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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1959-09/0006
gen Tag dachte. Er begehrte zu wissen, warum
er immer in den Pfarrhof zitiert werde, da er
doch nichts Übles getan habe. Der Pfarrer erwiderte
, es geschehe, um seinen Gehorsam zu
prüfen, den er ihm schuldig sei. Dies reizte den
Burschen zu einer Entgegnung. Das Protokoll
vermerkt: „Solchem nach habe Herr Pfarrer ihn
an den Haaren ergriffen, hin und her geschittlet
und etwelche Ohrwatscheln versetzt, auch seine
Hund an ihn gehetzet, welche an ihm aufgesprungen
und hart gezwickt hätten". An diesem
Tag mußte die Messe in der Loretto - Kapelle
ausfallen, denn der Bursche stellte die Kanne
mit dem Meßwein auf den Stein vor dem Pfarrhaus
und entwich nach Hause.

Nach diesem dritten Streich war für einige
Tage scheinbarer Friede eingezogen. Es sammelten
aber nur beide Teile ihre Kräfte. Dann
erschien der Sigrist bei Martin und befahl ihm
unter Vermeidung einer Kirchenstrafe, sich
unverzüglich im Pfarrhaus einzufinden. Er
machte sich auch alsbald mit seiner Mutter auf
den Weg. Als sie in die Pfarrstube eintraten,
waren hier wie ein hochnotpeinliches Gericht
Pfarrer, Kaplan und Schulmeister versammelt.
Während der Kaplan schweigend der Sitzung
assistierte, „er habe kein Wort zu der Sach geredet
und sich des Handels im mindesten nicht
angenommen", erklärte der Pfarrer, er wolle
nun Martin Müller durch den Schulmeister in
Gegenwart der Mutter mit Ruten hauen lassen.
Die Mutter fuhr schreiend auf und widersetzte
sich dem. „Es seye ja sehr schändlich, einen so
großen allerdings 19jährigen Bueben mit Ruten
zu hauen". Darauf faßte der Pfarrer die Mutter
am Arm und wollte sie zur Stube hinausstoßen.
„Als der Bub solches vermerkte, ergriff er die
Tür und wollte sich aus dem Staub machen. Da
ließ der Pfarrer die Mutter los und stürzte sich
mit dem Kaplan auf den Burschen. Sie hielten
ihn „so stark sie konnten unter der Tür fest.
Der Bub wäre aber mit Reißen doch Meister
worden und seye ihnen mit Gewalt entrissen
und entlaufen". Die Mutter aber gab an, daß bei
dem Handgemenge, „der Herr Pfarrer ihro das
in Händen gehabte Bettmuster zerrissen und sie
das halbe davon verloren, auch wäre ihr das
Bettbuch auf den Boden gefallen, auf welchem
sie miteinander herumgetretten wären". Sie bat,
man möchte ihnen Satisfaktion verschaffen,
auch schützen, womit sie künftig vor dergleichen
unanständigen geistlichen Ausgelassenheiten
sicher wären".

Es kam die Weihnachtszeit mit ihrem Frieden
, ihrer Milde und ihrem Glück. Wir vergessen
den Zusatz dieser Friedensbotschaft: . . . die.
guten Willens sind. Unsere Streitenden waren
es nicht. Ein altes Weib war im Sterben gelegen.
Der Pfarrer hatte versucht, ihr den Eingang ins
Himmelreich zu erleichtern, indem er ihr ein
frommes Vermächtnis empfahl. Die leiblichen
Erben sahen darin eine Schmälerung ihrer irdischen
Hoffnung. Besondes einer, ebenfalls ein
Franz Joseph, der das Amt eines Geschworenen
bekleidete, stemmte sich so kräftig dazwischen,
daß das Legat zu Falle kam. Will es uns wundernehmen
, wenn der Pfarrer ihn einen Geizhals
nennt? Jedes Ding hat eben seine zwei Seilen
. Daß er dem Geschworenen drohte, den
Prozeß zu machen, mag noch dahin gehen, denn
man braucht ja nicht jedes Versprechen dieser
Art einzuhalten; wo käme unser Gerichtswesen
dann hin? Daß er erklärte, was er, der Herr
Pfarrer mache, sei wohl gemacht, fiel in den
Folgen nicht schwer ins Gewicht. Wohl aber,
daß er erklärte, was der Landvogt mache, sei
nicht wohl getan, sondern schandbar, nämlich
den liederlichen Leuten noch zu helfen. Das
Protokoll läßt darum auch erkennen, mit welchen
Gefühlen der Landvogt den Satz niederschrieb
: „Die Geistlichen macheten, wie es ihnen
gefalle, sie Schlageten anfangen darein als wie
die Weydtbueben".

So folgte am 3. Januar 1752 ein weiteres
Protokoll. Es wurden in diesem Streit noch viele
Aktenbogen in Original und in Kopie beschrieben
, daß selbst einen so eifrigen Federführer in
eigener Sache wie Pfarrvikar Kern ein Mitleid
mit dem Secretarius anwandelte.

Dieses eine Protokoll muß noch Erwähnung
finden, weil sich in ihm mit dem Pfeifen
eines Stockhiebs ein silberhelles Mädchenlachen
mischt, das Lachen der Welt, des bedenkenlosen
Daseins. Pfarrer Kern und sein Kaplan, alias
Notarius, lustwandelten in der sinkenden Dämmerung
mit der Jungfer Metzgerin, des Chirurgen
Tochter. Ihnen begegnete der unglückselige
Martin Müller. Wegen „Dunkle der Zeit" erkannte
er die Gesellschaft zu spät. Als er nach
seinem Hut langte, war er schon fast auf sie
zugelaufen. Schon pfiff der Stock des Pfarrers,
und der Streich saß über dem „Mutten" Hals
so heftig, daß es „ihm sehr schmerzlich weh
getan" und er mit einem Schmerzensschrei
einen Luftsprung tat. Da mischte sich mit diesem
Schrei das silberhelle Lachen der Jungfer.
Im Protokoll steht geschrieben: „ . . . und seine
Begleitschaft lachete von Herzen über diesen
Schick — und gingen miteinander nacher dem
Pfarrhof, er Martin Müller hingegen nacher
Hause".

Nun wuchs die Sache über den örtlichen
Kreis hinaus. Schliengen gehörte politisch zum
Hoheitsgebiet des Bischofs von Basel. Das Patro-
natsrecht besaß hingegen der Malteserorden,
vertreten durch den Großprior in Tocien und
Statthalter in Heitersheim, den Freiherrn von
Gymnick. Ihm schickte der Landvogt von
Schliengen Protokolle und Begleitschreiben zu,
in dem er sich heftig über den Pfarrer beklagte,
der „ein schwürriger und hochmütiger Kopf
sei; je gütiger und höflicher er mit ihm geredet,
desto furioser und hitziger habe dieser ihm geantwortet
."

Es beginnt ein Notenwechsel zwischen Großprior
, Landvogt und Pfarrer, der seinesgleichen
sucht. Es wird, wenigstens von Seiten des Pfarrers
, die gesamte Gelehrsamkeit aufgeboten;
weltliches und kanonisches Recht, Kirchenväter
und Heilige Schrift belegen seine Unschuld und
beweisen die schmähliche Methode des Landvogtes
, nur diejenigen Aussagen einzuholen, die

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