http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1960-08/0015
zum Abendmahl zu gehen und sich
höflich zu verhalten haben. Insbesondere
sei an der Tür kein Gedränge
und von Mägden und Weibsleuten
kein Geschwätz oder Gezänk
zu dulden, und niemandem, außer
etlichen personis publicis sei ein
Vorzug zu verstatten. Den beiden
ehrenamtlich tätigen Hebammen
wird ein fester Platz nah am Türlein
zugewiesen, daß sie jederzeit
leicht zu erreichen seien. Diese Hebammen
wurden in einer ordentlichen
kirchlichen Wahl ausschließlich von
den weiblichen Gemeindemitgliedern
gewählt, dann der gesamten Gemeinde
öffentlich vorgestellt und
vom Oberamtmann vereidigt.
Angesichts der zahlreichen Plünderungen
mußte der Pfarrer mehrmals die Kirche renovieren
und neu ausstatten. Oft sind die Fenster nur
mit Holz vernagelt (wem ist dies Bild nicht aus
jüngster Zeit vertraut?), dann wieder wandert
die gute Glocke rheinaufwärts nach Basel zur
Sicherheit, Altar-, Kanzel- und Tauftuch „fleh-
nen" über die Grenze, die neubeschaffte schöne
Bibel rauben Lothringer Soldaten, den silbernen
Kelch die Truppen des Marschalls Crequi. Dennoch
brachte Gmelin seine Gemeinde und sein
eigenes Hauswesen, in dem aus zwei Ehen an
die zwei Dutzend Kinder aufwuchsen, zu Wohlstand
. Sein Einkommen stieg mit dem der
Bevölkerung, stand ihm doch der „Zehnte" zu
von Stroh, Heu, Wicken und Bohnen, Flachs,
Hanf, Birnen, Äpfeln, dazu der „Ferkelzehnte".
Weizen, Roggen und Hafer bezieht er je Frucht
an die 20 Malter und 20 Liter guter Markgräfler
werden in seinem Keller getrottet. Ohne Hirtenlohn
geben zu müssen, darf er ein Stück Rindvieh
und zwei Schweine mit der Herde gehen
lassen; dem Hirten steht lediglich ein Brotwecken
und ein Fasnachtküchlein zu. So konnte
der Pfarrer trotz aller Drangsal wohl zufrieden
sein und es mit Humor nehmen, daß er beim
„Nußzehnten", der mit „klein" eingetragen war,
andern Jahres das „1" durchstreichen müßte.
Hanns Bastanier:
©ofie 3ecgman-^üctjlec +
Am Pfingstmontag, dem 6. Juni 1960, starb
In Frankfurt am Main die Mitbegründerin der
Hans-Thoma-Gesellschaft, Frau Sofie Bergman-
Küchler im Alter von 81 Jahren. Mit ihr ist eine
Persönlichkeit dahingegangen, die allen denen
unvergeßlich bleiben wird, die jemals mit ihr zu
tun gehabt haben. Sie war von Jugend auf durch
ihr Elternhaus in ständiger Verbindung mit
Thoma und entwickelte sich zu einer glühenden
Verehrerin der Kunst des Altmeisters. Ihr Vater
konnte viele Werke Thomas erwerben, so daß
seine Tochter später eine große Anzahl von
ihnen dem Städelschen Institut als Grundstock
einer Thoma-Sammlung überantworten konnte.
Neben der Hans-Thoma-Gesellschaft, zu der damals
die prominentesten Persönlichkeiten ihrer
Zeit gehörten, gründete Frau Bergman - Küchler
die Thoma-Gedenkstätten in Bernau im Schwarzwald
und in Oberursel im Taunus. Ihr ganzes
Sinnen und Trachten bewegte sich in dem Kreise
Hans Thoma — Richard Wagner und prägte ihr
Leben zu dem einer Priesterin des Schaffens
dieser beiden großen Männer. Mit der Hans-
Thoma-Gesellschaft suchte sie den Geist zu pflegen
und zu erhalten, der das Wirken dieser Persönlichkeiten
erfüllt, bis das Alter es ihr unmöglich
machte, die Leitung der Gesellschaft in der
Hand zu behalten und durch sie ihrer Lieblingsidee
weiter zu dienen. Sie legte die Leitung der
Hans-Thoma-Gesellschaft 1953 in andere Hände
und mußte dann, gegen Ende ihres Lebens, mit
ansehen, wie diese Gesellschaft in eine Richtung
gelenkt wurde, die nicht mehr ihren Anschauungen
vom Wesen deutscher Kunst entsprach. Ihr
Thoma-Tempel war für sie entzaubert, und sie
empfand das, was von der Thoma - Gesellschaft
als „zeitgemäße deutsche Kunst" herausgestellt
wurde, als fremd und abwegig. So ist es ihr leider
nicht, erspart geblieben, in selbst herbeigeführter
Einflußlosigkeit mit ansehen zu müssen,
daß ihre Ideale, für die sie ein Leben lang gekämpft
hatte, bei Seite geschoben wurden. Daran
ist sie letzten Endes zu Grunde gegangen.
Ihr Wollen und Wirken war von reinstem
Idealismus getragen, aber sie war dabei auch
eine Fanatikerin von äußerster Schärfe. Sie
dachte und handelte nur in „Schwarz" oder
„Weiß". Mitteltöne gab es für sie nicht. Sie
besaß alle Stärke des Fanatismus, aber auch
seine Schwäche, und ihr Herz, mit dem sie fast
ausschließlich dachte und handelte, erlebte alles
im Extrem.
Wer sich angesichts der heutigen Kunstrichtung
noch zu Thoma bekennt, — und das sind
wohl weit mehr Menschen als nach außen jemals
sichtbar werden kann —, der sollte auch ihrer
gedenken, die nun von ihrem kämpferischen, oft
leiderfüllten Leben ausruht! Sie war ein selten
begeisterungsfähiger, edler und guter Mensch
mit einem glühenden Herzen für die deutsche
Kunst im Geiste Thomas.
Möge sie unvergessen in Frieden ruhen!
13
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1960-08/0015