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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1960-08/0010
Gedichte um Hebel „Die Seele des Maien"? Wir
können aus seinem Gesamtwerk wählen, was
wir wollen: Seine Werk alle haben die Kriterien
des wahren Schöpfertums: Bewältigte Form und
echte Gültigkeit der Aussage, Gewicht und
„Gehalt". Sie sind, um an die Worte von Busse
anzuknüpfen, dem Stoffe nach aus dem Alltag
oder aus dem Denken des Volkes genommen,
dann aber mit gewaltigem Griff, eben mit dem
Zugriff des wahren Schöpfers hinaufgehoben in
den Bereich des Allgemeingültigen — emporgehoben
, um wiederum die Menschen, die sie
erleben, dann zu erheben zu den großen Gedanken
und Bildern und Tröstungen und Stärkungen
: Das eben ist echte Verkündigung, das eben
ist Zweck und Bereich echter Dichtung.

Wieder anders in ihrem Wesen, „reinere"
Kunst ist die Malerei — reiner, „künstlicher",
weil sie größere Anforderungen an den Miterlebenden
, Teilnehmenden stellt. Aber beileibe
nicht fremder dem Volk, aus dem sie kommt,
solange sie wahre Kunst bleibt — wieder an den
gleichen Maßstäben der bewältigten Form und
der Tiefe des Inhalts gemessen. Und wer stünde
nicht in Andacht vor dem fast unübersehbaren
Werk, das uns Hans Thoma hinterlassen hat,
von dem frühen Gemälde „Laufenburg" bis zum
„Hüter des Tales", jenem nach Inhalt und Darstellung
grandiosen Gesicht des in der Mondnacht
wachenden gepanzerten Bannerträgers
über dem tief drunten geborgen schlafenden
Schwarzwaldtal, dem Heimattal Bernau: Thoma,
diese umfassende und bezaubernde Gestalt, in
der die Kindlichkeit der bäuerlichen Herkunft
mit der oft abgründigen Phantastik der Gesichter
und Gestalten alemannischen Welt-Träumer-
tums eine bezwingende Einheit gefunden hat.

Und ähnlich erhoben und in gesteigerte, geweitete
Bereiche entführt stehen wir vor dem
gedankentiefen, in hingerissener Schau gestalteten
Gesamtwerk Hans Adolf Bühlers, des wahren
und würdigen Meisterschülers von Hans
Thoma — sei es nun jene „klingende Menschenmauer
" des riesigen „Prometheus"-Bildes in der
Freiburger Universität, dem man eine echte Verwandtschaft
mit der Gestaltungskraft und Ausdrucksfülle
Michelangelos rühmend zugestehen
darf; seien es jene vielfältigen Stromlandschaften
um den Kaiserstuhl, in denen unser Oberrhein
seine gültige, erhabene und mitreißende Schau
gefunden hat; seien es jene tiefsinnigen zwölf
Radierungen des „Nachtigallenliedes", darin das
Stirb und Werde des Menschenlebens unter
musikalischen Titeln eine nicht leicht überbietbare
Deutung und Sinngebung hinein ins Ewige
erfahren hat, wobei gerade auf die beiden
wesentlichen Rahmenbilder „Präludium" und
„Choral", dichterisch - malerisch - musikalischer
Anfang und Ausklang der ganzen Reihe, besonders
verwiesen sei. Gerade bei diesem Zyklus,
an dessen musikalischer Namensgebung Franz
Philipp beteiligt war und der uns heute im
Treppenhaus des Musikers in Freiburg bedeutungsvoll
begrüßt, tritt uns die Wesensverwandtschaft
des angesprochenen alemannischen Künstler
-Viergestirns der Dichter-Maler-Musiker un-

widersprechlich und ahnungsvoll entgegen. Sie
erfährt ihre letzte Krönung schließlich in dem
Wissen, daß Bühler und der Maler-Poet Burte
gleichzeitig Schüler der Karlsruher Akademie
waren — und daß Bühlers Bildnis - Kunst ihren
Höhepunkt fand in den beiden, nicht mehr annähernd
anderweitig erreichten Gemälden „Hans
Thoma" und „Franz Philipp". Diese beiden Bilder
, auf die wir noch zurückzukommen haben,
machen mir die Aufgabe leicht, den Ring zu
schließen, der sie alle vereint, Dichter, Maler
und Musiker: Dies geschieht am besten, wenn
wir uns dem Leben und Werk des Musikers
Franz Philipp zuwenden; denn in eben diesem
Namen vereinigt sich das Schöpfertum und der
Werkgehalt aller noch einmal in Vollendung und
Verklärung.

Musik ist von den drei genannten Künsten
die „reinste", unstofflichste, gewiß auch am
schwierigsten zugängliche — aber auch sie nicht
dem Volkstum fremd, aus dem sie erblüht, wenn
sie sich nur wieder jenen wiederholt genannten
Gesetzen fügt: Bewältigung der Form und Darbietung
echten Gehaltes, Erhebung und Steigerung
empor: Verkündigung. Dies aber alles sind
die Kennzeichen der Musik von Franz Philipp.

Nehmen wir uns die Freiheit, statt einer
datengetreuen biographischen Schau auf sein
Leben und sein gewaltiges kirchenmusikalisches
Schaffen — was in diesen Jubiläumstagen anderweitig
geschieht — die Augenblicke aufzuzeichnen
, wo diese unsere Gesegneten aus alemannischem
Geblüt sich begegnen im Werke des
Musikers.

Es beginnt damit, daß Franz Philipp, aus dem
ersten Weltkrieg heimgekehrt, die Bühnenmusik
zu Burtes „Simson" schreibt und im April 1919
im Freiburger Stadttheater mit großem Erfolg
zur Aufführung bringt — Stücke, die sogleich
den Griff des Meisters verraten, darunter der
„Symphonische Prolog", der in allem die Forderung
Beethovens und Wagners verwirklicht, den
Inhalt des Dichterwerkes vorweg musikalisch
darzustellen, wie wir es bei „Fidelio" und den
Bühnenwerken Wagners erleben — oder jene
berühmte Szene in der Mühle:

„Komm, Kamerad, wir müssen mahlen,
unsere Herren brauchen Mehl",

eine Stelle, die in Text und Musik zu einem
wahren Symbol und Gleichnis geworden ist.

Wenig später schreibt Franz Philipp für Hans
Thoma, mit dem er anläßlich seiner Karlsruher
Orgelkonzerte eben durch Bühlers Vermittlung
bekannt geworden und von ihm von der ersten
Stunde an ahnungsvoll als ebenbürtig aufgenommen
worden war, jenes Geburtstagslied zum
82. Geburtstag, wozu der Altmeister dann selbst
jenes liebliche Bild des auf weißem Roß reitenden
rosenbekränzten Knaben geschaffen hat, der
„bläst das alte Wunderhorn, das hören wir noch
im Traum", wie der Text von Kurt Karl Eberlein
sagt.

In Karlsruhe beginnt Franz Philipps Wirken
an der Musikhochschule, zu deren Direktor er
kaum 34jährig 1924 bestellt wurde, mit der

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