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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1959-08/0011
Schlachtenberichten und Kriegserinnerungen zusammen
mit einem erstaunlichen Vermögen, sich
in die feinsten psychologischen Regungen des
Soldaten einzufühlen, befähigt ihn, seine sachlichen
Darstellungen in der knappen, intensiven
und überzeugenden Form zu bringen. Doch der
Künstler in ihm ringt um Vervollkommnung,
und der Abenteurer drängt auf das persönliche
Kriegserlebnis. Als Kriegsberichterstatter segelt
er in einem Freibeuterschiff nach Cuba, um am
spanisch - amerikanischen Krieg teilzunehmen
(1896). Das Schiff sinkt und Crane lernt den
Kampf mit den Wellen kennen, denen er glücklich
entrinnt, um dann das Erlebnis in einer seiner
besten Kurzgeschichten „Männer im Boot"
zu gestalten. Auch der griechisch-türkische Krieg
gibt ihm Gelegenheit, neben der eigentlichen
Presseberichterstattung das Geschehen in literarisch
vollendeter Form festzuhalten. Immer aber
bleibt die praktische Erfahrung nichts als eine
Bestätigung seines gewissermaßen theoretisch
vorweggenommenen Kriegserlebnisses, nie muß
sie ihn korrigieren.

1898 heiratet er Cora Taylor, die ihm in ihrer
tüchtigen Art eine starke Hilfe wird, deren er
immer mehr bedarf; denn sein Gesundheitszustand
beginnt bedenklich zu werden. Anfeindungen
in der Heimat veranlassen ihn, nach
England überzusiedeln, wo er in Joseph Conrad
und H. G. Wells treue Freunde findet. Seine
schriftstellerische Tätigkeit reißt nicht ab, doch
wird die Gipfelhöhe der „Roten Tapferkeitsmedaille
", der „Männer im Boot" und des
„Blauen Hotels" nicht mehr erreicht. Das entbehrungsreiche
und abenteuerliche Leben hat
den Keim zur zehrenden Krankheit in ihm gelegt
. Im März 1900 erleidet er einen Blutsturz,
reist im Mai übereilt nach Deutschland und stirbt
am 5. Juni 1900 in Badenweiler. Bis zum vorletzten
Tag seines kurzen Lebens war er an der
Arbeit, denn von der von ihm nicht mehr vollendeten
Novelle „The O'Ruddy" finden sich
Notizen, die von ihm diktiert, von seiner Frau
aufgezeichnet sind mit dem Datum vom 30. Mai
und vom 3. Juni.

Stephen Cranes Leichnam wird nach England
und dann nach Amerika überführt, wo er in
Elizabeth, New Jersey (USA) beigesetzt worden
ist. Aus dem Briefwechsel, der der Überführung
voranging und ihr folgte, ist eine Stelle bemerkenswert
, an der der amerikanische Konsul in
Freiburg (Breisgau), E. Th. Liefeld, seiner Botschaft
in Berlin folgendes berichtet: „Frau Crane
bittet mich, besonders die Gefälligkeit und Rücksicht
zu erwähnen, die ihr bei den Behörden von
Badenweiler zuteil wurden, ganz besonders aber
den Namen von Dr. Albert Fraenkel, der Mr.
Crane während seines kurzen Aufenthaltes dort
betreute." Im Antwortschreiben der Botschaft
wird diese Anerkennung mit Befriedigung vermerkt
und dem Konsul der Dank für alle seine
Bemühungen hinsichtlich der Überführung Cranes
ausgesprochen.

Das Sterbehaus Cranes in Badenweiler ist das
Haus Luisenstraße 44 (Ecke Bergstraße). Mancherlei
Schwierigkeiten hatten sich zunächst der

genauen Feststellung entgegengestellt; schließlich
aber waren die Nachforschungen doch erfolgreich
und brachten die erwünschte Klarheit.

In Amerika war es nach dem Tod des jungen
Schriftstellers sehr still um ihn. Seit den zwanziger
Jahren jedoch hat man erkannt, daß Stephen
Crane in der modernen Literatur einen hervorragenden
Platz einnimmt. Sein englischer Freund
H. G. Wells stellt fest: „Stephen Crane war ohne
Zweifel der beste Schriftsteller unserer Generation
." Es vollzieht sich eine enorme Wiederbelebung
seines Werkes und seiner biographischen
und kritischen Durchdringung, die man fast als
eine Crane-Renaissance bezeichnen möchte. Die
gesammelten Werke Stephen Cranes erscheinen
1925—27 in einer zwölfbändigen Ausgabe, und
eine weitverzweigte Crane-Gesellschaft hat lange
Zeit alles erreichbare Material über den Schriftsteller
zusammengetragen und sein Andenken
wach gehalten. An der Spitze der Gesellschaft,
die leider in den vierziger Jahren aufhörte zu
bestehen, stand Max J. Herzberg, der als Einundsiebzig
jähriger am 21. 1. 1958 starb. Unter den
Gelehrten, die sich in jüngster Zeit mit Stephen
Crane in literarwissenschaftlicher Form befaßt
haben, stehen Professor R. W. Stallmann, Storrs
(Connecticut-USA) und Professor Dr. E. R. Hagemann
, Los Angeles (California-USA), in vorderster
Reihe. Auch auf den biographischen Roman
des Schriftstellers Louis Zara, Newyork, der eingangs
schon erwähnt wurde, darf in diesem Zusammenhang
noch einmal hingewiesen werden.
Gerade von dieser Literaturgattung ist wohl zu
erwarten, daß sie den fast vergessenen Crane
wieder weiteren Kreisen näherzubringen vermag
und mit dem Menschen auch sein Werk in ein
helleres Licht stellen wird. In deutschen Übersetzungen
liegen vor: „Männer im Boot und andere
Erzählungen" (Benno Schwabe & Co., Basel,
1955) und „Das Blaue Hotel" (Albert Langen —
Georg Müller, München, 1955).

Um diesen Dichter und Schriftsteller, dessen
Lebensbahn hier in Badenweiler zu Ende ging,
auch bei uns erneut an die ihm gebührende Stelle
zu rücken, plant man in Badenweiler zu seinem
60. Todestag am 5. Juni nächsten Jahres eine
Stephen Crane-Gedächtnisfeier. Eine Gedenkrede
und eine Lesung aus einem seiner Werke sind
vorgesehen. Darüber hinaus ist man bemüht, an
geeigneter Stelle eine Stätte zu schaffen, die die
Erinnerung an Crane auch in künftigen Generationen
wachhalten soll. Es ist an die Enthüllung
einer Crane-Büste oder eines Crane-Reliefs gedacht
worden, um deren Beschaffung noch Anstrengungen
im Gange sind. Die Nachforschungen
nach dem Verbleib eines Bas-Reliefs, das die ausdrucksvollen
Gesichtszüge des Dichters überaus
lebendig wiedergibt und aus der Hand des irischen
Bildhauers Seumas O'Brien hervorgegangen
ist ,haben leider noch nicht den gewünschten
Erfolg gehabt, obwohl die Suche einen Umfang
angenommen hat, der für einen Detektivroman
fast ausreichend wäre. Das Relief muß wohl als
verschollen betrachtet werden. Inzwischen hat
sich die Aussicht auf eine zweite Möglichkeit eröffnet
. In der Geburtsstadt Cranes, in Newark,

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