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Die Nachricht von der Verhaftung des Kuriers
war ziemlich rasch nach Württemberg gedrungen.
Schon am 10. Dezember schrieb der württembergische
Direktionalgesandte Baron v. Üxküll
aus Ulm an den Freiherrn v. Summerau: er habe
von mehreren Seiten erfahren, daß „ein von der
gegenwärtigen schwäbischen Kreisversammlung
nach Paris an die dort befindliche Kreisgesandtschaft
abgeschickter Kurier in Stockach arretiert
worden sei", ohne daß an dortiger Stelle von der
eigentlichen Ursache und Veranlassung dazu
etwas bekannt geworden wäre. Der junge Mann
sei mit einem unverdächtigen Paß und einer
offenen Reiseroute versehen, v. Üxküll teilte der
v. ö. Regierung mit, daß er sich an Erzherzog
Karl mit der Bitte gewandt habe, den Kurier
„gleichbalden loszulassen". Dieser habe Depeschen
bei sich, die dem Gesandten in Paris jede
weiteren Unterhandlungen mit der französischen
Regierung untersagen. Die Ablieferung dieser
Depeschen dürfe aus diesem Grunde nicht verzögert
werden. Er wolle sich darum gleichzeitig
an den Herrn Landespräsidenten wenden mit der
gleichen Bitte.
Die Sache war aber zwischen den feindlichen
Parteien bereits so weit gediehen, daß Vernunftsgründe
nichts mehr auszurichten vermochten, wo
die Unvernunft der Kompetenzstreitigkeiten das
Feld beherrschten, v. Kraft raffte den bescheidenen
Rest seines noch vorhandenen Glaubens an
Recht und Ordnung zusammen und schrieb noch
einmal an den Regierungspräsidenten:
„Nachdeme weder der Herr Rittmeister noch
sein untergebener Unter-Lieutenant dahier ein
Platz Commando aufheben, ja nicht einmal auf
Stockach, wo sie der ausgesaugten, von Krieg
und Viehseuch erarmten Burgerschaft mit ihren
70 bis 80 berittenen Cürassiers zur ohnerträg-
lichen Last sind, anstatt daß man wenigstens den
Lieutenant mit der halben Escadron in ein benachbartes
reichsstädtisches Städtchen einlegen
sollte, so ist sich nicht zu denken, unter welchem
Vorwand der gedachte Unter-Lieutenant Streithoff
, der nur als Denuntiant gegen den Fromann
aufgetretten, worauf die Anhaltung von mir erkennet
... so eingreifend gegen das Politikum
sich hätte benehmen können, wenn er nicht Anleitung
hiezu in seinem Quartier erhielte, wo alle
Abend Gesellschaft unter dem Vorsitz eines gewissen
hiesigen Beamten gehalten wird . . "
v. Kraft verlangte die Versetzung des Leutnants
und der beiden anderen Offiziere, da er
ohne diese Genugtuung in Stockach nicht mehr
weiter amten könne. Er rät, in Stockach einen
kommandierenden Offizier einzustellen, „welcher
denen Excessen derer verschiedenen sich immer
dahier und auf dem Lande öfters ohne Marschroute
einquartierenden Militärparteien Einhalt
tun und besonders die in das nellenburgisch
wirklich einrückende mehrere 100 Köpfe von
verschiedenen Cavalierie-Depots im Zaume zu
halten im Stande und dazu schärfest beordert
wäre." v. Kraft hatte bei den Depeschen Fro-
manns „ein besonderes Briefgen" von dem
meersburgischen Gesandten Baron v. Lassalay an
Herrn v. Gyßendorfer im Johanniterhof zu Basel
gefunden und versehentlich geöffnet, aus dessen
Inhalt sich die Unschuld des Kuriers ergebe.
Der aufgewühlte Landrichter erfuhr die
schlimmste Enttäuschung seines Lebens. Anstelle
einer Unterstützung durch den Präsidenten, für
dessen Ehre und Reputation er so wacker gestritten
, erhielt er eine Rüge: „Aus Eurer Wohlgeboren
zwei Berichtschreiben habe ich mit vielem
Mißvergnügen ersehen, daß der Kurier Fromann
aus seinem Arreste noch nicht entlassen worden
sei." Als v. Kraft die Ofiziere aufforderte, dem
Gefangenen die Freiheit zu geben, wurde er
hohnlachend abgewiesen; man wollte den Erlaß
sehen, den er jedoch nicht vorzeigen durfte. Verzweifelt
schrieb er an v. Summerau: „Da ich
dem Herrn Rittmeister v. Heistermann keinen
anderen Befehl als jenen von Eurer Excellenz
anführen, den Auftrag selbst aber nicht zu lesen
geben darf, so werden Euer Excellenz von selbst
gnädig einzusehen geruhen, daß ich mich denen
Grobheiten dieser Herren Officiers nicht noch-
Eine Bitte an unsere Abonnenten und Leser-.
Berücksichtigt bei Weihnachtseinkäufen
unsere Inserenten
malen aussetzen und die fromannische Loslassung
bei denenselben ohne Erfolg versuchen
könne.
Die erniedrigende Behandlung und das Gelächter
, welches Herr Rentmeister Riedtmüller
darüber in der „Crone" verführet hat, „machte
auf meine Gesundheit einen so widrigen Eindruck
, daß ich besorge, solches noch teuer
büßen zu müssen."
Er wurde trotzdem gezwungen, bei dem Rittmeister
vorstellig zu werden, der als Offizier in
höchsten Diensten stehe und ihm gegebenenfalls
die Entschließung des Erzherzogs zu zeigen „im
engsten Dienstvertrauen und mit Anempfehlung
des geheimsten Stillschweigens." v. Summerau
fand es bei den gegenwärtigen Umständen nicht
für rätlich, sich über dergleichen „unartige Gehässigkeiten
mit dem Militär ins Einvernehmen
zu setzen."
Als der Rittmeister sich mit der Einsicht in
das Schreiben nicht zufrieden gab, sondern nunmehr
eine Abschrift desselben verlangte, erlebte
der Landrichter noch eine späte Genugtuung. Er
erhob sich nochmals zur ganzen Würde und erklärte
, „daß wenn er gegen die Freilassung des
Fromann noch ferneren Umstand machen würde,
so seie Euer Excellenz bemüßigt, bei Sr. Königl.
Hoheit eine Beschwerde zu führen, was ihm viel
ohnangenehmes zuziehen werde."
Damit war die Bahn frei, doch meinte der
Rittmeister, morgen wäre auch noch ein Tag. Es
gelang v. Kraft, ihn noch am gleichen Abend
frei zu bekommen. Um 8V2 Uhr abends erschien
er noch bei dem Obersperrkommissar, um seine
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