http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1959-08/0007
schauen wie blaue Augen den Wanderer an. An
allen Wegen, selbst an den bestaubtesten Feldwegen
und Landstraßen ist sie im Hochsommer
anzutreffen. Weit überragt sie die anderen
Pflanzen. Wie sie zu ihrem Namen kam, das
weiß uns die Legende zu erzählen.
Als Gott der Herr noch auf Erden wandelte,
es war im Sommer, und die Sonne schien heiß,
kam er einmal in ein Haus, aus dem ein Mädchen
schaute. Von Durst geplagt, bat er das Mädchen
um einen Trunk Wasser. Das Mädchen wies den
Wanderer spöttisch ab mit den Worten: „Troll
dich von meinem Fenster weg; ich sehe nach
einem Liebsten, du versperrst mir die Aussicht!"
Der Herr warf einen schmerzlichen Blick gen
Himmel und ging weiter zum Nachbarhaus. Als
kurze Zeit darauf der Jüngling an das Haus des
Mädchens kam ,fand er sie nirgends mehr. Doch
vor ihrer Tür am Weg stand eine schlanke, hart-
stenglige Blume, wie er sie zuvor nie gesehen.
Sie schaute ihn gar traurig mit ihren blauen
Blumenaugen an. Das war die hartherzige Jungfrau
. Sie muß am Wege warten, bis der Herr der
Welt wieder des Weges kommt, sie zu erlösen.
Die Wegwarte, von den Botanikern „Cichorium
intybus" genannt, wird in manchen Gegenden
auf Äckern gepflanzt. Diese kultivierte Art
entwickelt dicke Wurzeln, aus denen die als
Kaffee-Ersatz bekannte Zichorie gewonnen wird.
Zichorie wird in der Gegend von Magdeburg und
Braunschweig angebaut, ebenso in Belgien, Holland
, Frankreich und anderen Ländern. Von
Braunschweig kam der Zichorienanbau nach
Süddeutschland, zumal in die Lahrer Gegend.
Über 150 Jahre lang bestanden in Lahr zwei
berühmte Zichorienfabriken. Ihre Begründer
waren Christian Trampler und Daniel Voelcker.
In großen Wagenkolonnen brachten die Bauern
aus der ganzen Umgebung Zichorienwurzeln
nach Lahr, wo sie gewaschen, zerschnitten, getrocknet
, dann geröstet und gemahlen wurden.
Im Jahre 1926 wurde die Fabrikation von Lahr
nach Ludwigsburg in Württemberg verlegt.
Feuerroter Mohn
Er gehört zum goldenen Kornfeld, der feuerrote
Mohn, so gut wie die blaue Kornblume und
die violette Kornrade. Die Kinder pflücken die
prächtigen Blumen zum Strauß, legen die zarten
Blütenblätter auf den durch Daumen und Zeigefinger
gebildeten Ring, schlagen darauf und erfreuen
sich an dem klatschenden Schall, weshalb
die Blume auch Klatschrose heißt. Die Kunst des
Gärtners schuf aus der Feldblume gefüllte
Blüten von mannigfacher Form und Färbung.
Dem Landmann freilich ist der feuerrote Mohn
weiter nichts als ein lästiges Unkraut, nimmt er
doch dem Korn Nahrung und Platz weg. Der
Kampf zwischen Unkraut und Mensch währt
schon so lange als Getreidebau getrieben wird.
Der Mensch vermochte das Unkraut nicht auszurotten
. Das Leben des Unkrauts hält gleichen
Schritt mit dem Leben des Korns. Mit dem
Getreide sprießt auch der Mohn, und mit dem
Getreide reifen die Samen. Wohl gehen viele
Samen zugrunde, nämlich beim „Putzen" des
Die Ernte
In goldne Ähri stoht der Waise,
au d'Halm sin rösch bis ufe Grund,
es lit e Stilli uf de Felder,
vom Rhy bis ufe zue de Wälder,
e Blange bis der Mähder chunnt.
's isch Aern! — Was ufern Halm isch gwachse,
das schniidet jetz der gschärfti Stahl,
un z'Obe isch's in Garbe bunde,
un gli het's au der Heimweg gfunde,
bal stoht der Acker ruuch un kahl!
So isch's, so goht's sit ewge Zyte:
Am Afang d'Saat, am Endi d'Aern;
vo eim zuem andre schürgsch di Chare,
meng geeche Stich gilt's ufe z'fahre,
un mengi Nacht isch ohni Stern.
Un z'letztamend stoht do e Bahre,
un Eine schlaat e Sichlen a. —
Die Aern? — Do isch me gli im Reine
's meist chunnt dervo in d'Hälmezaine,
un 's irde Mäß lit nebedra!
Doch goht's gottlob au änderst umme,
es isch no lang nit alles gsait;
's stoht no-ne Saat uf unsre Fuure,
die wird de Zytlauf überduure,
un seil isch d'Aern für d'Ewigkeit!
Aus: „Zwische Blaue un Rhy" Alemannische Gedichte
von Fritz Wolfsberger.
Korns, aber es bleiben immer noch genug übrig,
die bei der Aussaat wieder auf den Acker kommen
. So hilft der Mensch selbst das Unkraut
auszubreiten.
Wir denken nicht mehr daran, daß diese
Pflanze ursprünglich nicht bei uns heimisch war.
Daß der Feldmohn aus sonnigeren, blütenreicheren
Gegenden stammt, beweist die auffallende
Farbe der Blüten. In seiner alten Heimat stand
der Mohn im Kampf ums Dasein mit anderen
schön gefärbten Blüten. Er mußte dort auf
Insekten mit stärkeren Mitteln wirken als bei
uns. Daß die Pflanze aus einem Trockengebiet
stammt, bezeugen die lange Pfahlwurzel und die
kleinen behaarten Blätter. Früher wurden die
Mohnkörner als Nahrungsmittel verwendet. Karl
der Große befahl den Anbau des Mohns. Man
kennt viele Arten dieser Pflanze: der Klatschmohn
oder Feldmohn (Papaver rhoeas) besitzt
scharlachrote am Grund in der Regel schwarz
gefleckte Blumenblätter; der Garten- oder
Schlafmohn, auch Magsamen genannt (Papaver
somniferum), wird zumal zu Samengewinnung
gezogen; der weiße Same enthält fettes Öl. Im
Orient gewinnt man aus den noch nicht völlig
reifen Kapseln das Opium. Die früher medizinisch
benutzten unreifen Kapseln enthalten
Morphin und Narkotin. Ihre Anwendung als
Schlafmittel ist für Kinder äußerst schädlich.
Der Mohnkopf war immer ein Sinnbild des
Schlafes. In manchen Ländern genießt man am
5
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1959-08/0007