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„Es wandlen in der stille dunkle Nacht wohl
Engel um, mit Sterneblueme g'chrönt", und
gleichzeitig erlebt er, wie der Mann im Mond,
daß er gegen seinen Willen in überweltliche
Bezirke entführt wird. Kein Wehren hilft ihm.
„De muesch mit eus! hesch's just nit selber gseit:
Ihr liebe Stern, i wott, i wär bi euch?
Hüt isch Walpurgisnacht. Was ein do wünscht,
— E Sunntigschind, e landverfahrne Schüeler —,
Flugs gschicht's — Huppia, mer fliegen eben ufe,
Um wele wit? .. 's batt nüt, de muesch jetz mit!"
So wird Scheffel denn — doch vo somen Engelspaar
verarretiert und sternwärts transportiert.—
Doch er darf wählen und wünscht sich auf den
Morgenstern, auf den lieblichsten von allen.
„Un chlip und chlap! — was witt und was bigehrsch?
Ein Engel faßt mi links, der ander rechts:
Eis, zwei und drei: ...und husch, so goht's in d'Luft,
Und uf und furtl"
Die Erde schrumpft zusammen, wird — chlei as
wie der Mond und wird chleiner und schwebt,
e winzig Sternli, fern im Luft. — Und nach
einer Weile funkelt schon zu ihren Füßen fremdes
, schönes Land: Der Morgenstern!
„O Morgestern, wie liebli isch's uf dir!
Zwor nit gar anders as bi eus, doch heitrer
Und glänziger isch d'Gegnig gsi und wärmer,
As wär dort ewig Früehlig, ewig Sunntig.
Und scho am Luftzug het me g'spürt, es weiht
E sanftre Othem dort. ... i selber bi
Mer gröber vorcho wie 'ne Hozzewälder,
Der uffen Ball dappt, z'Friburg im Museum."
Das prächtige Land mit seinem frischen Bergforellenwasser
mahnt den Träumer ans hintere
Wiesental. Da sieht er am Waldrand einen ehrwürdigen
Greis sitzen, um ihn im Moos ein
lustig Kindervolk, mit dem er Schule hält. Zuletzt
singen sie noch einen Vers.
„Was meineter, as d'Chinder g'sunge hän?
Se helfis Gott un gebis Gott
E guete Tag und b'hüetis Gott!
Mer beten um e christlig Herz, ^
Es chunnt eim wohl in Freud und Schmerz,
Wer christlig lebt, het frohe Muet,
Der lieb Gott stoht für alles guet."
Dann packen sie ein und springen fröhlich fort.
Der Greis aber kommt auf den Fremdling zu und
fragt mit einem „Gottwilche", was für einer er
sei. Dieser erzählt, daß er von einem fernen
Stern komme, der Erde heißt, in dem ein Erdteil
, Europia, liege, in diesem ein Land, Deutschland
und dort aber, am — Rhi e Ländli... —
Der Alte unterbricht ihn:
„Du morgesternverflogen Erdechind,
Meinsen echt, mer wüsse hielands au nit mehr
As wie der Föhreli us der Geography?
Wie goht's denn z'Karlisrueh?"
Wie horcht da das Erdenkind auf und erzählt —
vo dr sufre, glatte Hauptstadt mit viel gschtu-
dierte Here un Wibervölcher im „ Stahlreifvogel-
chefiroch". Und das Gespräch geht zwischen den
beiden hin und her über das Heimweh nach dem
Oberland, Lörrach, Schöpfe un am waldige Feldberg
. Von Handel und Wandel und „vo der Ise-
bahn, wo überall dure dämpft", von der Wiese
und ihrer wilden Schwester, der Wehra.
„Durst hen se au, gottlob no kein z'erlide!
Denn z'Lörrech vorn und im Markgrövlerland
Was meinsch, wie's in de Chellere jetzt bstellt isch?
Dort lit e Wi... hei, tausigsappermost,
Me schnuft jetz nümme viel vom Vieredrißger,
Der Siebenefufzger goht no über 's Baumöl!
Der het e Füür! Blitztusig! D'Sunne chönnt er
Illuminiere, wenn si nit scho hell wär,
D' Planete chönnt er us der Bahn werfe,
Un alli Fixstern wacklifacklis mache,
Witt au dervo? 's gäb scho! De bruuehsch mer numme
e regelmäßgi Engelfahrpost anz'geh,
Der Blankehorn vo Mülle schickt e Fäßli."
Über dem „dischkeriere" verklärt die aufgehende
Sonne alles mit Duft und Glanz, und fernher
hört man die Kinder wieder singen:
„Dort chunnt si scho, was hani gseit
In ihrer stille Herlichkeit!
Si zündet ihri Strahlen a,
Der Chilchturn wärmt si au scho dra,
Un wo sie fallen in Berg und Tal
Se rüehrt si 's Leben liberal."
Wie der Greis jetzt still seine Hände faltet, und
der Träumer sein Gesicht betrachtet, kommt es
ihm bekannt vor und immer bekannter.
„ —" Und 's überlauft mi warm. Tusig Gottswill!"
so rüef i, „'s wird nit sy? stoht nit bym Schloß
vo Karlisrueh im schattedunkle Garte
en isern Denkmol, — 's treit e goldig Brustbild?
Hani as Chnab nit oft dort g'spielt und g'frogt:
Wer isch der Ma mit siner edle Stirn,
Sim chruse Hoor, sim Lächlen um der Mund?
Sin seil nit Eui Züg? Isch nit der Gsang
Den selli Chind dort singen au vo Euch
Und sind Ihr nit der Johann Peter Hebel?"
Do winkt der Greis und lächlet fin und seit:
„'s cha sy, 's cha sy... denk wohl i binen gsi,
doch isch's mer jetz, wenn i dort abe lueg,
Just, wienis früeher selber bschriebe ha:
Lueg, dort isch d'Erde gsi und seile Berg
Het Belche gheiße... nit gar wit dervo
Isch Wisleth gsi, dort hani au scho g'lebt
... un möcht jetz nümme hi...! Verstohsch mi au?"
„Un weiß me öbbis dunte no vo mir?"
Und da bricht's aus dem Träumer hervor, in
Begeisterung und Liebe. Vom Feldberg und von
der Wiese, von den Maidli und Buebe, wenn sie
abends beim Lichtspan sitzen, und 's Marei sait:
„Verzell is näumis, Ätti". Vom „zarte Haber-
chörnli, vo der verborgene Offebarig", wo in
Feld und Wald, in Felsen und Bächen lebt, von
den guten Schwarzwaldgeistern, die Hebel in
ihrer Sprache — ihri ghaime Sache zuegflüsteret
hän, vom Irrgeist un vom Puhu —
„Weger, 's het Grund, aß wemmen uffem Wald
Jetzt in e Stube goht, uf's Brettli wist,
wo 's Husarchiv un d'Büecherei verwahrt stoht,
— Links ob der Tür — un frogt: „Was hender do?"
Der Husher seit: „Mi Biblen un mi Hebel!"
Und seine Rätsel, seine Hausfreundgeschichten,
das Schatzkästlein, voll von geschliffenen Edelsteinen
, Kanitverstan, der Zundelheiner und der
Zundelfrieder, alle Gestalten werden lebendig
vor den beiden. Zuletzt bittet der Gast auf dem
Morgenstern den Greis:
„Jo weger, Meister! chumm mit abe!
Seil gäb e Freud f Me trüeg di uf de Hände
Dur's badisch Ländli dure ■— "
„Und in der Heimet! ... nei, was glaubsch, aß d'sähsch?
Was glaubsch, wem rüstet si 's ganz Oberland
Am zehnte Mai zuem Fest un Ehretag?
Wem gelte d'gschmückti Hüser, d'Böllerschüß?
D'Musik un d'Fahne, d'schwarzi Fräck, de Chilchgang?
Meinsch, 's sig e Schillerfest? De wursch di schnide!
Me chennt au andri Lüt... heh! 's wird scho chnalle
Daß d' Ohre chlinge, piff un paff un puff!
Und merke würsch, öb men an Hebel denkt!"
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