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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1960-06/0018
diese oder jene Stelle vermisse. Otto Ernst Sutter hat
darauf verzichtet, die Zitate unter besonderen Gesichtspunkten
zusammenzustellen, wie es sonst bei Aphoris^
men-Sammlungen üblich ist. Er gruppiert sie nach ihrer
Herkunft aus den verschiedenen Schaffensgebieten. Ihre
Anzahl wird durch den zur Verfügung stehenden Raum
beschränkt. Auf jeden Fall eine begrüßenswerte Bereicherung
, erfreulich in die Hand zu nehmen, Anlaß für
uns, Otto Ernst Sutter und dem Verlag Dank zu sagen
für die schöne Gabe.

Von besonderer Art ist die zweite Gabe auf Hebels
Geburtstagstisch, die wir, würdigen dürfen: es ist der
Siegerländer Heimatkalender 1960. Der
Siegerländer Heimatverein, der Verlag und der Schriftleiter
des Siegerländer Heimatkalenders, Adolf Wurmbach
, Krombach (Kr. Siegen), haben mit einem Grußschreiben
an die Hebelgemeinde Müllheim diese wertvolle
Gabe überreicht. Der Kalender grüßt den Kalendermann
J. P. Hebel. Es geschieht dies auf so herzliche,
verständnisvolle Weise, daß meines Erachtens dieser
Kalender, außer dem Werke des Japaners, die wertvollste
Gabe zum Jubiläumsjahr darstellt. Als Adolf
Wurmbach sich vor Jahren als Mitglied des Hebelbundes
anmeldete und um die Zusendung der „Markgrafschaft"
bat, hatte ich dies schon damals als ein ermutigendes
Geschenk betrachtet. Diese Huldigung nun vor Hebels
Geist erfüllt uns mit Dankbarkeit und — wer wollte es
verwehren — mit Stolz. Es ist doch unsre Heimat, es ist
der Odem unsrer Berge und Täler, es ist der Wesensgehalt
unsres alemannischen Volkes, die wir beglückt
eingebettet fühlen in der großen Gemeinschaft. Jeden
Monat des Jahres begleitet ein Abschnitt aus Hebels
Briefen. Durch den ganzen Kalender hindurch ist eine
derartige Fülle Hebel'scher Gedichte, Kalendergeschichten
und vorzüglicher Betrachtungen über Hebel verteilt,
in so glücklicher Auswahl mit Bodenständigem verbunden
, daß wir sagen müssen: ein Kalender, wie er
nicht besser gestaltet sein kann!

Welch feine Huldigung in den Versen: Dank an J. P.
Hebel. So sehr wir die Übertragung Hebel'scher Gedichte
ins Hochdeutsche ablehnen, besonders wenn sie so unecht
daherschreitet wie in der Fassung: „Ach, Vater, rede
nicht!" für Hebels schönen Ausdruck: „O Ätti, sag mer
nüt me!" Aus diesen wenigen Worten steht das Entsetzen
auf über den mordenden Krieg. „Der Himmel
stoht im Blitz, und d'Welt im Glast". Das Zitat stammt
aus dem Gedicht „Die Vergänglichkeit". Gerade dieses
Gedicht überträgt unter bescheidenster Einschätzung der
vorzüglichen Leistung ein ungenannt bleibender Meister
Siegerländischer Sprache in seine heimatliche Mundart.
Es dürfte wohl der Herausgeber Adolf Wurmbach selbst
sein. Die oben angeführte Stelle übersetzt er natürlich
und echt: „Schwich, Ädde, sä mer nix mee". Das ist eine
Ubersetzung, die wir gutheißen, weil sie das dem Volksmund
Abgelauschte wieder in den Volksmund anderer
Stammesart überträgt. Damit ist nichts gegen das Hochdeutsche
gesagt, in dem Meister meisterhaft geschrieben
haben.

,Uns bleibt nur zu danken und unsre Grüße zu unsern
Brüdern ins Siegerland zu schicken, zu Adolf Wurmbach,
seinem Siegerländer Heimatverein und seinem wunderschönen
Siegerländer Heimatkalender.

K. Schäfer

„Aus Johann Peter Hebels Lebensweisheit, Lesefrüchte
aus des Dichters Werken, 'Predigten und Briefen". Gesammelt
von Otto Ernst Sutter, Geleitwort von Wilhelm
Zentner. Rosgarten Verlag, Konstanz.

„Siegerländer Heimatkalender 1960", 35. Jahrg. Herausgegeben
vom Siegerländer Heimatverein e. V., Siegen.
Buchdruckerei Vorländer, Siegen. Verlag für Heimatliteratur
.

2^üd)ec von Öcnft ©anbec

Von der Antike bis in die jüngste Gegenwart spannt
sich der Bogen der Anekdoten, die Ernst Sander unter
dem Titel „Eine Nuß und sieben Millionen" (Köln:
Kiepenheuer u. Witsch 1959, Leinen DM 5.80) in einem
kleinen Bändchen vereinigt. Herrschergestalten und
Volkstypen, Soldaten und Revolutionäre, Dichter und
Friseure, Fürstinnen und Komponisten, eine bunte Menschenreine
zieht am Leser vorüber, unter hartem Schicksal
, in außerordentlichen Situationen oder in menschlicher
Begegnung. Der Stil ist knapp und diszipliniert,
wie es zur Anekdote gehört.

Ernst Sanders Buch „Die Schwestern Napoleons"
(Hamburg: Broschek-Verlag 1959, 244 S. mit zeitgenöss.
Abb., Leinen DM 14.80) will einen Roman der Familie
Bonaparte geben. Der Kaiser aus Korsika und die Frauen
seiner Familie samt ihrem Anhang sind hier nicht mit
den Augen des Historikers gesehen — wenngleich eine
Menge Quellenarbeit des Verfassers auch die Grundlage
des Bandes bildet —, sondern mit denen eines guten
Beobachters schlechthin. So tritt die Weltgeschichte zurück
, um dem Menschlichen Platz zu machen: Intrigen,
Liebschaften, Unzulänglichkeiten, Ehrgeiz, aber auch
liebenswerte Eigenschaften spielen ihren Part am Rande
der großen Politik, und beeinflussen sie mehr oder weniger
. Die Erzählweise ist schnell, beiläufig, für weite
Kreise gedacht; eine leichte Ironie spielt über die harten
Fakten hin und mildert sie. Bei der einschneidenden
Bedeutung, die das Geschehen um Napoleon für das
Oberrheingebiet und für das Großherzogtum Baden hatte,
wird das Buch für. Ineressierte eine leichte, angenehme
Lektüre sein; dankenswert ist die Beigabe zahlreicher
Porträts, die dem Leser die handelnden Personen vor
Augen stellen.

Daß Ernst Sander ebenso wie die Form der knappen
Anekdote auch die des großen Romans beherrscht, bezeugt
sein Buch „Ein junger Herr aus Frankreich" (Köln:
Kiepenheuer und Witsch 1958, 378 S., Leinen DM 16.80).
Elemente des klassischen Liebes-, Bildungs-, politischen
und Schelmenromans sind hier zu einor lebensvollen
Einheit originaler Prägung zusammengeschlossen. Ein
junger Mann verläßt heimlich sein Elternhaus, erlebt
eine Reihe menschlicher Begegnungen, besteht kühne
Liebschaften, bewährt sich im Spiel der politischen
Intrige, und findet schließlich in einer Jugendgespielin
die rechte Gefährtin seines Lebens. — Dies etwa die
dürre Fabel, mit der lediglich der Faden der Erzählung
aufgezeigt, aber keinesfalls die pralle, lebensvolle Dichte
des Werkes auch nur angesprochen ist. Denn was ist in
diesem echten, gescheiten Roman nicht alles enthalten an
Details, die man mitgenießt, ohne groß darauf zu achten,
daß man ganz nebenbei kulturgeschichtliche Informationen
vorgesetzt erhält! Ernst Sander erweist sich hier
wieder einmal mehr als trefflicher Kenner der französischen
Geschichte, Kultur, Kunst und Literatur, als
Deuter des französischen Wesens. So ist im Materiellen
der Roman von dem „jungen Herrn aus Frankreich" eine
Kultur- und Sittengeschichte des frühen und mittleren
18. Jahrhunderts in Frankreich. — Indessen ist das Buch
trotzdem ein wirklicher, gut gebauter, fesselnder und
erfreulicher Roman. Der epische Fluß des Geschehens
ist stetig, ohne ermüdend zu wirken, — die dramatischen
Akzente sind gut gesetzt, — das Auf und Ab von
Spannung und Lösung hält den Leser in Atem, — die
Charaktere sind glaubwürdig, die Milieuschilderungen
und Unterhaltungen nicht übersteigert, wiewohl deutlich
achtzehntes Jahrhundert ausdrückend. All dies ist
aufgehoben in einer vornehmen Kenntnis vom Menschen
überhaupt, vom Menschen nach Leib, Herz und'
Geist. Ein besonderes Lob verdient die Sprache des
Romans: Sie ist klar und präzis, von korrektem, aber
lebendigem Bau, gekonnt und elegant, von einer heute
selten mehr anzutreffenden einwandfreien Form. Erfindung
, Anlage und Sprache zusammen ergeben einen
vorzüglichen Roman, der den Vergleich mit Vergleichbarem
— um nur etwa den „Felix Krull" zu nennen —
in keiner Weise zu scheuen braucht. Man wird das
Buch mit Genuß lesen und erst nach der letzten Zeile
bereichert. aus der Hand legen.

H. Bachroth

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