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mung geht, eine Strömung, die vom Diesseitigen
zum Jenseitigen führt. Man muß an die Stelle
bei Hebel kommen, wo nicht von lieblichem
Sonnenschein, von Immen und Kirschbaumblüten
die Rede ist, sondern von der tiefen Vergänglichkeit
der Welt, von ihrem unablässigen Hinscheiden
. Man muß in seinen humorigen Kalendergeschichten
nicht nur die hübsche Anekdote
schätzen, sondern den Abglanz einer zeitlosen
Menschlichkeit, eines zeitlosen Gewissens, das
weniger berührt ist vom Modischen, aber tief
angerührt vom Ewigen. Wer so Hebel erfährt,
erfährt etwas, was beglückend ist, was Ruhe im
Ruhelosen schenkt. So meinen wir, daß Johann
Peter Hebel in unserer Zeit und uns Heutigen
sehr viel zu sagen hat. Und wenn der Hebelbund
hier eine vermittelnde Rolle spielen kann, dann
erfüllt er eine kulturelle Funktion ersten Ranges.
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Zusammengestellt von Wilhelm Zentner
„Sie meinen, ich lasse mir Karlsruhe nicht
mehr abkaufen? Was kann ich dafür, daß mir
niemand etwas Besseres bietet. Umsonst gibt
man doch auch nicht wieder her, was man einmal
hat. 's lieb Liesel hat mich ja auch nicht
umsonst aus der Hand gelassen, bis es etwas
Besseres hatte. Daß es mir in Karlsuhe jetzt
besser behagt als anfänglich, ist wohl wahr und
sehr natürlich. Aber ob es mir so lieb werden
kann, als das Oberland noch ist, das ist eine
andere Frage. Denn wo man's in seinem Leben
am besten hatte, da sehnt man sich wieder hin.
Ich warte jetzt auf Grenzach..."
An Gustave Fecht, 8. Mai 1794
„Mich gelüstet täglich mehr nach einer guten
Pfarrei. Ich habe im Oberland einige Pflanzen
gesehen, die mir noch fehlen. Seitdem habe ich
keine Ruhe mehr hier."
An Karl Christian Gmelin, 28. Nov. 1796.
„Wohl sehne ich mich schon lange und immer
und oft sehr lebhaft nach einer Landpfarrei und
nach dem stillen Wohlsein, das ich dort träume.
Aber es gehört auch zu dem, was man sich vornimmt
, und die Schwierigkeiten mehren sich
statt sich zu mindern."
An Gustave Fecht, August 1799.
„O Freund, daß mir noch zwei Wünsche gelängen
! Der eine wird mir, so Gott will, gelingen
, noch Pfarrer bei einer Landgemeinde zu
werden, und der andere, wenn es mir dann gelänge
, irgendeinen Teil des praktisch religiösen
Glaubens lebendig und dauernd in ihren Seelen
anzufachen, — lächeln Sie zu meinem Traum!
Ich wollte es dann ruhig jedem fast allein überlassen
, wie er vor Gott wandeln und seine dankbare
Liebe in guten Gesinnungen und Taten
wollte wirksam werden lassen."
An Christian Theodor Wolf, Juli 1800.
„In Emmendingen beschloß ich, einen Besuch
anderer Art zu machen und einem Karlsruher
Freund und Schulkameraden, der seit dem Sommer
als Pfarrer in den Bergen von Ottoschwanden
steckt, zu erscheinen. Ich wünschte, daß Sie
diese Gegend selber sähen, die ich nicht be-
*) Hebels stiller, freilich nie erfüllter Wunsch ist eine Landpfarrei auf
heimatlichem Boden gewesen. Bekanntlich hat noch der Prälat von einer
solchen geträumt und eine „Antrittspredigt vor einer Landgemeinde" entworfen
. Wir geben im Folgenden eine Übersicht über Hebels briefliche
Äußerungen, die sich auf ein ländliches Pfarramt beziehen.
schreiben kann. Anderthalb Stunden von Emmendingen
, bergein und bergauf verbreitet sich
nah am Himmel über unzählige Hügel und Tälchen
hin, drei Stunden weit im Durchschnitt eine
Pfarrei von 2000 Seelen in lauter vereinzelten
Höfen. Man muß zu dem, was man sieht, zu dem
romantischen Anblick der Höfe, zu den niedlichen
Partien von Obst- und Tannenbäumen, zu
den grünbewachsenen Hügeln und unbewachten
Herden darauf, zu den fernen und nahen Begrenzungen
von Wald und noch höheren Bergen
auch noch die Phantasie und gute Meinung ein
wenig zu Hilfe nehmen, um die Gegend recht
interessant zu finden, nämlich man muß sich das
Innere der Wohnungen, was man nicht sieht, als
den Sitz des stillen Friedens, einer unverdorbenen
brüderlichen Menschenklasse, des ländlichen
Wohlstandes und einfacher patriarchalischer
Sitten denken. So erschien mir die Gegend,
und ich wünschte mir die feste Gesundheit des
Pfarrers daselbst, um mich einst, wenn mein Maß
in Karlsruhe voll ist, um Ottoschwanden zu melden
und dort, geschieden von der Welt und bis
auf wenige sie vergessend, zu leben, zu wirken
und zu sterben."
An Gustave Fecht, Oktober 1801.
„Ich sah Müllheim mit leichtem Herzen vergeben
, nicht so Schopfheim. Das lag mir schwer
und tief darin, aber ich scheute nicht die Geschäfte
, sondern die Kirche, die ich kenne und
mit meiner Brust und Stimme maß, und die
' Strapazen, wenn man seinem Amt Genüge tun
will, wie ich möchte. Ort und Gegend wären
mir die liebsten zwischen allen Meridianen und
Parallelzirkeln des großen Erdenrundes, in unserem
Tal und Eurer Nähe! Wie wollten wir das
alte Leben neu anfangen und manches nagel-
funkelneu darein gewirkt haben! Aber hole der
Henker eins! . Als 22jähriger Schulmeister und
beilaufender Fronknecht bald des Pfarramts,
bald des Konsistorii will ich, wenn ich einmal
den großen Wanderstecken in die Hand und den
kleinen Bündel auf den Rücken nehme, nicht
einer Schindpfarrei und abermaligem Frondienst
, sondern für das, was noch hintersteiliger
Zeit im Fleisch ist, einem Plätzlein entgegengehen
, wie es ja auch je eines bei euch gibt, wo
man ein geruhiges und stilles Leben führen
kann in aller Güte und Eintracht."
An Fr. W. Hitzig, 19. Mai 1805.
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