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Heimkehr vom Felde

Von den Hügeln sinkt der Abend nieder.
Müdes Volk kehrt seiner Hütte zu.
Träumend schließt der Tag die Lider
In der Wälder wundersamen Ruh.

Auf dem Anger weidet stumm die Herde
Und ein Pflug zieht seine ernste Bahn.
Leis verklingt das helle Lied der Erde.
Erster Stern hebt sanft zu blühen an.

Wegrich säumt die stillen Abendpfade.
Blauer Schatten wandert felderein.
Selig strömt in dich des Lebens Gnade
Und du mußt voll Andacht sein.

Abendlied

Leise in den Abend treten
Mond und Stern auf Silberschuh'n,
Und die Wälder in Gebeten
Dunkeln stille, auszuruhn.

Schweigend atmet grünes Leben
Um des Stroms gedämpften Lauf,
Und die Herzen sich erheben
Weit ins Himmlische hinauf.

Siehe, unsichtbar gezogen,
Den kein Irdisches bewegt,
Wölbt sich sanft der Weitenbogen,
Der uns alle hält und trägt.

Das Jahr

Das Jahr ist wie ein Fischerboot,
Das ausfährt in die Nacht.
Die Netze, Leinen und das Lot,
Ist alles vorbedacht.

Der Mast taucht in das Dunkel ein.
Die Flut zerteilt der Kiel.
Die Lampen werfen kargen Schein.
Wir wissen gar nicht viel.

Die Nacht spannt weite Segel aus.
Das Meer wird stimmenleis.
In uns erlischt das Wort „Zuhaus";
Wir sind dem Ewigen preis.

Walter Franke

Wilhelm Zentner:

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Ein Irrtum der Naturgeschichte

In den unteren Gymnasialklassen habe ich
zwei vollgemessene Schuljahre lang jeden Morgen
, sogar am Sonntag, zu dessen Feier die Ausnahme
von der Regel statthaft gewesen wäre,
Kasseler Haferkakao getrunken. Was zunächst im
Vollzug einer elterlichen Anordnung geschehen
war, wurde bald mein freier Wille, denn die
besagte Haferkakaofirma pflegte ihren Produkten
Bilder beizugeben, Vogelbilder, die in einem
eigenen Album gesammelt werden konnten.

Vögel aber waren von jeher meine besondere
Liebe, und jener einzige Einser, der mir jemals
in der Naturgeschichte zuteil wurde, kommt auf
das Konto der Ornithologie. So leerte ich all-
morgentlich meine zwei bis drei Tassen Haferkakao
, weniger um des Genusses als um des
Endzieles willen, möglichst rasch mit jeder neu
anzubrechenden Schachtel des braunen Getränkepulvers
in den Besitz der begehrten Vogelporträts
zu kommen. Außerdem strebte ich auf dem
Tauschwege den Erwerb jener Stücke an, die mir
trotzdem noch fehlten, und entfaltete in diesem
Punkte eine manches bedenkliche Kopfschütteln
meiner Kameraden weckende Großzügigkeit. War
ich doch bereit, für ein einziges Haferkakaobild
drei Liebig- oder gar fünf Stollwerkbilder zu
opfern, obwohl diese auf unserer Tauschbörse
weit höher notierten als die minder gefragten
Vogelbilder. Immerhin bekam ich dank solcher
Taktik mein Album voll, ehe die Firma von den
Vögeln zu den Fischen, Lurchen und Kriechtieren
hinüberwechselte.

Das lückenlose Vogelbilderalbum zählte zu
meinen kostbarsten Schätzen. Stundenlang konnte
ich darin blättern, meine Lieblinge bestaunen
und mich in den Begleittext vertiefen. Mit diesem
hatte es allerdings einen Haken, ein bloßes
Häkchen zuerst, das jedoch, je mehr ich mich
mit ihm beschäftigte, desto heftigere Zweifel
aufkratzte. Man hatte nämlich eine Einteilung
der gesamten Vogelwelt in „Nützlich" und
„Schädlich" vorgenommen, und weil diese
Klassifizierung nach Art eines Abschlußzeugnisses
am Ende des Textes stand, bedünkte sie
mich einen klärlichen Anspruch auf Allgemeingültigkeit
, auf Unumstößlichkeit zu erheben. Was
als „nützlich" bezeichnet wurde, konnte doch nur
den Stempel des Guten und Erfreulichen, was
das Signum „schädlich" erhielt, des Ablehnens-
werten und Häßlichen tragen. Das gehörte nun
einmal zum ABC der Schulweisheit.

Gewissenskonflikte waren auf die Dauer unausbleiblich
. Mein besonderes Wohlgefallen galt
dem Bild des Staren, jenes munteren Frühlings-
künders, der unter fröhlichem Flügel- und
Schwanzwippen die letzten Nachzügler des Winters
fortschwatzt. Wie erstaunt war ich aber,
durch die Fußnote zu erfahren, daß mein Liebling
„nur bedingt nützlich, jedoch, wenn er in

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