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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1960-02/0015
gezogen —, fiel er aus blödem Gemurmel schnell
in solchen Schlaf, daß die Frau seufzte: er sei
halb tot und erlebe kaum den Morgen; nun werde
sein Abschiedswort Wirklichkeit; ob sie nicht
solle zum Pastor schicken?

Der Zigeuner, dem der Schnurrbart schwarz
und schauerlich aus der matten Helle leuchtete,
beruhigte sie und meinte im Biedermannstone:
neben ihn legen dürfe sie sich nicht, weil keiner
wisse, was dann geschehe; der Mensch sei liegend,
zumal wenn ihn der Alkohol hingestreckt habe,
noch unberechenbarer als sonst; sie solle wachen
und ihn ausschlafen lassen, so erhole er sich; beginne
er dagegen, was leicht möglich sei, morgens
zu toben, dann möge sie zum Pastor laufen,
der als verständiger Mann armen Fasnachtsündern
die letzte Fahrt erleichtere und ihnen aus
den Klauen des Satans helfe!

Worauf die beiden es vorzogen, zu verschwinden
, und ihre Tollheit im Rausche der Nacht zu
betäuben.

Als die Frau, die ihren Mann nie auch nur
angeheitert gesehen hatte — was übrigens einer
rechten Ehe nachteilig sein soll —, von der Haustüre
zurückkam, setzte sie sich auf die Schlafstube
. Sie hörte den Lärm der Maskenzüge, die
durch die Straßen trieben, lauschte dem ruhigen
Atem des schlafenden Knaben und erschrak,
wenn der Betrunkene stöhnte. In ihrer Verlassenheit
erschien sie sich als ärmstes Wesen der
Welt; die beiden Kerle aber, die ihren Mann
fortgelockt, sah sie als leibhaftige Teufel und
verrichtete ein Stoßgebet nach dem andern, um
sich und das Haus von ihren Gewalten zu befreien
: ein dumpfes Gefühl sagte ihr, die Nacht
bewahre ihr noch einen bitteren Rest!

Da nach einer Weile stillweinender Trauer die
Hausschelle wiederum läutete, saß sie zunächst
starr, sprang dann auf, lief in die Küche und
wieder zurück und griff schließlich die Lampe.
Sie ging entschlossen hinab und dachte beim
nächtlichen Klang der Treppenstufen — fast war
es ein Trost —: Geister schellen nicht, und ein
Mensch kann meinem Kummer nur willkommen
sein!

Sie drehte also den Schlüssel und öffnete die
Tür: zaghaft, doch sie öffnete. Da aber war es,
als starre ein Höllentier durch die Luke in das
Licht, und sie schrie entsetzt, begann zu wanken
und wäre zusammengebrochen, wenn nicht das
nächtliche Wesen Arme ausgestreckt und sie
gehalten hätte: vor ihr stand nämlich ihr Mann,
der Peter Schmitz, den sie noch eben besinnungslos
im Bett gesehen hatte und wollte sie, seiner
Gewohnheit nach, mitten auf die kirschroten
Lippen küssen.

Als er den Schrei hörte und die Lampe in
ihrer Hand wanken sah, schnappte er das Licht,
kam jedoch nicht mehr dazu, den Willkommengruß
anzubringen; denn seine Frau stürzte, von
tausend Ängsten getrieben, die Treppe hinauf
und schrie, ihren Mann mit dem Vornamen rufend
, im wohlklingenden Laut der Mundart: ein
Gespenst sei da! Er hingegen, noch fröhlich von
dem bunten Getriebe der Nacht, warf die Tür

$rauencectjt

Myseel, jetz goht's um's Frauerecht!

Jetz simer nümmi 's schwächer Gschlecht,

wo still im Hus sy Arbet schafft.

Mer messe mit de Mannslüt d'Chraft.

Jetz wämer „des Gesetzes Schutz",

sin nümmi z'friede mit-eme Schmutz.

Uf d'Hälfti vom Verdienst vom Ma

do wämer jetz e Arecht ha;

un wenn der Ma sy Pfiffli schmaucht,

halt d'Frau e Sigarettli raucht.

Un wenn der Ma der Wy gern trinkt,

d'Frau mit em Likörfläschli winkt.

Sogar bym Esse mueß er gnau

in d'Hälfti teile mit der Frau.

Bruucht er emol e neue Huet,

stöhn ihre gwiß zwee neui guet.

Doch wenn er amig schimpft un fluecht,

isch sie's, wo glii der Bese suecht.

Jetz lacheter un glaubet's nit.

Jo, 's isch mer au nit ernst dermit.

I mein halt, so seig's Frauerecht:

Sie nit sy Magd, er nit der Chnecht;

sie solle für enander stoh,

nit nebe-, mit-enander go.

's schönst Frauerecht, es blybt derby,

isch: Liebi gee un Muetter sy.

Un alli Tag e chleini Freud

im andere ins Lebe g'streut.

E Lächle un e herzlich Wort

isch Frauerecht am rechten Ort.

Ida Preusch - Müller

ins Schloß, lachte aus vollem Halse und jagte
hinter ihr her.

Er fand sie auf dem Bettrande und sah, wie
sie mit fliegender Brust und angstweiten Augen
saß und den Maler vergeblich aus dem Schlafe
zu rütteln versuchte. Als gleichzeitig der Junge,
aufgeweckt von dem ungewohnten Lärm, zu weinen
und die Frau, die das Gespenst auf sich zukommen
sah, totenblaß zu zittern begann, wußte
der Meister nicht, ob er träume oder lache, und
er leuchtete das Bett ab. Vor dem Bilde des
Schlafenden prallte er natürlich zurück: vor dem
Bock, der da bleich und zerzaust fast wie ein
Toter lag und dennoch stöhnte. Selbstverständlich
erkannte er gleich, aus welchem Grunde
seine Frau sich ängstigte, und er riß Spitzbart
und Schlapphut herunter und war ihr wieder der
Peter Schmitz, den sie mit den Freunden zum
Maler Bock verkleidet hatte. Geruhsam holte er
sie vom Bett und damit aus der Rätselnot dieser
Nacht, beschwichtigte den Jungen und ließ sich,
derweil sie ihm auf dem Knie saß, erzählen, was
er halbwegs erriet.

Darüber kehrte ihr die Farbe ins Gesicht zurück
, und sie war bald wieder frisch und froh, wie
wenn sie von einem Altare des Severiner Meisters
geradeswegs zu ihm getreten wäre. Sie
lachte mit, wie der Peter sich, nachdem er den
ersten Ärger überwunden hatte, als echter Kölner
vor Lachen schüttelte und meinte: so klar sei
ihm der Karneval des Lebens nie begegnet! .

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