http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1960-07/0005
industriellen und sonstigen Betrieben eingesetzt
werden. Verbesserung der Agrarstruktur und Verbesserung
der Wirtschaftsstruktur sowie Wohnungsbau
müssen daher harmonisch aufeinander
abgestimmt werden. Wenn sich die Stadt bemüht
, ihre Wirtschaftsstruktur zu verbessern, so
will sie damit — das sei offen zugegeben — vor
allem auch ihr Realsteueraufkommen erhöhen;
ein lauteres Ziel, das nicht Selbstzweck ist, vielmehr
die Mittel beschaffen soll für die großen
Aufgaben auf kulturellem und sozialem Gebiet.
Die Stadt verfolgt vielmehr damit zugleich
staatspolitisch und soziologisch wichtige Ziele:
der Landflucht wird Einhalt geboten. Die Ballungsräume
werden aufgelockert. Die Menschen
bleiben mit dem flachen Land verwurzelt. Die
Pendelwege werden verkürzt, wodurch Arbeitskraft
gespart wird und Gesundheit und Familienleben
gefördert werden.
Die Stadt erblickt aber ihre wirtschaftspolitische
Aufgabe nicht allein darin, daß sie
Landwirtschaft, Handwerk und Industrie nach
Kräften fördert. Es ist vielmehr für sie seit je
ein gleichrangiges Anliegen, ihre landschaftliche
Schönheit, die Gunst ihrer Lage, die Güte von
Keller und Küche ihrer gastronomischen Betriebe
zur Hebung des Fremdenverkehrs und
des Erholungsreiseverkehrs nutzbar zu machen.
Ihre geographische Schlüsselposition inmitten des
Bäderdreiecks Badenweiler — Bad Krozingen —
Bellingen (dem eine große balneologische Zukunft
beschieden sein wird), läßt unsere Stadt
mehr und mehr die Funktion einer Drehscheibe
ausüben, sehr zum Nutzen der örtlichen Gaststätten
und Beherbergungsbetriebe. Zu ihnen
hat sich in jüngster Zeit das Euromotel „Alte
Post" mit 120 Betten gesellt; so hat die historische
Müllheimer . Post Johann Peter Hebels unter
pietätvoller Schonung des denkmalwürdigen
Hauptbaus ihre historische Bedeutung als Stätte
aufgeschlossener und gepflegter Gastlichkeit
zurückerlangt.
Für die Stadt haben die kulturellen Aufgaben
in jüngster Zeit an Bedeutung und
Schwergewicht zugenommen. Seit 1950 ist sie
Trägerin des Krankenhauses mit 110 Betten, das
den Patienten aus allen Gemeinden des Kreises
offensteht. Müllheim ist eine schulfreudige und
schulfreundliche Stadt. Auch als Schulstadt erfüllt
sie überörtliche Aufgaben zum Nutzen
ihres Einzugsgebiets. Von den rund 600 Schülern
des Gymnasiums, der Mittelschule und der Hilfsschule
sind rund die Hälfte Gastschüler. Die
Gesamtzahl der drei genannten städtischen
Schulen und der Volksschule beträgt z. Zt. 1072.
Dazu kommen die zahlreichen Schüler der vom
Kreis unterhaltenen Müllheimer Schulen, darunter
der Gewerbeschule, der Handelsschule und
der Landwirtschaftsschule.
Ein Schulhausneubauprojekt mit einem Kostenaufwand
von 3 Millionen und ein Erweiterungsbau
des Krankenhauses stellen Stadt und
Kreis vor schwere Aufgaben, zumal wenn man
berücksichtigt, daß die Stadt durch den Ausbau
der Frischwasserversorgung, den Bau eines
neuen Zentralklärwerks und eines neuen Feuerwehrgerätehauses
sowie durch die Erstellung des
Eichwaldstadions und die Errichtung mehrerer
städtischer Wohngebäude in einem verhältnismäßig
kurzen Zeitraum finanziell überaus stark
beansprucht worden ist. Dazu kommt ein umfangreiches
bereits in Teilabschnitten verwirklichtes
Programm zur Erweiterung und Verbesserung
des städtischen Straßennetzes, des Kanalnetzes
und der Wasserversorgung sowie der
Straßenbeleuchtung. Mit Rücksicht auf das Viele,
das in verhältnismäßig kurzer Zeit bereits geschaffen
worden ist, und angesichts der Fülle
der noch zu lösenden vordringlichen Aufgaben,
müssen andere wünschenswerte Projekte zurückgestellt
werden. Das gilt vor allem für die
geplante Fest- und Allzweckhalle und für ein
neues Schwimmbad, für das die Stadt das Gelände
bereits erworben hat.
Als Ergebnis der Förderung des Wohnungsbaus
kann festgestellt werden, daß in der Zeit
von 1948 bis zum Sommer 1960 in Müllheim
rund 530 Wohnungen neu erstellt worden sind.
In dieser Zahl sind nicht enthalten rund 380
Wohnungen, die zweckgebunden für den Bedarf
der französischen Familien gebaut worden sind.
Auch sind darin nicht enthalten die erst baur
polizeilich genehmigten Bauvorhaben sowie die
bereits begonnenen oder erst im Rohbau fertiggestellten
Wohnungen, deren Gesamtzahl ca. 90
beträgt.
Um eine geordnete und sinnvolle städtebauliche
Entwicklung zu sichern, hat die Stadt im
Jahre 1958 einen Flächennutzungsplan aufgestellt
, durch welchen die Nutzung des Gemeindegebiets
nach Gesichtspunkten des Bauens und
Wohnens, des Verkehrs und der Wirtschaft, der
Landwirtschaft und der Erholung unter Berücksichtigung
der örtlichen und landschaftlichen
Gegebenheiten geregelt wird. Daneben sind drei
Teilbebauungspläne aufgestellt worden, um eine
geregelte Bebauung zu gewährleisten.
Zum Schluß: Die Einwohnerzahlen verdeutlichen
die Entwicklung der Stadt:
1852 . . 2 893 Einwohner
1939 . . 4 604 Einwohner
1960 . . 6 500 Einwohner
ohne die Mitglieder und Angehörigen der Stationierungsstreitkräfte
und ohne die kasernierten
Soldaten; diese eingerechnet dürften heute in
ihren Mauern rund 10 000 Personen weilen.
So präsentiert sich die Stadt im Jubiläumsjahr
als ein Gemeinwesen, das sich auf allen
Gebieten weiterzuentwickeln bemüht und das
sich der Aufgabe verpflichtet fühlt, die in der
Gemeindeordnung für Baden-Württemberg umschrieben
ist: In bürgerschaftlicher Selbstverwaltung
das gemeinsame Wohl ihrer Einwohner
zu fördern!
Und noch heute gilt, was Goethe in „Hermann
und Dorothea" gesagt hat:
3
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1960-07/0005