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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1960-05/0011
eine im Jahre 1802 erneut angeforderte Stellungnahme
, die sich ausschließlich mit der
Spatzenfrage beschäftigt, entwickelt dieselben
Gedanken.

Die Erkenntnis von der Harmonie in der
Natur, die durch den Menschen nicht ungestraft
gestört werden darf, ist unbedingt gültig, Je
mehr aber durch die fortschreitende Zivilisation
Eingriffe teils unvermeidbarer, teils aber auch
vermeidbarer Art bereits geschehen sind, ist die
Störung des Gleichgewichts leider vollzogen, un4
es wird zur Aufgabe des Menschen, die unterbrochenen
Funktionen selbst zu übernehmen.
Einen der unglücklichsten und folgenschwersten
Eingriffe stellt aber die Vertreibung der Singvögel
dar.

Da man endlich zu einem klärenden Entschluß
kommen mußte, gab man sich in Karlsruhe
die Mühe, sich aus sämtlichen bis dahin
vorliegnden Akten einen Uberblick über den
augenblicklichen Stand der Angelegenheit zu
verschaffen. Man stellte fest, daß beim Oberforstamt
Karlsruhe im Jahre 1794 12 126, beim
Oberforstamt Kandern 1882, bei den Ämtern
Hochberg und Pforzheim 6507 und 4594 Spatzenköpfe
abgeliefert worden waren. In den zurückliegenden
zehn Jahren hatte sich in Karlsruhe
die Ablieferung um 2112 Stück vermehrt, in
Kandern dagegen um 7532 Köpfe vermindert.
Als Ursache nahm man an, daß in der Umgebung
von Karlsruhe sich die Spatzen — den
frisch ausgestockten Feldern entsprechend —
^vermehrt hätten, in Kandern aber „das Geschwärme
" außerordentlich zurückgegangen sei.
Schon 1787 hatte man aus diesem Grunde die
Gemeinden Feuerbach, Sitzenkirch, Otlingen,
Raitbach, Schopfheim, Wiechs, Dossenbach, Tegernau
, Marzell, Hügelheim, Laufen und Wolfenweiler
von der Lieferung befreit. Dazu können
wohl noch mehrere andere Gemeinden gezählt
werden, die sich aktenmäßig nicht feststellen
lassen.

Die Oberforstämter Hochberg und Pforzheim
hatten schon seit zehn Jahren keine Register
über die Naturallieferungen mehr eingesandt.
„ ... sondern es haben die Verrechner nur den
Geldbetrag von ihnen nicht in natura gelieferten
Köpfen in Rechnung gebracht". Es hatte sich bei
den Ämtern wie bei der Bevölkerung die Meinung
gebildet, es handle sich um eine neue verkappte
Steuer oder um ein herrschaftliches Regal
. Im ganzen Lande aber warf das Spatzenkopfgeld
nicht mehr als 8—10 Gulden ab. In
Emmendingen war inzwischen ein weniger eifriger
Forstverwalter eingezogen. Er schrieb, man
möge die Angelegenheit mit den Spatzenköpfen
der Polizei übertragen; das Fortsamt habe logischerweise
mit dieser Sache nichts zu tun, da die
Spatzeh den Waldungen weder Schaden noch
Nutzen zufügen würden.

Es bildeten sich zwei Parteien heraus: die
eine schwor auf die Schädlichkeit der Sperlinge,
die andre auf deren Nützlichkeit und in diesem
Zusammenhang auf den Geiz und die Mißgunst
der Bauern. Auf erstere Seite stellte sich ein

ober jägermeisterliches Gutachten, auf letztere
vor allem ein neuerliches Gutachten von Dr.
Kölreuter und Dr. Gmelin. v. Gensau sprach in
seinem Schreiben an Serenissimo etwas abfällig
von ihnen als von „mehreren Naturkündigen".
Er gründete seine Angaben genau wie jene auf
Beobachtungen und erklärt: „Gewöhnlich aber
sind die Saatfrüchte die Lieblingskost des Sperlings
, und zu ganzen Legionen fallen diese Vögel
in Fruchtfelder ein, wo sie nach der allgemeinen
Klage des Landmanns einen Schaden verursachen
, der sich in seinen Folgen nicht berechnen
läßt." Er besteht auf einer Erneuerung der
Verordnung von 1714 und fordert, daß die ersatzweise
abzuliefernden zwei Kreuzer nicht als
ein Regale, sondern ausdrücklich als Strafe
anzusehen sei.

Die Rentkammer stellt sich in ihrer Sitzung
vom 22. 1. 1802 nicht unbedingt auf die Seite
des Oberforstjägermeisters. Sämtliche Oberämter
und Orte werden aufgefordert, ihre Meinung zu
äußern.

Von den eingegangenen Berichten sprachen
sich alle ausnahmslos gegen die Sperlinge aus.
Das Oberamt Müllheim lehnte die ersatzweise
Zahlung von 2 Kreuzern ab und möchte jeden
Untertan zur Ablieferung der Spatzenköpfe verpflichtet
sehen. Bühl schlägt vor, jedermann zu
bestrafen, der Spatzen auf seinem Eigentum
nisten lasse. Mahlberg glaubt, die Ausrottung
dadurch beschleunigen zu können, daß für jeden
zusätzlich abgelieferten Kopf aus den eingegangenen
Geldern V2 Kreuzer Belohnung bezahlt
werde. Wer Köpfe von Singvögeln abliefere,
solle mit 2 Kreuzern pro Kopf bestraft werden.
Rastatt führte die Berechnung eines alten praktischen
Oekonomen namens Peter Kretschmann
an, der behauptete, „daß in einem Land, so aus
100 Städten und 4000 Dörfern bestehet, und
wann man auf jede Stadt 1000 und auf jedes
Dorf jährlich 100 Sperlinge rechne, solche einen
Schaden von 4 400 000 Thalern verursachten".
Durch diese Berechnung angefeuert, forderte
Rastatt ein Generaledikt zur Vernichtung der
Spatzen. Es muß mit den Spatzenköpfen
nicht immer sehr ehrlich zugegangen sein, denn
v. Adelsheim hält es für nötig, diese sofort in
Gegenwart des Bürgermeisters zu verbrennen,
um Unterschleife zu verhindern. Das Schießen
müsse aber unter schwere Strafe gestellt werden
. Der Verwalter des Gutes Gottsau benutzte
die Gelegenheit, um einmal seine Arbeitsüberlastung
vortragen zu können. Er schreibt: „Es
ist mir, dem Verwalter, seitdem mir der hiesige
Dienst gnädigst anvertraut ist, soviel Muße noch
nicht geworden, naturhistorische Beobachtungen
in Bezug auf Landökonomie und darunter auch
nähere Prüfungen in Betreff des Nutzens und
Schadens der Spatzen oder Sperlinge anzustellen
. Ich habe diese Lücke in meinem jetzigen
Geschäftskreis schon oft lebhaft gefühlt, dem-
ungeachtet sie aber leer lassen müssen, weil die
hiesigen starken Rechnungsgeschäfte, welche
noch durch verschiedene Verhältnisse mühsamer
wurden, meine ganze Anstrengung und Aufmerksamkeit
erforderten und mir seither bloß
den Wunsch gestatteten, in der Folge günstigere

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