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III.
Konstantin Schäfer:
3u6 feinem nactjgelalTenen WBztf
Reinhold Schneider hat uns ein edles Lebenswerk
geschenkt. Was ihm das Wesentlichste ist,
das innere Leuchten aufzuzeigen, das durch die
Lebensschicksale schimmert wie durch ein Transparent
, ist das Besondere seines Werkes. Das ist
es, was so stark aus den Erzählungen seines
nachgelassenen Werkes „Der ferne König" auf
uns wirkt und was uns mit einem inneren
Gewinne das Buch aus der Hand
legen läßt.
Es sind keine großen, weltbewegenden
Ereignisse, es ist kein bunter Wirbel
von Geschehnissen, die Reinhold
Schneider zu seinen Themen wählt. Das
ganze Geschehen ist auf die innere
Ebene verlegt. Das Kleinste, Unscheinbarste
wird zum Wichtigsten, Tragendsten
. Wenn er in seiner Titelerzählung
den Satz schreibt: „ .. . aber die abseits
saßen in Schönhausen, hatten sich das
Gehör bewahrt.. .", so lenkt er ab von
dem Vordergründigen, Lauten und wendet
sich hin zu dem Stillen in sich Versenkten
und darum Wesenhaften. In
konzentriertester Form tritt uns dies
entgegen in seinen Skizzen über Kant.
In ihnen weitet sich die Erzählung aus
dem Raum- und Volk - Bedingten zum
Allgemein - Gültigen und erhebt sich in
den Bereich, der alle Zufälligkeiten
abstrahiert zum Reinmenschlichen. „Die
Stadt war Heimat und zugleich auch
nicht. Und wie die Welt in ihrer ganzen
Fülle und Vielfalt hereingerufen
wurde in die kleine Stadt, wo der Geist
gebot, wurden Welt und Heimat zum
Symbol: schon kommt der Nebel vom
Meer, nah ist die Küste, der Ruf der
Schiffer kommt nachts über die Häuser
, wo das Licht des Denkers, stets um
dieselbe Stunde, um zehn Uhr, verlöscht,
schon endet das Land."
Auf dieser Ebene gibt es nur Gemeinsames
, nichts Trennendes, alles
Anderssein wird nur Variante des einen
Grundthemas. Selbst das Geringste wird
von Bedeutung: „ . . und eines Tages ist
die große Freude da: eine leise, fröhliche
Stimme tönt aus dem Garten herauf; seine
Freundin, die Grasmücke, kehrte zurück. Er
verfolgte in Gedanken ihre Reise über die
Apeninnen; er schickte ihr seine Wünsche zu;
und ihr Besuch allein wird zum Ereignis im
Hause dessen, der die Welt seinem Geiste unterwarf
und ihr eherne, unverbrüchliche Gesetze
gab."
In dem verachteten Lied der Sperlinge erkennt
er die Melancholie ihres monotonen Gezwitschers
. In der Reife seines Alters entdeckte
Kant das Rauschen des Wasserfalls. Raum und
Zeit sind ein Trug; groß dem einen, nichts
dem andern.
Selbst wenn Schneider die Schlacht bei Auer-
städt schildert, bei allem Wogen der Reitermassen
und bei allem Feuerhagel der starrenden
Karrees, wird die eigentliche Schlacht in den
Seelen der Führenden geschlagen. Erschütternd
die Gestalt des alternden Freiherrn vom Stein.
Großartig ersteht die Schöpferpersönlichkeit
Ernst v. Bandeis, der in jahrelangem Kampfe
das Denkmal des schwerttragenden Armin auf
der Höhe des Teutoburger Waldes schuf. Auch
hier das bittere Motiv der Resignation. Großartig
das Bild des Primaners, aus dessen blitzenden
Augen Bändel bei der Grundsteinlegung
Kraft und Glauben schöpft für sein Werk und
dessen toter Blick als satter, dumpfer Bürger
und Vereinsmann dreißig Jahre später bei der
Einweihung des Werkes Bandeis Resignation
vertieft.
Ebenso großartig das Bild von der unvollendeten
Venus in der Muschel. Unvergeßlich
bleibt das einsame Gespräch, das er in der Bau-
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