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Hedwig Salm:
Ein Bleibendes
Alles duurhaft Groß
findsch nit uf der lute Stroß,
aber glii dernebe,
luegsch tief gnueg ins Menschelebe.
Sag nit, 's seig nüt wert,
d'Welt gliich imme Grümpelhuufe!
's weer kei Seel mit g'ehrt,
un wer chönnti do no schnuufe?
Nei — der Champf isch do,
viel würd glitten un verwunde.
Drum blibt 's Besser bstoh:
Alwyl gits no Sternestunde!
Wache Nachtstunde
Du bisch die Einzigi in der Gegnig,
by dir brennt 's Liecht, bym Nochber nit!
Der Schlof mißgunnt der hüt sy Bsegnig,
de chasch der Müeih geh wie de witt.
's isch 's best, du losch der Chummer fahre
wie schön isch d'Stilli zrings um's Huus! —
Lies no im Buech e Satz, e chlare
un lösch dy Lampe wieder uus.
Chasch no ne weng an d'Engel denke:
O gspür's — wie lit dy Acker brooch!
Der Himmel sott e Wort dri senke,
tief znacht goht's der no ehnder nooch...
reisenden Victor Hugos waren Einheimische, die wenig
Sinn hatten für die Reize der vertrauten Landschaft;
hier etwa, gegenüber dem Dichter, dieser kleine Alte,
der in Kleidern aus der Zeit Ludwigs XV. steckte und
sich über einen anderen Alten „in einem unglaublichen
Aufzug" lustig machte oder dieser Weingroßhändler mit
seinem breiten, aufdringlichen Lächeln und seinem
Backenbart „wie ihn die geschorenen Pudel haben". Die
Trachten der Landleute, die Fuhrleute neben hochrädrigen
Ochsenkarren und Maultiergespannen erinnern
den Dichter an bretonische Bauern. Aber lassen wir
Victor Hugo mit seinen von Geist und Laune sprühenden
, stimmungsvollen Schilderungen nun selbst zu Wort
kommen: „Als ich dies alles gesehen hatte, stieg ich auf
das Verdeck hinauf. Es war ziemlich kühl. Hier war ich
alleine. Die jungen Mädchen auf dieser Seite des Hochrheins
tragen eine besondere Tracht: eine Schleifenhaube
, ein brauner, ziemlich kurzer Rock mit großen
Falten und eine Männerweste aus schwarzem Leinen mit
roten Seideneinsätzen, die Haltungen und Rundungen
vortäuschen und in der Taille und an den Ärmeln festgenäht
sind. Manche haben statt der Schleifenhaube ein
rotes Taschentuch nachlässig unter dem Kinn zusammengebunden
. — Sie sind auch charmant, was sie aber
nicht hindert, sich mit ihren Fingern zu schneuzen.
Gegen acht Uhr morgens, in einer unberührten, wirklich
zum Träumen geschaffenen Gegend, sah ich einen Herrn
von ehrwürdigem Alter; bekleidet war er mit einer
gelben Weste, einer grauen Hose und grauem Gehrock,
auf dem Kopf ein ungeheurer Hut, ein Regenschirm
unter dem Arm und ein Buch in der rechten Hand. Er
las angestrengt. Was mich aber beunruhigte, war eine
Peitsche, die er bei sich trug; auch hörte ich ein Grunzen
hinter der Hecke, die an die Straße grenzte. Als die
Hecke plötzlich unterbrochen wurde, sah ich, daß dieser
Philosoph eine Schweineherde hütete..." (*).
Aus dem Hintergrund seiner Jugend erwächst dem
Dichter diese ihm fremde und doch wieder vertraute
oberrheinische Landschaft. Es sind jene tief in das Gedächtnis
des jungen Victor Hugo eingedrungenen Bilder
der Jugendzeit, die er hier, nun aber durch die Eigenart
dieser Landschaft geprägt, wiederfindet und deren
gemeinsame, verwandte Wesenszüge ihn ansprechen.
Waren es dort in der Wohnung in Paris, in die der
zehnjährige Knabe nach dem Zusammenbruch der Herrschaft
Joseph Bonapartes in Spanien — sein Vater war
Offizier der französischen Besatzungsarmee in Spanien —
zurückkehrt, der große verwilderte Garten mit seinen
alten Bäumen, „den unerschöpflich geheimnisvollen
Geräuschen der Zweige, des Windes und des Wassers,
die grellen Sandstellen, wo das Übermaß des Lichtes
eine Art von panischer Trunkenheit hervorruft" (**), so
sind es hier nun die Kiefern, Tannen und Lerchen, die
kleinen Lichtungen im Walde mit ihren mächtigen
Eichen, „die sich einsam wie ein siebenarmiger Leuchter
in die Höhe strecken", die die dichterischen Bilder formen
. „In ihnen wurzeln jene Tausende von Verszeilen
mit ihrer magistralen Fülle und Gedrängtheit, jene
Tausende von Metaphern, in denen das Leben der Natur
in seiner gesteigerten, sinnbildlichen Leuchtkraft aufgefangen
ist." In dieser Eigenschaft, die ein „Hinstreben
der Poesie nach der Malerei andeutet", lag, um mit Hugo
von Hofmannsthal zu sprechen, die künstlerische Stärke
seines Weltbildes, die sichtbare Welt. Gerhard Geiger
(*): Victor Hugo, Le Rhin, 2. Band, Lettre 23, Seite 55 f.
(**): Hugo von Hofmannsthal, Versuch über Victor Hugo.
aebel-ecHnfttum
ii.
Sieht man von der Übersetzung der Gedichte Hebels
ins Hochdeutsche ab (Reclam-Verlag), die wir noch besonders
besprechen werden, so hat uns das Hebeljahr
eine Reihe neuer Schriften und Ausgaben gebracht, die
man als eine erfreuliche Bereicherung der Hebel-
Literatur bezeichnen kann. Wir haben in Heft 5/60 das
Hebel-Brevier des Herder-Verlages bereits besprochen.
Hier wollen wir uns zuerst der im Rosgarten-Verlag,
Konstanz, erschienenen Aphorismen-Sammlung aus J. P.
Hebels Lebensweisheit zuwenden. Wer das Büchlein
sieht, bekommt schon allein aus der ansprechenden
graphischen Gestaltung des Einbandes Lust, es in die
Hand zu nehmen und darin zu blättern. Man liest in
einer solchen Sammlung ja nicht von der ersten bis zur
letzten Seite in einem Zusammenhang. Man blättert,
liest hier ein Zitat, sinnt dort einem Worte nach, greift
schließlich zur Ausgabe der Gedichte, der Kalendergeschichten
, der Briefe und Predigten, liest nach in
größerem Zusammenhang und greift immer wieder nach
dem Büchlein der Lesefrüchte. Was den Sammler dieser
Früchte betrifft, ist es sein Verdienst und Werk, daß
sich in seinem auswählenden Sinn das Wesen des Dichters
, unter bescheidenem Zurücktreten der eigenen Persönlichkeit
, möglichst klar und unverfälscht spiegelt. Er
ist in diesem Falle so bescheiden zurückgetreten, daß er
das Vorwort Wilhelm Zentner zu schreiben überlassen
hat, der seinerseits wiederum versuchte, in wenigen
Sätzen viel zu sagen, um allein Hebel selbst hervortreten
zu lassen. Otto Ernst Sutter, der verantwortliche
Sammler dieser Zitate, beschränkte sich auf
ein Nachwort und eine Zusammenstellung der Lebensdaten
J. P. Hebels. Es ist müßig festzustellen, daß man
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