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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1960-01/0012
für die Entwicklung des gegenseitigen Austausches
werden.

Vittel und Badenweiler sind Ausflugs- und
Badestädte; ist es da nicht naheliegend, daß wir
eine wichtige Entwicklung des wirtschaftlichen
Lebens und des Fremdenaustausches in der Aufhebung
der Grenzschwierigkeiten sehen, in einem
immer mehr zunehmenden ungehinderten Reiseverkehr
und einem freien Warenaustausch von
Land zu Land. Die von den Sorgen des Geldwechsels
und der Grenzformalitäten befreiten
Menschen werden ihren Horizont sich erweitern
sehen bis an die Grenzen Europas.

Man wird die großen Verkehrsadern aus
großräumigem Denken in europäischem Maßstabe
planen und organisieren müssen. Rasche
Straßen und Bahnlinien werden Hamburg und
die Ostseeländer mit Straßburg und darüber
hinaus mit dem Süden Frankreichs über das
Rhönetal verbinden; die Niederlande, Brüssel,
Paris und den Südwesten Frankreichs mit Spanien
und Nordafrika; Holland und Belgien
andererseits durch die Rheinlande über die
Schweiz oder Österreich mit Italien.

In diese Gedankenkette läßt sich auch die
Verwirklichung des Montblanc - Tunnels einordnen
. Selbst die Luftlinien innerhalb des europäischen
Raumes werden der Funktion dieser neuen
Gegebenheit dienen.

Um auf unsere besonderen Belange einzugehen
, so werden die europäischen Bade- und
Luftkurorte eine gesteigerte Belebung der Zahl
ihrer Besucher sehen. Man darf von dem Austausch
medizinischer und therapeutischer Erfahrungen
und Forschungsergebnisse zwischen den
benachbarten Ländern den größten Nutzen für
alle erwarten.

Die Ausstattung der Bäder und Unterkünfte
werden in einem gesunden Wettbewerb sich
einem Fortschritt zuwenden können, dessen Formen
sich im Augenblick noch gar nicht voraussehen
lassen.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen werden
sehr bedeutend sein: die Tarife werden sich zu
einem europäischen Niveau ausgleichen, die
Steuern und die sozialen Lasten werden zu
einem harmonischen Gleichgewicht gelangen und
den Austausch von Arbeitskräften aus den Uberschußgebieten
nach den großen Produktionszentren
erlauben.

In unserer Zeit des technischen Fortschritts-
hinsichtlich der rationalisierten Erzeugung wird
die Entwicklung des Austauschs unumgänglich
die Erweiterung der Wirtschaftsräume über die
nationalen Grenzen hinauf mit sich bringen. Die
Bewegung der von den Zollfesseln befreiten
Menschen und Waren wird zu einem Wirtschaftsaufschwung
aller Partner führen, zur Hebung
der sozialen Bedingungen und des Lebensstandards
der europäischen Bevölkerung. Dieses
Ergebnis wird jedoch nur in dem Maße erreicht
werden können, in dem der Einzelne, die örtlichen
Gemeinschaften und die Staaten von dem
Glauben an die Bestimmung Europas erfüllt sein

werden. _ , ,, _ _ ..

Guy de la Motte

j&m Wtenfdjen europäifdjet: Prägung

aus 5em oberrtyeinifdjen Kaum

i.

Jacques Feschotte:

Ulbert ©rf)taeifeet in C^ünöbadj

Günsbach, 1948

Der letzte Akkord des dritten Chorals von
Cesar Franck verhallt leise im Kirchenschiff.
Schweitzer schließt die Orgel und löscht die
Lampe. Wir tappen, fast im Dunkeln, die knarrende
Holztreppe hinunter. Die Kirchentür geht
auf und gibt den Blick auf das Münstertal und
die Vogesen frei, deren Umrisse schon in Schatten
gehüllt sind. Friedliche Lichter blinken aus
den Fenstern der Dörfer. Die Straße hallt unter
unseren Füßen; Wagenverkehr gibt es hier nach
Eintritt der Dunkelheit kaum noch. Von Zeit zu
Zeit begegnet uns ein verspätet heimkehrender
Arbeiter oder Winzer und geht mit dem Abendgruß
vorüber. Wir wandern am Schweitzer'schen
Hause vorbei und haben bald die Wegbiegung
erreicht, wo man das Tal aufwärts bis zur
„Schlucht" übersehen kann; dort liegt, ruhig
hingebettet, das Städtchen Münster. Die Eisenbahnstrecke
, die nach Colmar führt, liegt wie
ausgestorben. Einzig das Murmeln der Fecht, die

dem Blick verborgen im Tal dahinfließt, erfüllt
die würzige Luft.

Wie stets, wenn er von der Orgel kommt,
verharrt Schweitzer in langem Schweigen. Wir
haben nun die einfach gezimmerte Bank erreicht,
auf der er gerne sitzt, und machen Halt. Seine
Stimme, deren voller Wohlklang im elsässischen
Tonfall so gut herauskommt, erhebt sich unvermittelt
, wie wenn er laut weiterdächte, was ihn
innerlich beschäftigt: In Lambarene ist nun auch
alles still, und in den Baracken schlafen sie bald.
Nur die Schmerzen haben, jammern unruhig.
Die Tiere schlafen. Die Ärzte und Schwestern
haben ihre Erholungspause. Es ist genau dieselbe
Stunde wie hier. Erneutes Schweigen; Schweitzer
weilt in Gedanken in seinem Spital. Er macht
die letzte Runde, schreitet durch die Schlafsäle
der Kranken, revidiert noch einmal alles, sagt
Gute Nacht, Kinder, und zieht sich in sein Zimmer
zurück. Er äußerte einmal zu mir: Wenn ich
nicht käme, ihnen Gutenacht zu sagen, schliefen
sie nicht ein. Daß er selber keine Ruhe fände^
hätte er nicht überall nachgeschaut, wissen wir,
ohne daß er es ausspricht.

So war es zehn Jahre lang jeden Abend während
seines längsten Aufenthalts hier. Als er

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