Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1959-12/0007
Teilaufnahme des Tympanons vom Hauptportal des Freiburger Münsters mit dem „betenden Teufel"

Theodor Seidenfaden:

jöfc leiste OTinterfonnentDenfce bee Scan^iöFanecö

Personen: Bertold Schwarz, der Franziskaner, 74jährig.

Der betende Teufel aus dem Relief im Giebelfelde
der Münstervorhalle, unvorstellbar alt
und jung zugleich.

Ort: Freiburg (Breisgau): Glockenstuhl des Münsterturmes
.

Zeit: 1313, die Nacht der Wintersonnenwende: die
Thomasnacht.

Bertold Schwarz steht am südlichen Schalloch des
Turmes und blickt hinaus. Die übergestülpte Kapuze
seiner dunkelbraunen Mönchstracht schützt ihn gegen
den scharfen Wind, läßt jedoch das silberne Kopfhaar
erkennen. Der schneeweiße Vollbart weht zeitweise
auf. Mit verschränkten Armen lehnt der Teufel
nicht weit fort an der kahlen Wand. Zwischen beiden
flackert am Boden Bertold Schwarzens Laterne und
wirft gespenstisches Licht durch das Gebälk des
Stuhles. Draußen geistert der Schein lodernder
Gipfelfeuer.

Bertold Schwarz: Die längste Nacht des Jahres!
Die Sinnbild - Nacht! Wintersonnenwende! Meine
letzte! Ich fühle es... Die nächste sehe ich nicht
mehr. Dann ruht mein Sterbliches im ewigen Leben
der Erde, ging mein Geist ein in das Unendliche, das
Unbegreifbare, in Gott. Auf den Gipfeln der Berge
ringsum brennen Feuer. Junges Volk wirft glühende
Holzscheiben und Räder ins Dunkel und läßt sie
talwärts rollen. Wer durch das Feuer springt, bleibt
gefeit gegen Krankheit und Tod. Ich war jung, als
ich es zuletzt tat, noch nicht zergrübelt vom Schweren
des Jahrhunderts der kaiserlosen Zeit. Sinnbilder
sind mehr als Zierat. Sie sind Abbilder eines innersten
Erlebens, zu Formen geprägt, die den geheimnisvoll
ansprechen, der Blut vom Blute und Geist
vom Geiste jener hat, die zur Urzeit aus ihrem Welterleben
jene Sinnbilder schufen. Darum sprechen sie
durch die Jahrhunderte. Darum wecken sie in uns
das Urerlebnis, das einmalig, das ewig ist, weil es
unmittelbar von dem Punkt der Seele ausgeht,
in dem das Menschliche sich mit dem Göttlichen
berührt.

Der Teufel: Die da springen, denken nicht: sie glauben
, weil sie spüren, das Verhältnis des Tages zur
Nacht ändere sich des Lichtes wegen. Du weißt, daß
ich für die bete, denen das Grübeln die Freude des
Lebens raubt — ich der Freiburger Teufel! Nur
deine Stadt, Bertold Schwarz, in der Nord und Süd
sich harmonisch vermählen, konnte mich dergestalt
entdecken, nur ihr Bildhauer, dein heimgegangener
Ordensbruder, mich als einen Teufel besonderer Art
in das Vorhallenrelief des Münsters meißeln! Ich
werde es ihm ewig danken: dem Präger pechschwarzen
glühenden Blickes, dem unheimlichen Versöhner
der All-Gewalten!

Bertold Schwarz (reißt den Blick von den Feuern
der nächtlichen Fernen und wendet ihn dem Teufel
zu): Ich merkte, daß du deinen Platz verließest und
hinter mir her die Turmtreppe stiegst, meiner Laterne
nach. Wie wollte ich dich hindern? Du weißt,
in welchem Maße wir Unsterbliche leben, daß ich

5


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1959-12/0007