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zu einem aufbauenden Leben
, zu einer eigenen Tat.
Darum sehe ich im Streben
der französischen und
deutschen Bürgermeister
nach praktischer Annäherung
und Zusammenarbeit
von Stadt zu Stadt,
von Gemeinde zu Gemeinde
, von Mensch zu
Mensch, eine unentbehrliche
Grundlage zur Wiedergewinnung
des Glaubens
an den andern, zur
Schaffung eines Fundamentes
des Vertrauens,
ohne das es keine innere
Sicherheit gibt, keine Ruhe
, weder diesseits noch
jenseits der Grenze.
In den Gemeinden
wächst der junge Sohn
heran zum selbständig denkenden Bürger, erlernt
er neben dem zivilen Beruf auch den für
einen Demokraten nötigen zweiten Beruf, nämlich
den Beruf des Bürgers. Hier lernt er Hand
anlegen, nicht allein in der Werkstatt oder
Schreibstube, nicht allein für sich, sondern auch
für andere, für die Gemeinschaft. Hier im Alltag
des engen Gemeinschaftslebens wird aus dem
Jungen ein Mann, baut er sein Haus, wird er
zum Freund und Kameraden, erlebt er die Stundenschläge
seines Daseins, reift er zur eigenen,
selbstverantwortlichen Persönlichkeit, zum ganzen
Menschen heran. Der unübersehbaren Flut
der Masse, die uns von einer fernen Welt her zu
verschlingen droht, vermögen wir nur durch
Persönlichkeiten zu widerstehen. Also erhebt die
Demokratie die Gemeinden zur ersten Bürger-
Schule des Volkes, als Erzieherin der Menschen
zum Guten und Edlen, in freier Entfaltung des
einzelnen und in seiner Treue zum andern und
zur Gemeinschaft. Ohne diese Bürger-Schulen
kann keine wahre Demokratie bestehen.
Jede Gemeinde in Frankreich und jede Gemeinde
in Deutschland bildet einen Acker, und
der Maire und der Bürgermeister ist der erste
Pflüger und der Sämann. Aber das Dasein dieser
strebenden und schaffenden Menschen ist zu
kurz, als daß sie es Geschlecht um Geschlecht
unter Zank und Haß und Nachbarstreit unerfüllt
verbluten und verlieren dürfen. Einmal muß die
Stunde der Einsicht und des Verzeihens schlagen
. Hier mögen die Bürgermeister durch die
Vorarbeit in den Städten und Gemeinden das
Fundament des Vertrauens schaffen helfen, auf
dem dann die Staatsmänner und Regierungen
das Verständigungswerk aufbauen können".
In welch hohem Maße die Arbeit der IBU von
den Regierungen anerkannt wird, tritt rein
äußerlich etwa beim 10. Kongreß dieser Vereinigung
in Freudenstadt (12./13. Mai 1958) in
Erscheinung. Der deutsche Vizepräsident, Oberbürgermeister
Dr. Klett, Stuttgart, wird im Namen
des Präsidenten der französischen Republik
durch Staatssekretär Alain Poher zum Ritter der
Luftaufnahme von Vittel
Ehrenlegion geschlagen und ihm das mit Brillanten
besetzte Ordenskreuz verliehen. Staatssekretär
van Scherpenberg verleiht dagegen in
Vertretung des deutschen Außenministers von
Brentano im Auftrag des Bundespräsidenten das
Großkreuz des Verdienstkreuzes am Band an
Minister Alain Poher und das Verdienstkreuz am
Band an Bürgermeister Dardel, Puteaux/Seine.
Wie aber sieht nun all das in der Praxis aus?
Wir haben dafür im Raum unserer Heimat bisher
nur ein Beispiel; das aber führt uns die Entwicklungslinien
einer keimenden und wachsenden
Partnerschaft so deutlich vor Augen, daß alle
Stufen des bisher nur theoretisch beleuchteten
Ablaufs klar hervortreten. Über dem Ganzen
kann als Leitmotiv ein Wort stehen, das bei
einem der IBU-Kongresse gesprochen worden ist:
„Was man tut, soll man aus ganzem Herzen tun".
In welchem Umfange dieser Ausspruch hier befolgt
worden ist, werden die nachstehenden Zeilen
noch dartun.
Im Jahre 1952 wird Badenweiler Mitglied
der IBU. Der damalige Bürgermeister, Dr. E.
Eisenlohr, und sein Gemeinderat erachten diesen
Schritt als im Interesse des Kurortes liegend. Die
persönliche Mitgliedschaft Dr. E. Eisenlohrs erlischt
mit seiner Amtsniederlegung im Jahre
1955. An ihre Stelle tritt dann auf Anregung des
Bürgermeisters Dr. v. Siebold und unter Zustimmung
des Gemeinderats die korporative Mitgliedschaft
Badenweilers zur IBU. Sie wird im
Jahre 1956 beschlossen.
Sehr bald taucht der Gedanke auf, eine Partnerschaft
mit einer französischen Stadt einzugehen
, um zur Verwirklichung der Ziele der
IBU durch praktische Mitarbeit an ihrem Programm
beizutragen. Man macht sich Gedanken
über die Art des Partners. Wenn die Begegnung
zweier Gemeinden erfolgreich sein soll, so müssen
gewisse Voraussetzungen vorhanden sein.
Das gegenseitige Verständnis wird am ehesten
gefunden, wenn die Fragenkomplexe auf der
gleichen Ebene liegen. So konzentriert man sich
von vornherein auf einen Kurort, wobei man
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