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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1960-02/0013
verschwindet, in dem ein Menschengaumen sich
an ihm erfreut. Vergänglich also auch das,
worum sich der Weinbauer bemüht. Verschwunden
sind auch die Männer, die um 1859 nach .
neuen Reben und neuen Weinbaumethoden
suchten. Geblieben aber sind die allermeisten
Namen der damaligen Weinbauern und Weinhändler
, die Familien, die ihn tragen, und
geblieben ist vor allem der schaffige Geist samt
den fleißigen Händen, — geblieben ist der
fruchtbare Boden und geblieben ist endlich —
wenn auch in neuen Sorten — die Rebe mit
ihrem edlen Geschenk des Weins. Jeden Herbst

Th. Seidenfaden:

Jungverheiratete Eheleute, heißt es in der
heiligen Stadt Köln, lernen .sich erst kennen,
wenn Masken und Hörner zum erstenmal um die
Stille gemeinsamen Lebens lärmen: dann zeige
es sich, ob das Blut bereits geruhsam im beschaulichen
Kreise des Häuslichen fließe oder
trotz allem Versprechen wieder zu Tanz und
Tollheit begehre, was verständlich sei, weil das
närrische Fest gerade die Zeit des Jahres beglücke
, die Tagen und Nächten, Katzen und Mäusen
, Kometen und Planeten, allem Gesträuch und
dem geringsten Grashalm frische Säfte ins Ge-
äder treibe.

Der Peter Schmitz, der bei seinen dreißig Jahren
ein angesehener Schreinermeister war, hatte,
da er heiratete, die letzte Narrenkappe in eine
Schachtel gesteckt und geschworen: ihn könne
keine Fasnacht mehr locken!

Die Mitte des vorigen Jahrhunderts, in der er
lebte, war immerhin noch so gefügt, daß selbst
Eide dieser Art bindende Kraft hatten, und der
Peter Schmitz war ein verläßlicher Mann. Die
Tische, Schränke und Stühle seiner Werkstatt,
auch ihre Wiegen und Särge, durften sich sehen
lassen, die Hobelmesser blieben ihm scharf und
blank.

Als aber im nächsten Februar die Masken
dreister aus den Schaufenstern blickten, Geigen
und Flöten sich auf Geckenlieder stimmten, man
hier und dort die dicken Trommeln versuchte
und schließlich Bilder vom Rosenmontagszug bekannt
gab, schüttelte er sich. Das Blut prickelte,
wie wenn er noch einmal zwanzig Jahre alt und
nicht schon Vater eines Jungen wäre, der zwar
erst zwei Monate zählte, aber immerhin sein
Stammhalter war. Wie er auch zugriff, Winkel
und Stift, Hammer und Meißel, die Zange gebrauchte
, ob er sägte oder die Hobelspäne um
sich mehrte: das Geprickel in Armen und Beinen
wollte nicht schweigen. Deshalb wunderte es
ihn kaum, als es sich, sobald am Fasnachtsonntag
gleich nach Mittag der Trubel auf den Straßen
losbrach, zu begehrenden Flämmchen verwandelte
und die heimliche Stimme seines stadtkölnischen
Herzens die bekannten Schunkelweisen
zu singen begann. Er saß in der Bankecke und
las, was er stets nach dem Essen tat, die Kölni-

erneuert es sich durch der Menschen Arbeit,
und jedes Jahr gewinnen die, alten Bestände
dieser Gottesgabe an Köstlichkeit. Neuer und
alter Wein im Vergleichen ergeben erst Bild
und Gestalt dessen, was das Wort Wein zum
Inhalt hat. Wie ja Altes und Neues im Vergleich
stets das rechte Bild der Welt ergeben. Das
wissen auch die Hebelfreunde, die sich jedes
Jahr am letzten Oktobersonntag in Hertingen
zum Hebelschoppen versammeln, neuen wie
alten Wein und neue wie alte Markgräfler
Gedichte probieren und von neuen wie alten
Zeiten reden. H. Bachroth

sehe Zeitung. Die dicken Trommeln, Zinndeckel
und Quetschbälge klangen von der Straße herauf,
die Vorfrühlingssonne schien, und die Wohnküche
atmete geradezu festlich. Er aber biß die
Zähne aufeinander, äugelte jedoch wiederholt
über den Rand des Blattes zu seiner Frau hinüber
, die am Spültische das Gesdiirr wischte,
festzustellen, ob auch ihr Herz singe und
schunkele.

Da trieb ihm der Zufall — oder darf man
sagen das Schicksal? — zum Maskenlärm zwei
Freunde herein: Junggesellen, deren höchstes
Anliegen es war, Ehemänner aus dem Nest des
Geborgenen in die Weltweite ihres Schweifens zu
locken. Sie standen — der eine bunt und toll als
Clown, der andere als Zigeuner schwarz und
frech — und fragten bei forschem Pritschenschlage
, bedauerlich zu der geschäftigen Frau
hinüber lächelnd: ob sie ihn nicht für drei Stunden
beurlaube?

Das Wort wirkte wie eine Stichflamme.

Es zündete im Blut des Schmitz derart, daß
er aufsprang und rief: er gehe mit, koste es, was
es wolle, Abschied zu nehmen von Karneval und
Jugend!

Seine Frau, die verstohlen griemelte wie eine
der jungen Madonnen des Meisters von Sankt
Severin, lachte über den Ausbruch: sie hatte
lange gemerkt, wie stark die heimliche Stimme
seines stadtkölnischen Herzens singe und locke,
weshalb sie sich nicht wunderte, sondern neckte:
Urlaub gebe sie gern, und länger als drei Stunden
; doch die Narrenkappe liege verstaubt, und
Zeit, eine neue zu nähen, bleibe nicht; so werde
er das Nachtmützchen des Jungen aufsetzen
müssen!

Der Peter Schmitz aber erwiderte, als stünde
sein Entschluß seit Tagen fest: er maskiere sich
als Maler Bock, und nichts sei einfacher als das!

Der Bock war eines der Originale, an denen
das alte Köln reich war: ein Windhund, der
glaubte, zum Künstler berufen, von der Umwelt
aber gehindert zu sein, die volle Kraft zu entfalten
. Aus diesem Grunde hielt er sich durch
tolle Streiche schadlos. Da er eben wieder in aller
Mund lebte, weil er dem Pastor von St. Gereon

Eine Anekdote

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