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So sprach der Träumer, und der Geist auf dem
Morgenstern gibt ihm die Hand und bittet:
„Schwig un mach mer 's Herz nit schwer, doch
wenn de heimschribsch, meld, i loß es grüeße —
„Und wenn eis früeih am zehnten oder ölften
an Himmel luegt un sieht der Morgestern
In stärcherem Glanz un schier unruehig funkle,
Se isch's e Schi, er chunnt us üsrer Heimet —
Es isch mi Dank» Der Hebel segnet Euch!"
Und fort ist er. Der Träumer wacht auf unter
den rauschenden Baumkronen am Chiemsee,
reibt sich die Augen und schreibt den Festgruß
an „sini liebe Here z'Schopfe".
Hundert Jahre sind darüber vergangen, und
wieder steht dem Wiesental, diesmal „z'Huse,
nit z'Schopfe", das große Fest bevor, und wie
eh und je, lebt Hebels Geist im ganzen alemannischen
Land. Unvergänglich ist sein Werk, das
Kleinod, das in Herz und Mund seines Heimatvolkes
wie der helle Morgenstern glänzt.
Jm fjebel fy f)dge
Im Aug e fründli Mahne un e Lobe
Macht alles guet, so güetig luegsch aim aa,
Hesch gwüßt, wie d Fremdi schwer un leer sii cha,
E stille Ernst isch fiin un Iiis verwobe;
Bym Chinni sieht me s, ring isch s füregschobe,
E munzig Rünzeli aber ehnedra
Lacht haiter, muesch e bsundre Gfalle ha,
So froh bisch, wyl de helfe cha'sch un gobe;
Im Bschaue wird me still, verstuunt e Rung,
Hochufe goht dy edle Stirneschwung,
Es isch e wunderaige schön Gedicht,
Lind überstrahlt e liebe Glast dy Gsicht,
Goht uus in d Welt un segnet s Land am Rhy,
Es isch dy Herz, drum goht s in d Herze ii.
Hubert Baum
f>ebel lebt
@in &p\tl um //^annituerftan77/ bargeboten von 5er ©djule 2?rifeingen
Hebel lebt. Dies scheint eine merkwürdige
Feststellung zu sein. Ist damit nicht eine Selbstverständlichkeit
ausgesprochen? Gerade im Jubiläumsjahr
Hebels, da man landauf und landab
Komiteesitzungen abhielt, um Ehrungen und
Festlichkeiten zu beschließen? Gerade in dieser
Zeitschrift des Hebelbundes? Feste verrauschen,
Reden verklingen. Damit ist nichts Entscheidendes
geschehen, wenn sie nicht Ausfluß einer
dauernden Haltung sind.
Hier, in einer Markgräfler Dorfschule, in den
Herzen der Kinder und ihres Lehrers lebt Hebel.
Es sind nicht auswendig gelernte, gedruckte
Worte, die nur der Mund plappert. Es sind
schlichte, kunstlose, aber aus dem Erlebnis heraus
selbst geschaffene Worte. Sie spricht das
Herz. Sie sind in ihrer ganzen Bedeutung für
die Kinder unvergeßlich.
Hebel hat den Menschen in seiner Schwäche
sehr real gesehen. Er hat ihn nicht verzuckert
und nicht verzerrt. Er hat in seinen Kalendergeschichten
mit den einfachsten aber gültigsten
Sätzen die Situation umrissen. Nicht wegen der
ganzen Hebel-Geschäftigkeit, die so oft nur eine
Hebel-Müdigkeit im Gefolge hat; wegen dieses
Spiels der jungen, lautern Herzen wage ich es
zu sagen: Hebel lebt! K. Sch.
Vorbemerkung des Lehrers:
Die Schulschlußfeiern bilden den Höhepunkt
der Jahresarbeit unserer Dorfschule. Wir stellen
sie stets unter ein Leitwort. Vor drei Jahren
hieß es: „Stimmen der Heimat". Wir brachten
damals Gedichte von Burte, Wolfsberger, Niefen-
thaler und Träris. Den Mittelpunkt des Abends
bildete unser Stegreifspiel „Kannitverstan". Es
war uns aus dem Unterricht erwachsen und von
Schülern und Lehrer zusammen in die nachfolgende
Form gefaßt worden. Fritz Wolfsberger,
der so gern unter der Jugend weilte, und Fritz
Träris, unser Dorfpoet, waren zu uns gekommen.
Ernst Niefenthaler, den Dichter und Bauern aus
Bürchau, besuchten wir im folgenden Sommer
in seiner Bergheimat. Unvergeßliche Stunden!
So natürlich, wie uns das Stücklein zugewachsen
war, wureje es gespielt, ganz ohne große
Ausstattung, aber mit großer Hingabe. Die Villa
und der Hafen bestanden nur in der Illusion.
Unser damals einziger Achtkläßler spielte den
Handwerksburschen — und er machte seine
Sache ausgezeichnet.
Mögen manche Kritiker Mängel finden. Gewiß
, es ist nicht gedrechselt und gedeichselt.
Aber das Wesen des Wahren ist Schlichtheit und
Einfachheit.
«Kannitverstan»
Ein Stegreifspiel nach der Kalendergeschichte
von Johann Peter Hebel
Ort: Amsterdam
1. Szene: Vor einem reichen Handelshaus
2. Szene: Im Hafen
3. Szene: In der Herberge
Personen: Ansager
Handwerksbursche Jerg Koger aus Vögisheim
Handwerker, holländischer Seemann
Bedienung in der Herberge zur Heimat
Vorspiel (vor dem Vorhang gesprochen):
Ansager:
I grüeß euch Eitere,
grüeß euch Chinder,
alli do vorne
un die dort hinte;
ich heiß willkumm euch alli z'semme
un freu' mi, daß so vieli hüte chömme!
Ihr sehn uf dr Bühni gern so Sache,
drum hemer halt öbbis müesse mache,
's isch e Stückli vu unserm Hebel.
Für menggi tucht do us em Nebel
der Zundelfrieder oder sunst e Figur,
dr Bettelmaa oder e alte Buur,
so ein, wo gern si Pfiffli schmaucht,
mit Andacht no si Chlobe raucht,
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