Oberrhein

Ziere Türme, hohe Dome,

Giebel, Tore, Mauerkleid;

Habig, stolz, vertraut und breit

Hingelagert an dem Strome,

Froh sich sonnend in den Feldern,

Tief geduckt in Tannenwäldern,

In die Fluren ausgestreut,

Zwischen Strom und Bergeshöh'n,

Heiter, lächelnd, klar und schön,

Reicher Tisch voll Brot und Wein:

Städtekranz am Oberrhein! Franke

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