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Emil Baader:
Öcntebcäudje am Obecctyein
Das Korn ist reif in der Baar, der Kornkammer
Badens, im Markgräflerland, in der Ebene
und im Gebirge. Am Sonntag wandert der Bauer
in den „Fruchtösch", die Körner auf ihre Reife
zu prüfen. Gesegnet stehen die Fluren. Sense
und Reff werden instand gesetzt: das Fruchtmähen
kann beginnen.
Ehedem wurde das Getreide mit der Sichel
geschnitten. Die Sense hat die Sichel verdrängt;
jetzt ist die Mähmaschine im Begriff, die Sense
zu verdrängen. Als die Sense noch das Werkzeug
des Schnitters war, brauchte man in der Erntezeit
viele Arbeitskräfte. Aus dem „Schwobeland"
ließ man Schnitter und Schnitterinnen kommen
in den Schwarzwald. Sie blieben ein paar Wochen
im Dorf. Sie arbeiteten den ganzen Tag und
am Abend sangen sie ihre Lieder, denn Gesang
gehörte zur Erntezeit.
Nach altem Herkommen ging man in guten
Kleidern mit reiner Wäsche ins Fruchtfeld. Beim
ersten Schnitt sagte man: „Das walt' Gott". Dem
Mähen folgt bald das Binden. Der Garbenbinder
trug eine weiße Schürze aus selbstgesponnenem
Linnen. Mußte der Garbenbinder auf die „An-
trägerin" warten, so hatte sie einen Wecken verpfändet
. In der Schweiz hingegen mußte der
Garbenbinder ein Maß Wein bezahlen, wenn er
mit dem „Wiedlegen" zu spät kam. In Busenbach
bei Ettlingen legte man früher die Garben
kreuzweise in die Scheune, um die Mäuse abzuhalten
. Von besonderer Bedeutung war im Volksbrauch
immer die letzte Garbe. Im Taubertal
hieß man sie „Hebgarbe", bei Mosbach den
„Bock", bei Radolfzell die „Roggensau" oder den
„Haberhengst". In Münzesheim bei Bretten hieß
die Person, welche die letzte Garbe bzw. die
letzten Halme schnitt, der „Kornbock" oder die
„Habergeiß". Der Mäher, der den letzten Streich
vollbrachte, hieß der „Mockel". Dieser mußte seinen
Arbeitskameraden einen Schnaps bezahlen.
Die Namen der letzten Garbe entspringen dem
uralten Glauben an einen Korndämon, der durch
das wogende Getreide springt, um endlich ins
letzte Kornbüschel zu schlüpfen, wo er gefangen
wird.
In Südbaden nennt man die letzte Garbe die
„Glücksgarbe". Fällt sie klein aus, so weist sie
auf einen reicheren Ausfall der kommenden
Ernte hin. In Riedern bei Bonndorf machte man
früher zwei „Glücksgarben"; eine bei Beginn,
eine beim Schluß der Ernte. Beim Binden dieser
Garbe sprach der Schnitter: „Die erste Hanfle
gehört dem Bauer, die zweite der Hausfrau in
Ehren, die dritte dem ganzen Hausgesind, die
vierte dem lieben Gott, die fünfte der Mutter
Gottes."
Eine große Rolle spielte auch das „Glücks-
hämpfli" oder „Erntebüscheli". Es wurde gebildet
aus den letzten drei, sieben, neun oder elf
Ähren, die geschnitten wurden. Sie wurden aufgehängt
, mancherorts sogar eingerahmt. In
Kandern mußte die jüngste Schnitterin die drei
letzten Ähren abschneiden. Mancherorts wird
das letzte „Ährenbüscheli" aufbewahrt bis Maria
Himmelfahrt, die Körner aber kamen unter den
Samen fürs kommende Jahr.
An die Zeit, wo der Bauer noch den Zehnten
entrichten mußte, erinnert vielfach noch die Art
der Garbenaufstellung. Im Frankenland bildet
man die „Neuning", im Oberland die „Nünling".
In der Tat sind es aber zehn Garben. Die letzte
Garbe war für die Herrschaft bestimmt.
Der letzte Erntewagen wurde mit „Erntemaien
", einem bebänderten Tännlein geschmückt,
anderwärts mit Haselstauden oder Blumen. Bei
Wiesloch saßen Kinder mit Blumensträußen, im
Frankenland eine Frau, genannt die „Erngonsch",
auf dem letzten Wagen. „Erngonsch", „Erngans"
heißt in Franken auch das Erntefest, in Südbaden
die „Sichelhenke". Die Sichel wurde jetzt
zur Winterruhe aufgehängt. Dieses Erntefest
wurde in verschiedenster Weise gefeiert. Im
Markgräflerland überreichten die Mägde dem
Bauern einen Ährenkranz. Bei Bruchsal wurde
an einer Stange eine Sichel, ein Strohseil, ein
Bindnagel und ein Büschel Hafer aus dem Fenster
herausgehängt. In Ettenheim zog man eine
Schnur über die Straße von einem Haus zum
andern; daran hing man die Sicheln.
Zum Erntefest gehörten der Erntebraten und
der Erntetanz. Neben dem Braten durften die
Küchle und der Gugelhupf nicht fehlen. Dem
fremden Schnitter schenkte man ein Sacktuch
oder ein Halstuch. Vielerorts war der Hammelbraten
an diesem Feste sehr geschätzt. Wenn die
Ernte gut ausfiel, geschah es, daß man drei
Tage lang die „Sichelhenke" feierte, so in
Föhrental bei Freiburg. Wer bei der Ernte mitgeholfen
hatte, war zur Festtafel geladen.
Bei Bühl erhielten die Kinder, die auch mitgeholfen
hatten, „Erngeld", wofür sie sich im
Wirtshaus Wurst, Brot, Käse und Bier kaufen
konnten. Die Sichelhenke war in manchen Orten
ein Fest wie eine kleine Hochzeit. Die „Brotis-
geiger" mußten dabei zum Tanz aufspielen. Vielerorts
gehörte zum Fest ein Hammeltanz, wobei
ein Hammel (anderwärts ein Schinken) ausgetanzt
wurde.
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