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Gruppe des Festzuges bildeten und sich Hebels
Gedichte auf einem Kissen vorantragen ließen.
Der Zug ging zunächst zum Sängelewäldchen,
wo die Jugend ihren Festplatz hatte und blieb,
während der übrige Zug zur Hebelhöhe weiterging
, die man einweihen wollte. Dort wurde
dann eine Hebelbüste bekränzt, Reden gehalten
und Lieder gesungen. Um 11 Uhr war der Zug
vom Lindenplatz aufgebrochen, um 1 Uhr war
der offizielle Teil zu Ende und es begannen die
Lörracher Schützen, die mit ihrer Fahne mitmarschiert
waren, das
„Preißschießen mit glatten Läufen, sowie die Preiskegelspiele
". Gleichzeitig vergnügte sich die Jugend
auf ihrem Platz damit, Lieder und Gedichte von
Hebel vorzutragen und „Jugendspiele aller Art" zu
treiben.
Auch anderswo wurde das Hebeljubiläum begeistert
begangen. Lörrach stand natürlich
auch nicht zurück. Seine „Festordnung", abgedruckt
in Nr. 54 des „Oberländer Boten" (vom
7. Mai 1860), weist aus, daß man in Lörrach am
Vorabend des 10. Mai „Freudenfeuer" auf den
Bergen entzündete, am 10. Mai am Hauptfest in
Hausen teilnahm und am 13. Mai in Lörrach
selbst eine Feier hatte; sie bestand vor allem in
einem Festzug, der sich zum Schützenhaus bewegte
, wo die Festrede gehalten und Lieder
gesungen wurden.
Wie aus einer kurzen Notiz in Nr. 60 des
„Oberländer Boten" hervorgeht, hatte auch aus
Grenzach jemand einen Bericht über das dortige
Hebelfest eingesandt; die Zeitung druckte ihn
aber nicht ab, weil sich die Redaktion auf Berichte
über das Hauptfest beschränken wollte.
In Nr. 57 der gleichen Zeitung wird immerhin
summarisch von Hebelfesten in Heidelberg, Freiburg
, Ettenheim u. a. berichtet; selbst das von
Karlsruhe wird nur im Hauptpunkt erwähnt,
nämlich folgendermaßen:
In Karlsruhe war das Standbild im großherzoglichen
Schloß garten, wohin während des ganzen Tages
große Scharen pilgerten, schon am frühen Morgen
des 1. Mai reichlich mit Blumen verziert, selbst
Se. Königl. Hoheit der Großherzog und Höchst-
dessen Gemahlin legten eigenhändig einen wunderschönen
Kranz an demselben nieder. Nicht allein
das Lyceum, dem der Verewigte als Lehrer 34 Jahre
und als Vorstand 6 Jahre angehörte, sämtliche Lehranstalten
der Residenz feierten den Gedächtnißtag
auf würdige Weise. Auf Festessen folgten im Theater
Festvorstellungen...
An Äußerungen besonderer Art aus dem Alemannenland
sind folgende zu verzeichnen: In der
oben erwähnten Zeitungsnummer wurde ein
Hebelgedicht aus Lahr, verfaßt von J. G. Meyer,
eingerückt; es enthält acht Strophen gänzlich
nichtssagender Festpoesie, darin die „Schäumenden
Festpokale" sich mit dem Lob der deutschen
Sänger abwechseln. Der Name Hebel kommt nur
einmal, in der letzten Strophe, vor und ist auch
dort mit jedem beliebigen anderen Namen eines
zu Feiernden vertauschbar — so wenig spricht
das ganze Machwerk von Hebel.
Da war ein anderes Gedicht schon origineller,
das man in Nr. 62 des „Oberländer Boten" (vom
25. Mai 1860) lesen konnte. Es ist im Straßburger
Dialekt geschrieben und hat den Titel: „Die
III an die Wiese". Trotz seiner Länge — es
nimmt mit seinen verschieden langen Knittelvers-
Strophen doch gut anderthalb Seiten der allerdings
kleinformatigen Zeitung ein — liest es
sich sehr unterhaltend. Zuerst wird die Wiese
angesprochen:
Gott Grüeß di, Schwester üewwrem Rhin!
Wie strahlst de hit im Sunneschin!
Us dine blöüe Aüe lacht
E Freud, wie wenn m'r Hochzig macht...
Dann kommt der Verfasser auf den Feiertag und
seine Ursache: Hebel. Ein knapper Abriß von
Hebels Leben beginnt so:
Wer hätt's gedenkt vor hundert Johre?
Gar arm isch's Peterle gebore:
Ze Basel, bi'm Herr Iselin,
Sinn Dienstlit sini Eltre gsinn.
Ze Hüse im e kleine Stüewwel
Isen ufgewachse unser Büewel...
Und so fort dem Lebenslauf und der Ämterlaufbahn
Hebels nach, die aber der Gedichtverfasser
nicht darin gipfeln läßt, daß Hebel Prälat wird,
sondern darin, daß er dekoriert wird:
Mit Sterne wurd sin Brust geziert,
Daß d'Schildwacht vor em präsentiert...
Dann wird weiter die Wiese angeredet und ihr
Lauf betrachtet. Auch der Rhein rückt ins Blickfeld
und damit die Trennung des alemannischen
Volkstums durch die Rheingrenze. Doch die III
spricht — in Anspielung an die von der Mark-
gräflerischen doch etwas verschiedene Straßburger
Mundart —:
Gell, Wiese, de verstehst mi doch?
Mer sin jo gueti Nöchbre noch,
Mer singe ditschi Lieder hiwwe
Am Rhin, wie unsri Brüeder driwwe.
Ganz reizend wird dann die Beziehung Hebels
zum Elsaß und zu Straßburg geschildert und
daran ganz natürlich das Hoch auf den Dichter
angeschlossen:
Der Hebel selbst, der herrli Mann,
Isch zue es kumme dannetwann;
Ze Stroßburj haw i ne-n-als gsehn
Zue sine guete Fründe gehn,
Zuem Vetter Daniel noch emol,
Kurz vor sim Tod, — 's gedenkt mer wohl.
Am Drescher bin i just geloffe
Unn lüster, d'Fenster sin grad offe,
Wie sie mit 'nander dischkeriere
Unn hoch iehr Fründschaft Ion floriere.
Unn z'Owe haw i ne noch gsehn
Am Fischerstade, Kehl zue gehn,
Mit sine kleine Schelmenaüe
So hell unn fründli' um si schaue.
Doch bleich sinn sini Backe gsinn
Unn d'Hoor so kridewiß unn dünn.
I ha gedenkt: leb wohl, leb wohl,
I sieh di hit zum leschdemol.
Doch nein, er lebt jo ewi furt,
Mer fiere hit jo sin Geburt:
In sine Liedre lebt er noch,
In unsre Herze leb er hoch!
Mülhausen -/-r.
Mit diesem Gedicht möchte der Chronist seinen
Bericht darüber, wie man 1860 im Markgräfler-
land und anderswo den Hebelgeburtstag beging,
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