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Kanzlei verstoß" zugekommen sein, da ihre Stadt
überhaupt keine Pässe ausstelle.
Staufens Gewissen ist nicht ganz so rein. Der
Magistrat fordert Mahlberg auf, wenn es wirklich
einen in Staufen ausgestellten Paß zu Gesicht
bekommen habe, diesen zur Einsicht zu
übersenden, damit sie den Schuldigen ermitteln
könnten. Sie hätten unbekannten Leuten oder
gar Vagabunden niemals ein Attestatum erteilt,
„wohl aber denen mittelst der Bettler-Fuhren in
das hiesige Armenspital gebrachten krank und
presthaften armen Leuten, wann selbe mit Paß
oder Attest nicht versehen gewesen, einen Laufzettel
bis zur nächsten Station gemacht, anderen
aber ihre producierte — vorhin von anderen
Orten unterschriebene Pässe nur in so weit und
zu dem Ende unterschrieben, an welchem Tag
und wohin selbe abgeführt — somit denen nächst
gelegenen Ortschaften zu weiteren Spedition
nach ihrem Heimort angewiesen habe."
Säckingen war über die Unterstellung sehr
erbost und antwortete wie ein trotziges Kind:
„Wann wir aber standhaft versichern können,
daß wir uns gar wohl bewußt bei hiesiger Stadtkanzlei
in Ausstellung der Passeports ganz vorsichtig
gehandelt und niemand anderem als
nötigenfalls dahiesigen Insassen Pässe abgegeben
werden. Als sollen nicht entstehen, zu unserer
Legitimation die wahrhaftere Gegenanzeige zu
tun."
Von Konstanz und Endingen liegen keine
Meldungen vor. Die Klärung brachte der Obervogt
von Waldkirch, A. v. Zwerger: der Schuldige
ist der Kanzleiverwalter der Stadt Waldkirch,
Dr. Härder.
Wilhelm Jensen meint in seinem Prachtband
„Der Schwarzwald", die Schönheit Waldkirchs
beruhe hauptsächlich auf seiner Lage im frischen
großartigen Gebirgstal unter dem Kandel. Wer
kann es dem Kanzleiverwalter übel nehmen,
wenn er dieser Schönheit auf ausgedehnten
Spaziergängen huldigte? Es mußte sich ja hier
eine Idylle eigener Art entwickeln!
Der Obervogt hatte eine Reise nach Rottenburg
unternommen und dabei eine peinliche
Überraschung erlebt: „Kurz vordem ich Rottenburg
verlassen, wurden in Glatt unweit Horb
zwei Erzdiebe hingerichtet, welche mit Stadt
waldkirchlichen Pässen versehen waren." Der
Vogt brannte danach, bei seiner Rückkehr den
Magistrat von dem Vorfall zu unterrichten. Er
prüfte die näheren Umstände und „nahm in der
Folge gewahr, daß allen und jeden Vaganten
frische Pässe gegeben werden."
Unter den nach bürgerlicher Sicherheit strebenden
Landstreichern war es bekannt geworden
, daß man in Waldkirch gegen Bezahlung
Pässe erhalten könne. So setzte die Vagabunden-
Wallfahrt nach Waldkirch ein.
Als wieder einmal ein solcher zu Waldkirch
erschien, von der Großzügigkeit des Pässe spendenden
Kanzleiverwalters angezogen wie die
Motte vom Licht, ließ ihn der Obervogt einfangen
und sich vorführen. In der Tasche trug
Der Wald
Er isch so eige näume,
so fremd un gheimnisschwer,
as wenn er us de Träume
vom andre End her wer.
Us sellem Traum, dä d'Erde
in jedem Summer träumt,
wenn d'Schatte länger werde
un 's Feld sich golde säumt.
Me sieht kei Vogel fliege,
me hört kei Laub im Wind,
un doch will alles sich biege,
isch näume Iis un lind
e Schwinge un e Schwebe,
e geisterhafte Tanz,
isch d'Stilli voller Lebe,
un 's Dunkel voller Glanz.
Un zmol isch do e Riefe,
e Riefe ohni Wort,
e Gsang, e dunkle, diefe,
wie ame g'weihte Ort.
Un alli Gipfel rusche
e neui Melodie,
un alli Wasser brusche:
„Die ganzi Welt isch si."
Lina Kromer
er einen Paß der Stadt Waldkirch sub dato
24. April 1776. Die Aussagen des 64jährigen
Walzbruders lauteten:
„Von Triberg und St. Peter bin ich hierher
gekommen und sohin hab ich hier den Paß, so
ich hab bekommen. Diesen Paß hab ich in dem
Haus unter der Färbi bekommen /:dies Haus ist
die Kanzlei :/ und zwar zum Fenster hinaus. Es
hat mir solchen ein Weibsbild gegeben. Wo ich
hingekommen bin, hat es geheißen, es seie ein
Weiberschrift. Wie ich diesen Paß verlanget
habe, hat das Weibsbild gesagt: der Herr seie
nicht zu Haus; hierüber verlangte sie meinen
alten Paß, gab mir diesen nebst dem neuen zurück
, und ich mußte 12 Kreuzer für den neuen
bezahlen." Somit war die Paßschmiede einwandfrei
festgestellt.
v. Zwerger berichtete der Regierung weiterhin
: „Ich ließ hierüber alsbald den Kanzleiverwalter
zu mir kommen, gab ihm den Paß einzusehen
, und er mußte nolens volens erkennen,
daß das Städtische Signet authentisch, hingegen
der Paß von seiner Köchin eingeschrieben worden
seie. Er entschuldigte sich mit dem: habe
die bereits sigillierte Pässe in seinem Zimmer
liegen. Es verwundere ihn, wie die Köchin so frei
gewesen, diesen Paß zu schreiben. Aber kurz
darauf ist ein gleicher Weiberpaß dem Bürgermeister
zu Händen gekommen. Mithin zeiget
sich ganz deutlich, daß die Köchin, wenn der
Herr spazieren gehet, den Gewalt hat, Pässe
einzuschreiben, womit die Losung allweil gut
vor sich gehe."
Die angebliche Anordnung, bei seiner Abwesenheit
den Kanzlei-Substituten Steiger herbeizuholen
, mit der Härder sich herauszureden versuchte
, schien auf jeden Fall der Köchin störend
und überflüssig zu sein. Sie besaß einen gesunden
Geschäftssinn und erhob für ihre aufrei-
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