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chung weitere Beispiele an, die sich beliebig vermehren
ließen. Worin liegt die Schuld dieser Misere?
Meines Erachtens darin, daß man sich trotz der selbst
eingesehenen Unmöglichkeit einer befriedigenden, annehmbaren
Lösung, dieser Aufgabe unterzog. K. Schäfer.
Man wird Richard Gäng, der kürzlich im Reclam-
Verlag eine Übertragung der Alemannischen Gedichte
von Johann Peter Hebel in das Hochdeutsche besorgt
hat, durchaus zustimmen müssen, wenn er in grundsätzlichen
Bemerkungen zum Problem der Übertragung feststellt
, daß es sich um ein Wagnis handelt. Der Verfasser
der Übertragung weiß sogar, daß man eine Mundart im
Grunde genommen überhaupt nicht übersetzen kann.
Nun, was gibt es dann für einen Grund, der eine Übertragung
der Alemannischen Gedichte von Johann Peter
Hebel in das Hochdeutsche rechtfertigt, nachdem man
— und nicht nur im Falle Hebel — die Unmöglichkeit
einer befriedigenden Lösung erfahren hat? Ist es wirklich
notwendig, die Alemannischen Gedichte für das
nichtalemannische deutsche Publikum in die hochdeutsche
Sprache zu übersetzen? Wir neigen kaum dazut
diese Frage zu bejahen. Richard Gäng hat sie bejaht,
und er hat seine „Umdichtungen" — welch fürchterliches
Wort! — synoptisch mit dem Originaltext dargeboten
und von ihnen gleichzeitig bemerkt, daß sie nur Brücke
zum Mundart-Text sein sollen. Soweit, so gut. Was aber
in seinen Bemerkungen nicht ganz logisch erscheint, ist
die Tatsache, daß er seine Übertragung mit „Umdichtungen
" bezeichnet, gleichzeitig aber von einer freien
Nachdichtung absehen möchte, da diese von Hebel wegführe
. Deshalb habe er, so heißt es in den etwas widerspruchsvollen
Erklärungen Gängs, eine Wort-für-Wort-
Übersetzung, eine Interlinearversion, angestrebt. Diese
letztere Bemerkung soll uns hier etwas beschäftigen.
Wir werden leider im Rahmen dieser Buchbesprechung
nicht die Möglichkeit haben, die theoretische Seite des
Problems auslotend darzustellen.
Wie steht es also mit der „Wort - für - Wort - Übersetzung
"? Es steht ausgesprochen schlecht damit. Richard
Gäng, der schließlich Alemannisch spricht und schreibt
als seine Muttersprache, kommt dabei auf die drolligsten
, will sagen, unmöglichsten Einfälle. Ja, er übersetzt
sogar, wie beispielsweise im „Mann im Mond" geradezu
falsch. Dort heißt es bei Hebel: „Wär ich, wie er, i blieb
dehei..."; bei Richard Gäng liest man erstaunt: „Wär
ich wie er, ich liefe fort..." Es kommt aber leider viel
schlimmer. Nehmen wir ein Hebel-Gedicht, das dem
„Wort - für - Wort - Übersetzen" keine unüberwindlichen
Schwierigkeiten bietet, nämlich das Gedicht „Hans und
Verene". Dort heißt es im Originaltext: „Un wenni's sieh
vo witem — / se stigt mer's Bluet ins Gsicht; / es wird
mer übers Herz so chnapp, / und 's Wasser lauft mer
d'Backen ab, / wohl d'Backen ab; / iweiß nit, wie mer
gschicht." Richard Gäng übersetzt: „Und seh ich es von
weitem, / vorbei ist meine Ruh\ / Es wird mir um das
Herz so weich, / die Tränen kommen mir sogleich, / ja,
mir sogleich, / ich weiß nicht, was ich tu." Hier kann
einem wirklich das Blut ins Gesicht steigen. Hebels
„Wächterruf" geht es bei Gäng nicht viel besser. Gängs
„Morgenstern" läuft hin „im schnellsten Trab"; „züch-
tiglich" geht es in der hochdeutschen „Freude in Ehren"
zu; des Reimes willen wird Hebels „Bettler" ausgeplündert
bis auf Hemd und Hos (reimt sich auf bloß); im
„Storch" verdichtet Hebel jene Frühlingsstimmung, die
mit einem Luftzug einfach da ist, in einer Verszeile:
„Und 's weiht ein a so mild und lau", im hochdeutschen
„Storch" von Richard Gäng gerät diese Zeile in den
klischierten Gartenlauben-Stil, und es heißt dann: „die
Lüfte wehen mild und lau".
Törichte Reimerei stellt die Übersetzung von Hebels
„Erinnerung an Basel" dar. Bei Hebel: „Aber uf der
Pfalz / alle Lüte gfallt's .. " Bei Gäng: „Unsre Münsterpfalz
/freut mich ebenfalls.." Oder bei Hebel: ,,'sScho-
lers Nase, weie weh! / Git der Bruck kei Schatte meh."
Bei Gäng: „Scholers Nase, groß und schmuck / warf * viel
Schatten auf die Bruck".
Man könnte die Beispiele einer solchen Übersetzungs-
Kunst beliebig erweitern. Wir sehen davon ab.
Es wird deutlich, daß Gängs Übertragungen weder
eine Nachdichtung, noch eine Umdichtung, auch nicht
eine „Wort - für - Wort - Ubersetzung" darstellt. Urige
Poesie der Alemannischen Gedichte wird zur Flick-
Reimerei. Wo gewachsener Fels bei Hebel durchkommt,
wird er bei Gäng durch künstliche Hohlblocksteine ersetzt
. Wo es bei Hebel nach Erde riecht, riecht es in den
Übertragungen 'nach Schreibtisch. Alles in allem: ein
mißlungener Versuch. L. Börsig
Johann Peter Hebel. Alemannisdhe Gedichte. Mit hochdeutscher Uber-
tragung von R. Gäng. RUB Nr. 8294/95. 206 S. Kart. 1,30 DM. Verlag:
Ph. Reclam jun. Stuttgart.
*
„Hebelfeier" bei C.F. Müller-Verlag, Karlsruhe,
brosch. 2.40 DM.
In der gleichen freundlichen Aufmachung wie im letzten
Jahre die Rede im „Schatzkästlein" von Prof. Dr. Carl
Burckhardt: „Der treue Hebel" ist nun sozusagen als
Abschluß aller Feiern zum 200. Geburtstag des Dichters-
beim bekannten Hebelverlag C. F. Müller in Karlsruhe
ein Bändchen mit der Überschrift: „Hebelfeier" erschienen
, das die vier bedeutendsten Ansprachen zu Ehren
Hebels aus jenen Festtagen enthält, zwei aus der Feier
der Eröffnung der Karlsruher Ausstellung und zwei in
Hausen gehalten. Die erste und umfassendste Rede ist
die von Prof. Wilhelm Zentner, die schon dort vor der
Festgemeinde in Karlsruhe lebhaften Beifall gefunden
hat. Wie kann man von dem bekannten Hebelforscher
und Hebelpreisträger auch etwas anderes als Vorzügliches
erwarten! Schade dagegen ist, daß das herzliche
Grußwort vom Präsidenten der Basler Hebelstiftung,
Herrn Rektor Sieber, nicht im originellen Basel-dytsch
wiedergegeben ist, wie sie damals gesprochen und auch
von allen Anwesenden verstanden und dankbar aufgenommen
wurde. Die nächsten beiden Reden aus dem
„Hebelmähli" in Hausen sind die Laudatio von Herrn
Kultminister Storz und das Dankwort des Hebelpreisträgers
Prof. Martin Heidegger. Hat man vielerorts in
der Schweiz Anstoß daran genommen, daß der Herr
Kultminister Heidegger als „höchst namhaften Künder
J. P. Hebels" angesprochen hat, so hat der bedeutende
Philosoph in seiner kurzen Ausdeutung der „Sache ehne
draa" bewiesen, daß er „in einer anderen Weise, nicht
des Sehens, sondern des Sagens" Hebel zu interpretieren
versteht.
Im ganzen gesehen, ist also dieses schmucke Bändchen
„Hebelfeier" ein guter Schlußstein der diesjährigen
reichen Erinnerungsansprachen an den Dichter und sollte
der Vollständigkeit halber keinem Hebelfreund in der
Bücherei fehlen. Richard Nutzinger
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