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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1960-01/0004
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„Strom, der du Wein und Weizen und Früchte reifst
wie keiner deiner Brüder im heil'gen Land
der Herkunft, der den Schnee erfährt, die

Wunder der Gletscher, den See und Eb'nen —

versunk'ne Schiffe, sinkende Leiber, dem
die Sel'gen sich, auch UnsePge schenken und
die Götter kommen, Götter schwinden:

ewiges Strömen bist du und bleibst es!

Guirlanden dunkler Wälder, Gebirge, die
dich drängen, Dörfer, Städte, die um dich sind,
die Eisenschienen, die versuchen,

dich in die Starre, die Fron zu engen:

du bist, und ob die flutende Fülle, wenn
die Kranen, ungeheu're Gerüste, sich

die Docks und Kohlenhalden schieben,

rauchschwarze Wolken dämonisch quälen:

Johannes Helm:

1945. Europa liegt in Trümmern. Nicht nur
Deutschland ist vom un- und übermenschlichen
Ringen des zweiten Weltkrieges in den Abgrund
geschleudert worden; nein — auch die „Siegermächte
" stehen unter dem Zeichen der Zerstörung
, befinden sich in einem geistigen wie materiellen
Chaos, das alles bisher Dagewesene übersteigt
. Sieger und Besiegte haben in dieser trostlosen
Zeit, in der der Sieger' sich des Sieges nicht
freuen konnte, eines gemeinsam: das tief im
Inneren jedes bewußt lebenden Menschen erwachte
Erschrecken vor der Gewalt des Diabolischen
, das in dieser grenzenlosen Entfesselung
noch nie erlebt wurde und dessen Umfang wohl
nur schwer in seiner Mächtigkeit voll und ganz
erkannt werden konnte.

Niemand sah damals zunächst einen Weg, der
aus der Verworrenheit zur Klarheit hätte führen
können. Zu tief war der Sturz, zu verzagt der
Mut, den Aufbau aufs neue zu wagen. Und doch
waren nicht alle hoffnungslos. Neben die materielle
Hilfe, die wohl zunächst am dringendsten
war, trat sehr bald — überraschend bald für
uns — die ideelle Aufmunterung, nicht zu resignieren
, sondern nach Möglichkeiten Ausschau zu
halten, einen Ausweg aus dem Durcheinander
zu finden, einefi Ausweg aber, der nicht nur
eine Notlösung darstellen, sondern auch zugleich
Gewißheit geben soll, eine Wiederholung der
grauenhaften Vorgänge nach menschlichem Ermessen
auszuschalten. Das Leben muß ja schließlich
in irgend einer Form weitergehen. Wo aber,
äußert sich das Zusammenleben der Menschen
mit all seinen Notwendigkeiten und Nöten am
deutlichsten? Außerhalb der Familie wohl doch
in den Gemeinden, den Städten wie den Dörfern.
Hier muß der Hebel angesetzt werden, denn hier
„brennt die Not am ärgsten auf den Nägeln".

du strömst und suchst Unendliches: Meer im All,
du, Herr der Türme und deiner Gipfel Glück!"
So singt die neue Brücke: Stahl als .
traumhafter Jubel die Ufer bindend!

Ihr, Völker ohne Reue: will er den Haß?
Will das, was Sinn als Zweck in die Schönheit hob,
daß niemand mehr die Riesenfäuste

ahnt, die den Pfeiler ins Tiefe rammten —

will jenes Grübeln über den Maßen, das
der Meister Risse, Pläne dem Werker wob,
will Einsamkeit des Rechnens mit dem

Strengen der Statik, gefügtes Schweben:

will dies denn wieder Grauen? Will's Rache? — Nein!
Der Bogen, der sich wölbt als ein Spiel, will Bund!
Das Trennende muß sich zum Ganzen

finden! — Du, Brücke, gestaltest Höchstes!

Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln
und Kleidung, Beschaffung von Wohnraum, Beseitigung
von Schwierigkeiten im Sektor Verkehr
— nur um einiges herauszugreifen — sind
Probleme, die vorerst näher liegen als große
politische Konzeptionen. Hier müssen zu allererst
die Bürgermeister ihren Mann stehen. Sie
haben es wahrlich nicht leicht, aus dem Wirrwarr
von Verordnungen heraus Lösungen zu finden
, die kein anderer finden kann als sie, die ja
mit ihren Bürgern in engster Berührung leben,
ihre Wünsche und Sorgen kennen, sie oft sogar
am eigenen Leib zu spüren bekommen.

So beginnt der Wiederaufbau ganz unten, in
den kleinsten Zellen, in den Gemeinden. Einer
sucht Rat und Unterstützung beim andern. Der
Fragenkomplex ist ja überall der selbe oder
weist doch wenigstens große Ähnlichkeiten auf.
Als sich die Tore zum nachbarlichen Ausland
einen Spalt breit auftun, ist es ein Bürgermeister
, der drüben in der Schweiz mit Leuten zusammentrifft
, die von allem anderen beseelt sind
als von politischem Ehrgeiz. Es ist Oberbürgermeister
Dr. Kolb von Frankfurt am Main, den
ein Zufall mit den Schweizer Schriftstellern
Eugen Wyler und Dr. Hans Zbinden im Jahre
1947 zusammenführt. Was sie miteinander sprechen
, ist das Anliegen von Millionen Menschen
in jenen noch von Haß und Empörung, Mißtrauen
und Trauer erfüllten ersten Nachkriegsjahren
: Was können wir mit unseren bescheidenen
Kräften tun, um etwas zum Wiederaufbau
Europas beizutragen. Ja, Europa ist wieder
aufzubauen! Das steht als mahnende Verpflichtung
über jenen Jahren. Der Europa - Gedanke
ist zwar nicht neu. Immer wieder ist diese Forderung
bereits zwischen dem ersten und dem
zweiten Weltkrieg erhoben worden: Die euro-

Doch eines sagt dein Segnen dem Sucherblick:
„Ich wurzle — rechts und links in des Urgrunds Macht!
Du, Mutter Erde, bist mir Heimat!

Sie läßt mich schwingen als Sieg der Stunde!"

Äec Wzq nadj (Juropa

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