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mit gelben, roten und blauen Wälderkartoffeln,
die wetterhart, aber ausgestorben sind, zum
Verkauf.
An der Südseite war die gedeckte „Säuhalle"
angebaut, in . der die Läuf erle und Sugsäule in
ihren Kisten und Gattern grunzten und quietschten
, wenn sie an einem Bein zum Betasten hochgehoben
wurden. Außer der Marktzeit diente die
Säuhalle uns als Tummelplatz und zu Turnübungen
über das Staketengeländer.
Die Eisenhandlung und Drahtflechterei Dattier
stellte ihre ein bis zwei Meter hohen Drahtgeflechte
in dicken Rollen an der Rückseite ihres
Hauses aus. An manchem Hühnerhof- oder Gartenzaun
half ich mitflechten.
An der Hauptstraße, bis hinauf zum Blumenplatz
, reihten sich zu beiden Seiten die „Granitzler
"-Stände mit allen möglichen Kleinwaren,
vom Taschenmesser über das Kragenknöpfle bis
zur Wäschespitze. Der Färbermeister Gerber,
dem das niedrige Haus neben dem Kaffee Kaiser
gehörte, hatte einen Tisch mit Wolle draußen.
Zwischen beiden Häusern war ein Hof, aus dem
die bunten Färbereiabwasser ins Straßengräblein
rannen, zu denen sich oft blutige Rinnsei aus
dem Schlachthaus des Metzgers Reinacher gesellten
. Der „Rynicher", wie wir ihn nannten,
schreckte uns junge Mädchen oft, wenn er uns
die Hand zum Gruß bot, indem er mit meckerndem
Lachen die unsere festhielt und uns mit
dem Zeigefinger im Handteller kitzelte. Uns
grauste es jedesmal.
As Chinder simer uf de Matte glege
in Gras un Blueme un im goldne Sege,
am Rand vom hoche gälen Ährifeld
un hän is gspunnen unsi aigni Welt.
D'Händ untrem Chopf un d'Augen in der Höchi,
so hämmer gstuunt in d'Wyti un in d'Höchi,
hän alles gformt mit unsrer Phantasii,
hän aigni Märche glebt. Waisen no, Marii?
Die Wolke hoch am blaue Summerhimmel
sin aimol Drache gsi un aimol Schimmel.
E Tannehüüsli hämmer gha als Schloß
un alli Vögel drin als Dienertroß.
E große Spiegel hämmer gha im Weiher,
sin Königinne gsi mit lange Schleier.
Un Schleppe, goldni Chrone, Hampfle Geld! —
Hän alles gfunde dort im Ährifeld.
Was het is 's Lebe glo vo Chindertage?
's isch wenig gnueg. Doch lueg, i will nit chlage:
E haimeligi Stuben isch my Schloß,
i ha zwo Händ, zwee Füeß als Dienertroß.
E Spiegel hani in zwo Augesunne,
e Schleier hani an der Wagle gunne,
e Schlepp hani am Rock fast alli Tag,
wenn 's Büebli nit ellainig laufe mag.
My Königriich, das hani denkwohl bhalte
wie dort als Chind. I cha mer selber gstalte
us ruuehe Chisel blanki Edelstai.
My Chrone trag i haimli un ellai!
Ida Preusch - Müller
Weiter oben, bei Kaufmann Berner, standen
die Schweizerkässtände. Wo heute der Laden*
anbau steht, war ein kleiner, zur Hafnergasse
ansteigender Platz, das Schwanenbergle, von
dessen Höhe man den Hauptmarkt mit dem Vergnügungspark
überblicken konnte.
*
Die folgenden drei Bäckereien Hanser, Schöpf-
lin und Kramer machten mit ihren braunen,
knusperigen „Chanderer Bretscheli", die in Ringen
zu vierzig Stück aufgereiht, in duftenden
Bergen auf Tischen lagen, die Vorübergehenden
„gluschtig".
Den Abschluß der Straßenstände bildeten
beim Hirzenbrunnen die Küblerwaren. Aus
schneeweißem Tannenholz, mit .schwarzlackierten
Eisenreifen zusammengehalten, türmten sich
Örgeli und Züber, K inderbadewännchen und
Büttene, Melkkübel, Herbstbücki und Futter-
fäßle, um beim Mähen den Wetzstein hinein zu
stecken, schlanke Bückistößel und schwere Sauerkrautstampfer
.
Im neu erbauten Sonnensaal fand der Haupt-
Jahrmarktstanz statt, der weniger von Einheimischen
als von Burschen und Mädchen aus den
Landorten besucht war.
Die Hauptstände, die zum großen Teil von
Kanderner Geschäftsleuten besetzt waren, säumten
rings den Blumenplatz an drei Seiten. An
der Straße selbst standen die Tische der auswärtigen
Süßwarenhändler. Lebkuchenherzen
mit verliebten Inschriften, Berge von Magenbrot,
türkischer Honig, Zuckerstangen und bunt gefärbte
Bonbons lockten. Nebenan hielt der Lörracher
Pferdemetzger seine saftigen Roßwürste
feil.
♦
An Müller-Armbrusters Ecke hatte der Bäcker
Lacoste einen Tisch, an dem die Frau unseres
Schuldieners Grether leckeres Hefenbackwerk
verkaufte. Ihre ausgezeichneten Streußelkuchen
fanden reißenden Absatz.
Wenige Schritte entfernt kamen verwöhntere
Gaumen auf ihre Rechnung. Dort bot das Marieli
vom Konditor Lacoste für zehn Pfennig köstliche
Cremeschnitten, Marzipankartoffeln, Mohrenköpfe
, Schillerlocken und Mandelschiffchen
an. Für sechs Pfennig konnte man Blätterteighufeisen
mit Mandelfülle, Apfeltörtchen, Kleientörtchen
u. s. f. kaufen, für ein Fünferle echte
Bisquitgugelhüpfle und für drei Pfennig noch
kleine Lebküchle mit einer halben Mandel verziert
. Und alle diese Herrlichkeiten waren „echt",
aus reinen Zutaten, ohne künstliche Hilfsmittel.
Von Nord nach Süd streckte sich der lange
Zehn- und Fünfzigpfennig-Stand. Was gab es da
für eine endlose Menge billiger Gebrauchsgegenstände
aus Glas, Porzellan, Steingut, Blech
und Holz, und daneben viel begehrten Kitsch in
Form von Nippfiguren, Aschenbechern, Vasen
und Bildern.
Auf der gegenüber liegenden Seite legte der
Läuger - Seiler seine selbstgefertigte Ware aus,
und der Schuhmacher Adolph stellte einen Tisch
voller Schuhe und Stiefel vor seinem Haus zur
Schau.
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