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seiner Haushälterin wegen einen geflügelten
Drachen mitten auf die Tür des Pastorates gemalt
hatte, schmunzelte die Frau, und der Peter
Schmitz wiederholte: er mache den Maler Bock;
dazu gebrauche er nur einen geschickten Barbier,
und den habe er nicht weit zu suchen!
Darin hatte er recht; denn der Clown war:
Bartscherer, hatte ein gutes Geschäft und trug
seinen Wunderkasten, was der Meister Schmitz
von vergangenen Jahren her wußte, zu Karnevalsscherzen
unter dem Arme. So hing dem
Schreiner bald der schwarze Spitzbart am Kinn
und das Gelock einer Perücke um die Ohren. Der
Clown hielt ihm den Spiegel vor die Nase, und
der Schmitz sprang und lachte: er sah sich in den
Zeichen, die den Bock weithin erkenntlich machten
. Da ihm die Frau, die das Spültuch hingelegt
und die Hände getrocknet hatte, den Künstlerschlips
umband, ein schwarzes Seidentuch, das
sie wohl zu winden wußte, weil sie ihm außerdem
einen Schlapphut überstülpte, ihren breiten
vor vier Wintern abgesetzten Filz, stand er selbst
vor ihrem Blick als der Maler, den die Frauen
gern bedauerten. Sie nannten ihn das verkannte
Genie und hatten Mitleid mit ihm, wiewohl es
hieß, er sei Weiberfeind. Der Peter Schmitz
nahm noch — kein Kölner kannte den Maler
ohne Blumen —, Papierrosen vom Eckbrett der
tönernen Muttergottes, küßte die Frau und lief
zwischen dem Clown und dem Zigeuner in das
Straßengewühl. Sein Versprechen, zeitig heimzukommen
, schwamm im Trubel wie eine Seifenblase
fort, und da er die Freunde schon nach
einer halben Stunde verlor, bewegte er sich
wirklich wie ein Freiherr, dem der Augenblick
die reichste Stadt der Welt schenkt. Er fand, wie
das zu Köln Sitte ist, gleich neuen Anschluß und
sprang mit im Wirbel der Maskenzüge, tanzte
durch Luftschlangen- und Konfettispiele, küßte
hier ein junges Mädchen und hing dort einer
ältlichen Frau am Halse, die noch einmal lustig
sein wollte. Im dunkelblauen Sonntagsanzug, den
er trug, und den zeitgemäßen Langschäftern
unterschied er sich kaum von dem Urbilde seiner
Maskerade, weshalb ihm auch unbegehrte Frauen
zuflogen.
Indes hatten der Clown und der Zigeuner
beim Klang der Hörner und Trompeten, den
zweiten Teil ihrer Komödien zu beginnen, den
echten Maler Bock gesucht und gefunden. Er war
wie gewöhnlich ohne Geld. Deshalb freute es ihn,
mit den Schelmen durch die Schenken ziehen,
auf ihre Taschen zechen und hin und wieder ein
warmes Würstchen oder eine der gebackenen
Krabbeln essen zu dürfen, kleine Mehlballen,
wie Buden sie während der närrischen Tage feilboten
. Der Clown und der Zigeuner verstanden
es, jedem Schritt des geplanten Spieles die rechte
Würze angedeihen zu lassen. Sie gössen dem
Bock hin und wieder einen Schnaps ins Bier,
tranken auch zwischendurch einen Schoppen Mosel
mit ihm, weshalb dem Bock plötzlich zu
schnellen und witzigen Worten die Arme vom
Leibe sprangen und wieder zurückfuhren. Er
stand gespreizt wie ein Prediger und hielt dem
Tumult der Kneipen Reden, beklagte sich zum
Gejohle ihres Beifalles über den mangelnden
Kunstsinn der Kölner, nannte sie Spießer und
Pfeffersäcke, die Stadt aber ein Heim der Klüng-
ler, bei denen kein ehrlicher Mensch aufkommen
könne und der beste Meister verelenden müsse.
Man liege, rief er in einer der Kneipen, zu
lange in Kirchen und Kramläden; die alten
Mauern hielten den Geist eng, und deshalb spüre
niemand, daß eine neue Zeit komme und
schleppe hergebrachten Plunder nach wie eine
trockene Jungfrau das Veilchensträußehen ihres
durchgegangenen Liebhabers hüte; fünf Schoppen
auf ein Maß sei die beste Religion, und gut
gegessen und getrunken vorm Ende mache ein
leichtes Testament; nur wo der Leichtsinn herrsche
, gedeihe der Tag und blühe die Nacht!
Als gegen Abend die Kirchen und Kapellen
unbekümmert um den Trubel die ehernen Mahnrufe
ihrer Glocken läuteten, tanzten ihm die Gedanken
gleich Mückenschwärmen, und eine Stunde
später hing der Bock dem Clown und dem
Zigeuner auf dem Wege zur nächsten Kneipe besinnungslos
in den Armen. Jetzt sei er, lachten
die Schelme, reif für die Himmelfahrt, den
Hauptakt der Komödie, darin er als Spieler und
Gespielter eine Seite seines Wesens zu offenbaren
habe, die Köln noch nicht kenne!
Sie zausten ihm Haar, Bart und Schlips, sie
zerknüllten den Schlapphut und schleppten den
Bock dann — nicht etwa vor die Herberge der
Landstreicher, sondern vor die Haustür des Peter
Schmitz, was ihnen, weil auch sie bei den Gläsern
nicht müßig gewesen waren, schwer genug fiel,
aber diebische Freude bereitete.
Der Klingelschlag gellte noch durch ihre Ohren:
da stand die Frau erschrocken in der Tür und
fragte, Unheil ahnend, was es gebe. Umständlich
schoben sie den Bock hinein und meinten betreten
, indem sie sich beim Sprechen abwechselten:
sie habe ihren Mann zu sehr entwöhnt, woher es
komme, daß er nach ein paar Stunden diese, eines
ehrsamen Schreiners unwürdige Gestalt abgebe;
er blamiere das Kölner Handwerk und sei ein
Jammerlappen!
Die sonst so ruhige Frau weinte laut auf.
Sie hielt bei dem schwachen Flurlicht den
Betrunkenen tatsächlich für ihren Mann, schlug
die Hände vor das Gesicht und schluchzte, wie
wenn das Glück ihrer jungen Ehe untergegangen
sei. Schließlich aber bat sie den Clown und den
Zigeuner, die wie Sittenrichter vor ihr standen,
ihn nach oben und in Gottes Namen aufs Bett
zu tragen.
Der Maler Bock verbrachte die meisten Nächte
des Jahres in den Frechener Tonrohren des
Rheinhafens, die dort warteten, verladen zu werden
. So aber kam er — der Weiberfeind — Fasnacht
zu einem Ehebett, und zu dem, .der ihm
das morgens prophezeit hätte, würde er gesagt
haben: Falken und Tauben solle man nicht zusammensperren
, und er gehöre zu einer besonderen
Art von Falken!
Die weiche Fülle des Ehebettes spürte er natürlich
nicht; denn als er lag — der Clown hatte
ihm die krummen Langschäfter von den Füßen
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