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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1960-01/0010
Vittel arbeiten für die Europa-Idee ohne große
Reden und großes Aufsehen, und zwar im Rahmen
ihrer Möglichkeiten, der bescheidensten und
der schönsten: der menschlichen Beziehungen",
und zitiert damit Bürgermeister Guy de la Motte.

Die Begegnungen von Mensch zu Mensch, von
Gruppe zu Gruppe reißen nun nicht mehr ab.
Der Schüleraustausch wird weiterhin gepflegt
und ausgebaut. Darüber hinaus kommt die Jugend
Vitteis zu kurzen Sonntagsbesuchen nach
Badenweiler. Und auch die dortigen Pfadfinder
schlagen für etwa zwei Wochen ihre Zelte in der
Gegend von Badenweiler am Nonnenmattweiher
auf. Dazwischen fährt die Trachtenkapelle von
Badenweiler wieder einmal nach Vittel und
konzertiert in der Partnerstadt, wobei der Eindruck
, den die musikalischen Darbietungen bei
Gästen wie bei den Einheimischen des französischen
Kurortes, den die Presse als die „Königin
der Bäderstädte Ostfrankreichs" bezeichnet, sehr
stark ist. Später dann sind die französischen
Feuerwehrmänner in Badenweiler zu Gast, und
schließlich kommt es auch zu einer Begegnung
der Sportler. Der Fußballclub von Vittel und der
Sportverein Weilertal treffen sich zweimal und
tragen mit ihren Freundschaftsspielen nicht
wenig dazu bei, die Partnerschaft auf eine noch
breitere Basis zu stellen.

Am 19./20. September 1959 kommt eine
starke Delegation von Vittel zusammen mit der
Stadtmusik nach Badenweiler, um den Besuch
vom Juli 1957 offiziell zu erwidern. Eine ganze
Reihe festlicher Veranstaltungen gibt zusammen
mit herrlichem Spätsommerwetter der Begegnung
einen großartigen Rahmen. Als äußeres
Zeichen der engen und herzlichen Beziehungen
von Gemeinde zu Gemeinde, die sich in Freud
und Leid bewährt haben, überreicht Bürgermeister
Dr. v. Siebold seinem französischen Kollegen
Guy de la Motte eine Grubenschmelzplatte aus
vergoldetem Kupfer, auf der in symbolischer
Darstellung nach einem Entwurf von Hanns
Bastanier, Müllheim, die Partnerschaft künstlerisch
gestaltet worden ist. Der Bürgermeister
von Vittel bedankt sich namens seiner Stadt und
zeichnet den Bürgermeister von Badenweiler
durch die Ernennung zum Ehrenbürger von
Vittel aus. Es ist wohl erstmalig in der Geschichte
der Gemeindepartnerschaften im Rahmen
der IBU, daß eine solche Geste des herzlichen
Einvernehmens den neuen wahrhaft europäischen
Geist besiegelt.

Die Begegnung der französischen Gäste mit
ihren Partnern in Badenweiler findet in der
französischen wie in der deutschen Presse einen
lebhaften Widerhall. Und auch der Rundfunk
läßt es sich nicht nehmen, das Ereignis entsprechend
zu würdigen. Die französische Regionalzeitung
„L'Est Republicain" (Nancy) findet übrigens
in ihrer Berichterstattung eine glänzende
Interpretierung des Partnerschaftsgedankens: er
fördere „die Kunst, das Wörterbuch nicht zu gebrauchen
". Und auch aus dem Brief, der kurz
nach dem Besuch in Badenweiler aus Vittel eintrifft
, geht die Freude über das Gelingen dieses
Treffens hervor. „Sowohl die Wärme Ihres
Empfanges als auch Ihre großzügige und umfassende
Gastfreundschaft haben die Herzen
aller Teilnehmer gewonnen, gleichgültig, ob sie
Mitglieder des Stadtrates, ob sie Musiker oder
auch einfach nur Einwohner unserer Stadt
waren", heißt es in diesem Schreiben, aus dem zu
erkennen ist, wie stark die Freundschaftsbande
von Mensch zu Mensch schon geworden sind.

Doch schon zeichnen sich neue Phasen der
Beziehungen ab. Im nächsten Jahre wollen sich
die Lehrer beider Gemeinden treffen, um den
Schüleraustausch auszuweiten und eventuell zu
den bisherigen Familienbekanntschaften den
Austausch ganzer Klassen treten zu lassen. Aber
auch die anderen Berufsgruppen werden die angeknüpften
Beziehungen nicht abreißen lassen.
So wird das Herüber und Hinüber sich fortsetzen,
und jedes neue Zusammentreffen wird ein Steinchen
im großen Bauwerk sein, an dessen Zukunft
und an dessen Festigkeit alle mithelfen, die
guten Willens sind. „Was Ihr tut, sollt Ihr mit
ganzem Herzen tun!" Bürgermeister Dr. v. Siebold
und sein französischer Kollege Guy de la Motte,
daneben aber mancher andere diesseits und jenseits
der Grenze, die in ihrer trennenden Bedeutung
schon zu verblassen beginnt, mancher, dessen
Name hier nicht verzeichnet ist, sie alle
haben bewiesen, daß sie mit dem Herzen bei der
Sache sind. Der Erfolg wird nicht ausbleiben.

Es ist bei einem deutsch - französischen Treffen
einmal die Frage gestellt worden, warum
eigentlich das Werk der europäischen Zusammenarbeit
gerade zwischen Deutschland und Frankreich
begonnen worden sei, wo die Gegensätze
besonders schwierig und heftig seien. Heiße das
nicht, die Arbeit gerade am ungünstigsten Ort
beginnen? Darauf gab Professor Dr. Zbinden,
Bern, die Antwort: „Gerade da, wo in Europa
die Spannungen am stärksten sind, wo also die
Pole mit Kräften am geladensten sind, gerade
da, wo es die mächtigsten Funken gegeben hat
und immer wieder gibt, gerade da muß man
schmieden, denn d a ist die Hitze am größten,
aber da ist das, was dann zusammengeschweißt
wird, am haltbarsten zusammengeschmiedet".

Ein Bild aus der Technik! Aber wie könnte
es in unserer Zeit besser und allgemeinverständlicher
gewählt werden? Die Notwendigkeit einer
deutsch - französischen Verständigung ist wohl
noch selten so deutlich geworden wie heute, wo
sie über den bilateralen Rahmen hinausweist auf
multilaterale Verknüpfungen eines Kontinents,
dessen Schicksal einzig und allein davon abhängt,
ob seine Menschen, die die Not ihrer Welt erkannt
haben, nun nicht nur die Augen öffnen,
sondern auch das Herz. Lippenbekenntnisse genügen
nicht, denn sie können Mißverständnisse
im Gefolge haben. Was aber diesseits und jenseits
des Rheines und überall im freiheitlichen
Europa verstanden wird, ist die Sprache der
Herzen, die Sprache der Menschlichkeit, die es
verabscheut, Gewalt anzuwenden. In dem Maße,
wie wir es fertig bringen werden, diese Sprache,
und nur diese zu sprechen, wird einmal das Ziel
erreicht werden können, dem auch diese Zeilen
wie all das Geschehen und Bemühen, das in ihnen
geschildert worden ist, gewidmet sein sollen:

Europa!

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