Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1960-05/0012
Umstände eintreten zu sehen, um auch dieselbe
zu höheren Zwecken verwenden zu können".

Um so ausgiebiger mußte Kammerassessor
v. Münzesheim sich diesen höheren Zwecken widmen
und für das fürstl. Hofrats-Kollegium alle
geäußerten Ansichten gewissenhaft zusammentragen
. Gleichzeitig bürdete er diesem Kollegium
die Last der Entscheidung auf: „Dem höheren
Ermessen eines fürstl. Collegii stelle nunmehr
gehorsamst anheim, welcher Vorschlag gebilligt
oder was für Maßregeln genommen werden
wollen".

Bevor das Kollegium zu einem Entschluß
kam, forderte es Dr. Kölreuter und Hofrat Dr.
Gmelin erneut zur Stellungnahme auf.

Die Ansicht Dr. Kölreuters ist uns aus seinem
ersten Gutachten von 1796 bekannt; sie hat
sich nicht geändert. Er weist wieder „auf seine
nähere Einsicht in das Ganze der weisen
Ökonomie der Natur" hin, während er die andre
Seite nur in „Simri und Scheffeln" rechnen sieht.
Empört weist er die vorgeschlagenen Methoden
zurück. „Der unmoralische Vorschlag des Oeco-
nomie - Verwalters Pittius zu Bühl, der dieses
barbarische und schindermäßige Geschäft gern
der heranwachsenden Jugend, gegen V2 Kreuzer
Belohnung pro Kopf, auf gut türkisch aufgetragen
wissen möchte, würde in Hinsicht der schädlichen
Folgen, die nothwendig daraus entstehen
müßten, derselben den größten Nachtheil bringen
. Man kann wahrlich nicht frühe genug anfangen
, die Jugend zu feineren Gefühlen und zu
edleren und nützlicheren Beschäftigungen, als
das Spatzenwürgen ist, anzuführen, wenn mit
der Zeit nicht rohe, eigennützige und unwissende
Menschen daraus werden sollen".

Dr. Gmelin ließ sich mit seinem Gutachten
etwas länger Zeit, lieferte dann aber auch eine
umfassendere Arbeit. Er geht nach wissenschaftlicher
Methode vor und gibt zuerst eine Beschreibung
der Sperlinge, ihre lateinische Namen
und ihre Lebensgewohnheiten, darauf berichtet
er über die Einstellung andrer Länder zu dieser
Frage. In England, Holland, Schweden, Preußen,
Sachsen und in mehreren andern deutschen
Ländern habe man das Vertilgungssystem aufgegeben
und habe statt dessen geradezu das entgegengesetzte
eingeführt. Er zitiert einen englischen
Landwirt namens Bradley, nach dessen
Beobachtung ein einziges Paar Sperlinge in jeder
Woche seinen Jungen 3360 Raupen, Larven und
Schmetterlinge brachte. Ein deutscher Landwirt,
Joh. Math. Bechstein, schrieb 1792: „Wo die
Haussperlinge in großer Menge vorhanden sind,
da werden sie gleich wohltätig und schädlich; wo
sie aber in mäßiger Anzahl wohnen, sind sie
mehr nützlich als schädlich; dies ist das Resultat
ihrer Schädlichkeit und Nützlichkeit nach vieljähriger
Beobachtung!" Er wendet sich gegen das
unsinnige Aushauen der Hecken, das ebenso
stumpfsinnig auch heute noch ausgeführt wird,
mit den gleichen Folgen wie damals. „Man besuche
die Waldungen, die Wiesen, die Felder,
die Gärten, wo sind die Vögel hingekommen?
Wo sind die so nützlichen Eulen, Falken, Raben,
Krähen, Heheren, Neuntöter, Spechte, Emmer-

linge, Finken, Lerchenarten, Grasmücken, Nachtigallen
etc. etc.? Sie sind nicht allein durch
oben bemerkten Unfug, sondern vorzüglich noch
durch die strengen Winter und den tiefen, anhaltenden
Schnee des vorigen Winters, wo viele
tausend durch Kälte erstarrt und aus Mangel an
Nahrung zugrunde gegangen sind, auffallend
vermindert worden — viele derselben suchten
ihre Rettung in Städten und Dörfern bey ihren
Beherrschern, den Menschen, wo sie statt aufgefrischt
, genährt und getränkt zu werden, meist
den Tod fanden.

Unter diesen Umständen dörfte es dringend
seyn, eigene höchste Landesedicte ergehen zu
lassen, die Vögel allesamt.. . ohne Ausnahme zu
schonen und bestmöglichst zu hegen, wodurch
der Landwirthschaft, der so einträglichen Obstkultur
und vorzüglich den Forsten aufgeholfen
wird.

Der so verdorbenen rohen Schuljugend bringe
man, so wie es die natürlichen Gesetze und die
heilige Schrift fordern, feinere Gefühle für die
so wohlthätigen Geschöpfe Gottes bey! — der so
weise Gesetzgeber Mose sagt in seinem 5ten
Buch, Cap. 22. Vers 6: Wenn du auf dem Wege
findest ein Vogelnest auf einem Baum oder in
der Erde mit Jungen oder mit Eyern, und daß
die Mutter auf den Jungen oder auf den Eyern
sitzt: so sollst du nicht die Mutter mit den Jungen
nehmen!"

Die Klage, die Sperlinge würden in Scheuern
und Fruchtspeichern größten Schaden zufügen,
weist Dr. Gmelin mit dem Hinweis auf den
schlechten Zustand der verwahrlosten Lagerplätze
ab. „Wegen unverantwortlicher Nachlässigkeit
der Speicher und Scheunenbesitzer
Capital-Strafen über die Sperlinge zu verhängen
, wird kein Sterblicher gutheißen oder rechtfertigen
können". Er beweist immer wieder eindringlich
mit Zahlen und Beispielen seine These.

Nunmehr trat am 11. 9. 1802 die Rentkammer
zusammen. Es wird im Protokoll noch einmal
alles erfaßt, kein Umstand, kein Vorschlag,
keine Kritik wird übergangen. Dem Hofrats-
Collegio war dadurch eine Entscheidung keineswegs
erleichtert, es stand der Sache vielmehr
unentschlossen gegenüber. Das Oberamt Röteln
wurde angewiesen, sämtliche Orte seines Bereiches
um ihre schriftliche Stellungnahme zu ersuchen
und diese direkt einzureichen. Man wollte
die Meinung der Front hören. 44 schriftliche
Stellungnahmen liegen vor. Davon sprechen sich
31 dafür aus, die Verordnung beizubehalten.
Welmlingen und Riedlingen sind sogar für eine
Erhöhung der Ablieferungszahl; Efringen will
die Strafe auf 4 Kreuzer erhöht, der Nachbarort
Egringen sie vermindert sehen. Fast alle Gemeinden
fordern, man solle wieder erlauben, mit
Flinten auf die Spatzenjagd gehen zu dürfen.
Die Berggemeinden melden alle, man könne bei
ihnen die Verordnung aufheben, da es keine
oder nur sehr selten Spatzen gebe. Hierzu gehören
Tüllingen, Tegernau, Hasel, Malsburg, Vogelbach
, Marzell; Wies stellt fest, daß trotz zwanzigjähriger
Pause sich die Spatzen nicht vermehrt
hätten. Auch Wollbach ersucht um Schieß-

10


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1960-05/0012