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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1960-06/0006
Beim Uhrenschildermalen

daß die Häuser einigen Generationen Schutz vor
Unwetter und Kälte geboten haben. In einem
der Höfe, dem ältesten der Gemeinde mit dem
Baujahr 1523, lebt mit seinen Angehörigen Karl
Straub, Bürgermeister der kleinen Schwarzwaldgemeinde
Linach.

Gerade tritt der Gemeindediener aus dem
Seiteneingang ins Freie. Vielleicht gabs was
Wichtiges? Gemeinderatssitzung, Feuerwehrübung
Viehzählung, Hühnerpest oder ein Aufgebot. Wer
weiß. Neugierig wandert der Blick durch eines
der Fenster mit den schmalen Querscheiben.
Aber die Stube bietet nicht den erwarteten Anblick
von Amtszimmernüchternheit. Ein gemütlicher
Kachelofenriese mit umlaufender Sitzbank
teilt den niederen Raum in eine Wohn- und eine
Arbeitshälfte. Letztere entspricht ganz einer
kleinen Werkstatt. Und das ist sie auch. Alfred
Straub ist nämlich nicht nur das Gemeindeoberhaupt
von Linach, sondern auch ein zünftiger
„Uhrenschildermaler". Vielleicht einer der
letzten?

In Regalen und Gestellen stapeln sich helle
Holzscheiben verschiedener Größen. Einige sind
noch roh, andere schon grundiert oder -bereits
mit Ziffern versehen. Römische Zahlen, arabische
und — türkische, denn der Export von Schwarzwalduhren
ist schon bis in die fernen Länder des
Orients vorgedrungen. Die Zahlenkränze werden
von Straub mittels Zirkel und Lineal vorgezeichnet
und dann mit einem Marderhaarpinsel nachgezogen
. Darauf folgt die Bemalung. Ein Skizzenbuch
mit Entwürfen dient als Vorlage. In erster
Linie sind es Rosenmuster, die das Uhrenschild

ausschmücken. Rosen in
jeder Form und Farbe.
Einzelblüten oder zu
Sträußen gebunden, das
Uhrenschild umrankend
oder aus den Ecken
leuchtend. Einstmals, als
das Gewerbe der Schildermaler
noch verbreiteter
war, hatte jeder
Handwerker seine eigenen
Motive und Muster.

Eine Reihe von Musterstücken
ziert die holzgetäfelte
Bauernstube.
Darstellungen aus dem
bäuerlichen Alltag, Tiergestalten
und immer wieder
Blumenmuster sind
es, welche die Entscheidung
über das schönste
Stück schwerfallen lassen
. Als Vorläufer der
Kuckucksuhr findet sich
ein gemaltes Kuckucksschild
. Andere werden
von einem Sonnenrad
geschmückt oder tragen
Aufschriften wie „Dem
Glücklichen schlägt keine
Stunde" und „Der Zeiger
bleibt nit stoh, so soll's
auch mit dem Schaffe goh!" Die Muster künden
vom Geschmack und den Eigenarten der Käufer.
Straubs Uhrenschilder nahmen ihren Weg bis
nach Polen, Finnland und Spanien. Vor dem
ersten Weltkrieg gingen sie auch nach Rußland,
jedoch nicht bemalt, sondern mit Abziehbildern
versehen.

Die Kunst des Uhrenschildermalens wurde
von Generation zu Generation übernommen.
Schon der Großvater Straubs hat vor rund hundert
Jahren in diesem Erwerbszweig seinen
Lebensunterhalt gefunden. Von einem seiner
Ahnen existieren noch heute Tierfüllungs- und
Hinterglasmalereien, welche um 1700 geschaffen
wurden.

Hin und wieder muß Karl Straub von alten
Zeiten erzählen: aus seiner Kindheit, wenn an
langen Winterabenden die ganze Familie bei der
Heimarbeit beschäftigt war. Von den 7V2 Jahren,
die er später bei einer Uhrschilderfabrik im
nahen Furtwangen tätig war bis er 1914 ins
Feld zog. Wie er dann, — kaum aus der Gefangenschaft
im Jahre 1919 zurückgekehrt —,
wieder seine ersten Aufträge ausgeführt habe.
Er berichtet von der großen Absatzkrise des
Jahres 1930, die ihn zur Umstellung auf das
Bemalen der heute noch beliebten Spanschachteln
bewogen habe, vom unerwarteten Erfolg
nach der Ausstellung auf der Leipziger Messe,
die ihm allein im Jahre 1935 eine Bestellung aus
Kanada von 30 000 bemalten Spanschachteln einbrachte
, — ein Auftrag, der kaum zu bewältigen
war und sogar in Bernau, dem Ort der Spanschachtelmacher
, die Einstellung und das Anler-

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