http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1960-01/0008
Überreichung der Ehrengabe Badenweilers
dessen Größe und
Lage in ungefährer
Entsprechung
zu Badenweiler zu
wählen beabsichtigt
. Außerdem soll
er einerseits nicht
im elsässisehen Gebiet
liegen, um
gewisse Ressentiments
von Anfang
an auszuschalten,
anderseits soll seine
Entfernung von
Badenweiler nicht
zu groß sein, da
sonst die Beziehungen
durch allzu
lange Reisewege
geschmälert
werden können.
Unter den Kurorten
, die in die
engere Wahl genommen
wurden,
ist auch Vittel,
eine Stadt mit Thermalquellen, etwa 4000 Einwohnern
und rund 200 km von Badenweiler entfernt
, am Westrand der Vogesen gelegen.
Der Zufall will es, daß zum gleichen Zeitpunkt
, als Badenweiler mit seinen Partnerschaftsabsichten
an die deutsche Geschäftsstelle
der IBU herantritt, auch eben dieser Kurort
Vittel den gleichen Wunsch äußert. Der Bürgermeister
von Badenweiler wird von seinen Gemeinderäten
ermächtigt, den begrüßenswerten
Gedanken einer Partnerschaft weiter zu verfolgen
.
Und nun kommt es im Juni 1956 zur ersten
persönlichen Begegnung zwischen einem Vertreter
Badenweilers und zwei Abgeordneten von
Vittel. Anläßlich einer Ausschußsitzung der IBU
treffen sich in Macon Bürgermeister Dr. v. Siebold
, der stellvertretende Bürgermeister G. Bernard
und Stadtdirektor Houssemand. Der Kontakt
steht von Anfang an unter einem guten
Stern. Die Gemeindevertreter stellen zwar fest,
daß gewisse Unterschiede zwischen Vittel und
Badenweiler bestehen, daß sie aber kein Hindernis
für eine künftige Partnerschaft zu sein brauchen
. Dr. v. Siebold wird eingeladen, Vittel zu
besuchen, was Bürgermeister Guy de la Motte in
einem herzlich gehaltenen Schreiben nochmals
bestätigt.
Die nächsten Schritte stehen unter einem
etwas ungünstigeren Vorzeichen. Alteingefleischte
Vorurteile werden laut und führen in Badenweiler
zu skeptischer Betrachtung der bevorstehenden
direkten Kontaktaufnahme von Bürgermeister
zu Bürgermeister, von Gemeinderat
zu Gemeinderat. Es wird geäußert, man wolle
sich auf Kosten der Gemeinde in Vittel amüsieren
. Das aus gewisser Engstirnigkeit geborene
Wort vom „Spesen-Europäer" fällt zwar nicht
direkt, aber es steht als unausgesprochene
durch Bürgermeister Dr. v. Siebold (links) an Bürgermeister Guy de la Motte.
(Archiv Kurzeitun«)
Drohung über all diesen Gesprächen, die einen
direkten Angriff nicht wagen, weil das wohl
doch als unzeitgemäß empfunden wird.
Aber hier bewahrheitet sich zum ersten Male
das vorhin zitierte Wort, daß man eine Sache
mit ganzem Herzen tun müsse. Bürgermeister
Dr. v. Siebold beweist das. Er läßt sich nicht
beeinflussen von diesen unterminierenden Bestrebungen
, sondern geht den Weg weiter, der
durch Gemeinderatsbeschluß vorgezeichnet ist.
Vielleicht ist hier ein Hinweis am Platze, den
einmal eine Pressenotiz anläßlich einer Partnerschaft
zwischen zwei anderen Städten zum Ausdruck
gebracht hat:
„Das Kennenlernen und Verstehen des Nachbarvolkes
kann für unsere Zukunft von entscheidender
Bedeutung sein. Derartige Fahrten mit
all ihren Mühen und Kosten sind unvergleichlich
billiger als die Blutopfer, die von den Söhnen
beider Völker in den vergangenen Jahrhunderten
auf den Schlachtfeldern gebracht werden
mußten". Man sollte nicht meinen, daß Menschen
, die die Trauer und das Leid im Gefolge
zweier Weltkriege miterlebt haben, sich solchen
Einsichten verschließen können.
Im Juli 1956 fährt eine gemischte Abordnung
von Badenweiler zum ersten Besuch nach Vittel.
Die Stadt empfängt die Vertreter des deutschen
Kurortes mit unerwarteter Herzlichkeit. Es werden
keine großen Empfänge veranstaltet und
keine überwältigenden Reden gehalten. Die
ganze Begegnung wird von ausgesprochener
Liebenswürdigkeit der Gastgeber und großer
Bereitschaft zur Verständigung charakterisiert.
Als erstes positives Ergebnis folgen bereits wenige
Tage nach dem Besuch konkrete Vorschläge
für einen Schüleraustausch', der auch sehr bald
in Gang kommt. Damit sind die ersten Brücken
geschlagen, die ersten Freundschaften geschlossen
. Im September desselben Jahres fährt noch
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