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sorgt, — die Wirte hatten die Festmähler gerichtet
, die Eintrittskarten zu den verschiedenen
Veranstaltungen waren verkauft und die Festgewänder
schon frisch gebügelt bzw. gestärkt.
Nichtsdestoweniger wären die Vorbereitungen
noch weiter gegangen — dergleichen Vorbereitungen
haben es ja an sich, nie zu Ende zu
kommen, es sei denn durch den Böllerschuß, der
den Festzug ankündigt —, wenn — ja wenn
nicht einfach der Kalender fortgerückt wäre und
eines schönen Tages die vor vielen Monaten angesetzten
Termine plötzlich auf dem nächsten
Blatt gezeigt hätte. Und damit war es denn einfach
soweit: Der große Tag, die großen Tage
waren da.
Für die Müllheimer schon etwas früher als
für andere Markgräfler. Die Müllheimer wollten
neben der Teilnahme am Hausener Zentralfest
ihr eigenes Fest haben und setzten dieses auf
den 6. Mai, einen Sonntag, an. Bis zum 10. Mai,
wo das Zentralfest stattfinden sollte, konnten sie
also nicht nur wieder ausgeschlafen, sondern sich
auch wieder neu vorbereitet haben. Das Ausruhen
zwischen den beiden Festen war gewiß
auch nötig, denn man hatte es sich in Müllheim
mit dem eigenen Fest nicht leicht gemacht, wie
das Programm ausweist. Sehen wir einmal zu,
was Müllheim am 6. Mai 1860 alles zur Feier
Hebels ins Werk zu setzen gedachte; das im
„Oberländer Boten" Nr. 52 vom 2. Mai 1860 abgedruckte
Programm weist, stattlich genug, zwölf
ausgedehnte Punkte auf:
Am Vorabend sollten 25 Böllerschüsse „das
Nahen des Festes" verkünden; am andern Tag,
V2II Uhr versammelten sich die Teilnehmer, die
Schuljugend mit ihren Lehrern in den Schulsälen
, die erwachsenen Teilnehmer im Saal des
Bezirksstrafgerichtsgebäudes. Um 11 Uhr setzte
sich der Zug in Bewegung, und zwar in dieser
Reihenfolge:
a) die Schüler der Volks- und höheren Bürgerschule
mit ihren Lehrern;
b) die Freiburger Militärmusik;
c) die Gesangvereine von Buggingen, Oberweiler und
Müllheim mit ihren Fahnen und die Schützengesellschaft
von Müllheim mit der Fahne;
d) die Büste Johann Peter Hebels, getragen von vier
jungen Männern und umgeben von 24 Jungfrauen
in Markgräfler Tracht;
e) das Festcomite;
f) die Beamten und Angestellten der hiesigen Staate-
steilen;
g) der Gemeinderath mit dem kleinen und großen
Bürgerausschuß;
h) die übrigen Festteilnehmer.
Und wie ging der Festzug und das Fest nun vor
sich? Der Zug bewegte sich
„die Neuestraße hinunter, durch die Kaffeegasse, der
Hauptstraße nach auf den Marktplatz, wo die Hebelbüste
aufgestellt und von den Jungfrauen im Halbkreis
umgeben"
wurde. Die Zugteilnehmer hatten sich in einem
Halbkreis der Tribüne mit der Hebelbüste gegenüber
aufzustellen, wobei die Musik und die Gesangvereine
in die Mitte genommen wurden. Als
alles stand, gab es ein Musikstück zum Beginn,
dann wurde das Lied „Ne Gsang in Ehre" vorgetragen
. Dann folgte die Festrede des Diakonus
Dr. Freiburger in Müllheim.
Diese Rede des Dr. Freiburger ist der Nachwelt
gedruckt erhalten; sie erschien noch im
Jahre 1860 bei Friedrich Gutsch in Karlsruhe,
ein Heftchen von 14 Seiten (Festrede, gehalten
bei der 100jährigen Geburtstagsfeier J. P. Hebels
auf dem Marktplatze zu Müllheim von Diaconus
Dr. Freyburger). Der Redner hat — wie das seit
Ciceros Zeiten der Redner Sitte ist — seine Rede
zum Zweck der Verbreitung, in seinem Falle
zum Druck, sicher noch etwas frisiert und dem
Schriftdeutsch angeglichen; aber selbst im Druck
zeigt sie noch sehr genau, daß Freiburger sich
kräftig um einen volkstümlichen Ton bemüht
hat, — in der Sprache schon, aber auch in der
Auffassung seines Themas. Er begann mit recht
kriegerischen Tönen, gemäß der damaligen politischen
Lage mit ihren europäischen Spannungen
zwischen Österreich, Frankreich, Italien,
Preußen. Auch die religionspolitischen Spannungen
in Baden selbst wurden kurz gestreift und
dem allem gegenüber festgestellt, daß auf dem
Hebelfest
„noch ein neutraler Boden (sei), wo sich Freund und
Feind, Katholik und Protestant die Hand reichen
dürfen..."
Nach dieser Einleitung zeichnete Dr. Freiburger
das übliche, auch heute noch nicht durchaus und
allenthalben berichtigte verklärte Bild des Lebens
und Wirkens Hebels. Ausführlich wandte er
sich den Alemannischen Gedichten des Gefeierten
zu und führte dabei zwei Zitate aus zeitgenössischen
Rezensionen an: zuerst ein längeres
, rührend-romantisches aus der Feder Jean
Pauls, das sich sehr lobend und begeistert über
die Gedichte ausspricht, — sodann aus der bekannten
Rezension Goethes leider nur einen einzigen
Satz. Zum Schluß empfahl Dr. Freiburger
in einem rechten Appell an das „Oberländer
G'müth", das er eingangs ausdrücklich angesprochen
hatte, die eifrige Lektüre der Alemannischen
Gedichte und endete schließlich in einem
mundartlich gesprochenen, Hebel selbst in den
Mund gelegten Dank des Gefeierten; doch vergaß
er nicht, das Hebersche „Merk's" anzuhängen
und mit Hebelworten so zu formulieren:
„So jetzt b'hüeti Gott der Her und vergiß nit,
was i dir g'sait ha!"
Indessen sind wir damit den Ereignissen vorausgeeilt
; wir haben es ja vorerst lediglich mit
dem Programm zu tun. Immerhin dürfen wir
auch an dieser Stelle unseres Berichtes bereits
hoffen, die Müllheimer Festteilnehmer von 1860
möchten der Rede ihres Diaconus würdig gelauscht
haben und nicht ungeduldig geworden
sein. Denn sie hatten noch einige Programmpunkte
vor sich: Nach dem Fest Vortrag folgte
der Vortrag des Festliedes „Hochgefeiert, hochgepriesen
", das ein Müllheimer, Karl Muser, gedichtet
hatte. Während des Gesanges sollte di£
Hebelbüste durch die Jungfrauen bekränzt werden
. Im nächsten Programmpunkt kam dann
Hebel selbst zu Wort: Karl Muser trug Hebels
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