Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1960-09/0018
beitung. Die geistigen Güter waren vertreten
durch IV2 Maß Kirschwasser. Der übrige „Geist"
läßt nicht erkennen, • daß wir im Zeitalter der
Klassik leben. Die Poesie ist nur verkörpert
durch Hagedorns poetische Werke. Vielleicht
hatten er und Sylvia einmal den Hagedorn'schen
Vers zusammen erlebt:

Der erste Tag im Monat May
ist mir der glücklichste von allen.
Dich sah ich und gestand dir frey,
den ersten Tag im Monat May,
daß dir mein Herz ergeben sey.
Wenn mein Geständnis dir gefallen,
so ist der erste Tag im May
für mich der glücklichste von allen!

Wir finden auf dem Büchergestell noch eine
griechische Grammatik, das Neue Testament auf
Griechisch, Äsops Fabeln, das ausführliche Lehrgebäude
der Religion, ein Lehrbuch der Geometrie
, Wild: Anfangsgründe der Rechenkunst;
Gesangbücher und verschiedene Bibeln.

Dieses behagliche Bild der Ruhe und des
Beharrens endet schrill mit einem Aktenstück
der Geheim-Registratur des Innenministeriums
unter dem Betreff: Verbrechen, Hochverrat und
Aufruhr; die Untersuchung gegen den Apotheker
Friedrich Vulpius aus Müllheim wegen
Ma j estät sbeleidigung.

Es war eine Zeit voll politischer Spannungen.
1830 hatten in Frankreich die wachsamen Bürger
von Paris die Verletzung ihrer politischen
Rechte durch König Karl X. mit der Juli-Revolution
beantwortet; Belgien erhob sich gegen die
Niederlande; polnische Patrioten unternahmen
einen vergeblichen Aufstand gegen Rußland; Unruhen
in Irland, in Deutschland. 1831 flackert in
Lyon die Flamme des Aufruhrs empor. 1832
wetterleuchtet das Hambacher Fest. Mazzinis
Geheimbund „Junges Italien" erweitert sich 1834
in seinen Zielen zum „Jungen Europa". Zündstoff
genug, um ein lebendiges Herz in Brand zu
setzen. Es war in der Gegenwirkung die Zeit der
Demagogenverfolgungen. Ein freies Wort war
rasch gesprochen, Lauscher und Denunzianten
gab es zu allen Zeiten.

Was Apotheker Vulpius im einzelnen verbrochen
hatte, ist nicht überliefert. Ein Aktenstück
gibt uns über die Lage Aufschluß:

Justiz-Ministerium

Nr. 4235 Karlsruhe, 10. XI. 1837

Bericht des Großh. Hofgerichts des Oberrheinkreises
v. 31. v. Mts. die Bitte der Ehefrau des
entwichenen Apothekers Vulpius von Müllheim
um teilweise Freigebung seines mit Beschlag
belegten Vermögens betr.:

Apotheker Vulpius zu Müllheim kam vor mehreren
Jahren wegen Majestätsbeleidigung und Teilnahme an
hochverräterischen Verbindungen in Untersuchung; durch
hofgerichtl. Erkenntnis v. 6. II. 1834 wurde er des erste-
ren Verbrechens für schuldig erklärt und zu halbjähriger
Correctionshausstrafe verurteilt. Durch Flucht in die
Schweiz entzog er sich der Urteilsvollstreckung. Dort
scheint er tätigen Anteil an den Plänen und Unternehmungen
der revolutionären Verbindungen genommen zu
haben; bei der Expulsierung (Ausweisung) der Flüchtlinge
blieb ihm nur die Wahl, entweder in das Vaterland
zurückzukehren oder nach Amerika auszuwandern. Anfangs
schien er den ersten Weg betreten zu wollen und
bat daher, bei seiner Rückkunft wegen seines Verhaltens
in der Schweiz nicht in Untersuchung genommen zu

werden; ehe er aber darauf beschieden war, trat er die
Reise nach Amerika an, wo er sich gegenwärtig befindet."

Ein an dieser Stelle beigefügter Geheimbericht gibt
über die Bewegung der Emigranten, an der Vulpius sich
beteiligt hatte, reizvollen Aufschluß. Sein Name findet
zwar nirgends Erwähnung, wir können ihn uns aber gut
einschalten in dieses ganze Treiben.

„Weitere Notizen über die Verbindungen der deutschen
Flüchtlinge.

Im April d. J. kam Strohmeyer nach Straßburg und
Lauterburg, wo mehrere Flüchtlinge sich aufhalten. Diesen
eröffnete er:

Die deutschen Emigranten in der Schweiz hätten ein
Comite gebildet und ihm (Strohm.) die Vollmacht gegeben
, Deutschland als Emissär zu bereisen, um die alten
Verbindungen wieder anzuknüpfen und neue zu bilden.
,Zu diesem Comite gehörten die zwei Breitenstein, ein
Rheinbayer namens Barth, ein gewisser Peters usw.
Nebst dem hätten jener Vollmacht auch die Italiener
zugestimmt.

Außerdem war Strohmeyer mit einem Verzeichnis
von Personen in Deutschland versehen, an die er sich
vorzugsweise wenden solle. Auch hatte er, vom Comite,
die Befugnis, andere Vertraute für sich zu jenen Unterhandlungen
zu substituieren. Diese Personenliste soll
jedoch durchaus nicht Namen von Wissenden oder Eingeweihten
enthalten, sondern lediglich solche Personen
begriffen haben, die entweder im allgemeinen als
Freunde liberaler Grundsätze bekannt worden seien oder
die früher mit den Ausgewiesenen, von denen mehrere
Journale redigiert hatten, als Zeitungs-Correspondenten
in Verbindung gestanden wären.

Bei jenen Eröffnungen überging Strohmeyer vorerst
die zahlreich vorhandenen Rheinbayern. Er wandte sich
aber an deren Chef, den ehem. Friedensrichter Klein,
der bei seinen Landsleuten in Ansehen steht.

Dieser wies Strohmeyer ab und riet auch den Rheinbayern
, sich mit Strohmeyer nicht einzulassen.

Denn übereinstimmende, dem Klein aus Bern und
Liestal zugekommene Briefe hätten besagt: „Die Italiener
hätten den Deutschen in Bern ein Schutz- und Trutzbündnis
angetragen, letztere es aber abgelehnt, weil sich
unter den Deutschen in der Schweiz niemand befände,
der im Vaterland hinlänglich Ansehen besäße, um auf
irgend einen Erfolg rechnen zu können, auch fehlten alle
Geldmittel. Die Italiener hätten hierauf 1000 fl angeboten
, welche man auch zurückgewiesen hätte. Strohmeyer
hingegen, stets geldbedürftig, und der schon vor dem
Savoyer-Zug sich die Gelder angemaßt habe, hätte diese
Gelegenheit benützt, mit einigen Studenten, welche nicht
gewußt, wovon es sich handle, ein Comite gebildet und
sich den Italienern genähert. In jenen Briefen wurde
deshalb vor Strohmeyer und den in Zürich lebenden
Deutschen gewarnt, heftig über dieselben ,als Menschen
unreinen Gelichters' losgezogen und darunter insbesondere
noch über Siebenpfeiffer geschimpft, der über den
Savoyer-Zug jetzt schimpfe, während er doch einen
eigenen Gesang dazu, den Tag vor dem Auszug, gedichtet
habe.

Das Comite in Bern hatte die Ankunft Strohmeyers
mehreren in Deutschland bereits gemeldet. In Bezug
darauf erhielt Klein einen Brief vom Abgeordneten
Izstein aus Mannheim, den zu besuchen sich Strohmeyer
besonders vorgenommen hatte, folgenden Inhalts:

,Er (Klein) möge den jungen Leuten, wenn sie zu ihm
nach Straßburg kämen, doch alle diese Streiche ausreden
. Durch ihre Renomistereien und Phrasen hätten
sie allen Credit verloren, hätten Bekannte und ganze
Familien auf unverantwortlichste Weise compromittiert.
Den Strohmeyer lasse er (Izstein) auf keinen Fall vor,
durch dessen sträflichen Leichtsinn wäre er schon vielen
Unannehmlichkeiten ausgesetz gewesen; — sie sollten
sich jetzt durchaus halten und ein Corps tüchtiger Verfechter
bilden für den Zeitpunkt, daß in Deutschland
etwas zu machen wäre."

Auf der anderen Seite zieht Rauschenplatt und sein
Anhang über die Liberalen Commitaeten Deutschlands
los; — es möchte der Moment nicht ferne sein, wo arge
Compromittierungen eintreten.

Inzwischen wurden die deutschen Flüchtlinge in der
Schweiz unter sich mehr und mehr uneinig; sie teilten

16


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1960-09/0018