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Wie ruht das Auge aus, das dich erschaut,
Markgrafler Kirchturm mit dem Satteldache!
Du bist verläßlich wie ein Hirt gebaut,
daß er das Dorl mit Baum und Flur bewache.
Du stürmst den Himmel nicht und siehst recht
was unter dir von Dach zu Dach geschieht, [gerne,
und doch bist du ein Mahner aus der Ferne
und zeigst den Heimweg über Busch und Ried.
Du bist ein Freund von ausgewognen Dingen
und lehrst selbst beten und die Hände falten;
du bleibst bescheiden, wenn die Glocken klingen
und lässest ganz, was über dir ist, walten,
daß es mög heilend in die Herzen ziehen.
Du bist ein Bürge auch für die, so zagen —
Und ist ein Menschenwerklein fromm gediehen,
hast du vom Grund den Glauben mitgetragen.
Knche von Betberg
Zeichnung: Karl Wolfsberger
Hedwig Salm
Konstantin Schäfer.
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Märchen pflegen mit den Worten zu beginnen
: Es war einmal. . . Nicht so die Geschichte
von Max und Moritz.
Während der Mensch in Bescheidenheit die
zarten Gestalten der Märchen und selbst die
polternden Riesen und schillernden Zauberer
aus dem Bereich der rauhen Wirklichkeit in
eine ferne Traumwelt entrückt, in der er sich
noch schuldlos wandeln sieht, bekennt er sich
in den Gestalten von Max und Moritz zu einer
Abgründigkeit seiner Seele, die sehr real und
stets gegenwärtig ist. Was er empört am Spiel
der Katze mit der Maus rügt, hat er in sich
selbst in allen Nuancen zur Virtuosität entwickelt
. Es endet für Max und Moritz in der
zermalmenden Mühle. Humor ist, wenn man
trotzdem lacht. Es frägt sich nur, wer lacht. Es
ist selten ein dreistimmiges Gelächter von Täter,
Opfer und Beschauer; meistens bleibt es zweistimmig
; nach dem Drehen der Schrotmühle nur
noch einstimmig in der Schadenfreude des Beschauers
. Schadenfreude und Spott sind aber
Glieder in der Kette schuldhafter Verstrickung.
Die Geschichte beginnt mit einem Büblein,
„seines Alters ohngefähr zwölf Jahre". Es hieß
zwar nicht Max oder Moritz, sondern trug den
doppelt heiligen Namen Franz Joseph. Es hatte
sich im Grasgarten hinter dem elterlichen Hause
auf dem „Bugg" mit einem kleinen Vogelflintlein
in der Hand auf die Lauer gelegt. Als es
später, am 20. November 1751, vor seinem Richter
, dem Freiherrn Reich von Reichenstein,
Landvogt zu Schliengen, im Verhör stand, gab
es an, es habe „nach einigen Spatzen geschossen,
willens, solche den Markgräfleren, weillen deren
ein jeglicher alljährlich ihrer gnädigsten Herrschaft
eine gewisse Anzahl sothaner Vögel liefern
müßte, zu verkaufen". Dieser Schauplatz
merkantilen Bestrebens in der Ausnutzung
grenznachbarlicher Gegebenheiten zwischen der
Markgrafschaft und dem bischöflichen Gebiet
zog sich schicksalhaft dem Garten des Pfarrherrn
entlang.
Die Aussage des geistlichen Herrn beschuldigte
das Büblein, nach seinen Tauben geschossen
zu haben. Es wird wohl nicht so von ungefähr
gewesen sein. Mit schmerzlichem Groll
hatte Pfarrvikar Franz Joseph Kern den Bestand
seiner Tauben abnehmen sehen. Wenn
auch dieser Schuß fehlgegangen war, so glaubte
er doch, hier den Ursächer seiner Pein gefunden
zu haben. Es war ihm durchaus nicht um dreistimmiges
Gelächter zumute, er schritt zur Tat
und lenkte damit den Schuß doch noch ins
Schwarze.
Das Protokoll schildert die dramatische Szene,
die zu einer unaufhörlichen Quelle von Verdruß
und Hader wurde und schließlich zu einer Verbitterung
führte, die selbst das einstimmige Gelächter
schweigen heißt: „ ... da seie auf ergangenen
Schuß der allhießige Herr Pfarrer
Kern daher gelaufen, welcher Ihn, Franz Joseph
Sattler, mit Worten rauh anfahrend, bezichtiget
hatte, daß dieser ihme Dauben geschossen, der
Bueb habe sich dessen möglichst entschuldiget,
sagend, er habe keine Dauben, sondern nach
einem Vögelein, so er wirklich suche, geschossen.
Dessen aber ohngeachtet habe Herr Pfarrer des
Bueben Flintlein, so an einem Baum gestanden,
genommen, und umb solchen Baumb herumb
geschlagen, daß es zerschmettert und in Stücker
zersprungen."
Das anhebende Zetergeschrei hatte nicht nur
die Mutter alarmiert, sondern auch den eigent-
Uchen Besitzer des Vogelflintleins, den zwanzigjährigen
Franz Joseph Holzer. Er nahm sein
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