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schön, und ich bin dankbar für das wenige, was
ich davon sehe". Ihm war, so hatte er schon 1847
einem Freund scherzend geschrieben, auf dem
einsamen Pfade inmitten einer nach Reichtum
und Genuß strebenden Welt der „kleine braune
Zwerg erschienen", der ihm „unter Moos und
Steinen" die Tür aufgemacht hatte und ihn in
seiner Sehnsucht nach dem Schönen in eine durch
Musik, Poesie und die Kunstwerke des Südens,
des „stillen, wundersamen Grabmonuments", seines
„Kastanien- und Freskenlandes", bereicherte
„neue Welt" hineingeführt hatte. Burckhardts
Aufgabe war, wie er einmal sagte, „rückwärts
gewandt zur Rettung der Bildung früherer Zeiten
, vorwärts gewandt zu heiterer und unverdrossener
Vertretung des Geistes in einer Zeit, die
sonst gänzlich dem Stoff anheimfallen könnte".
F. Feßenbecker:
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In der „Geschichte der Stadt Müllheim" erwähnt
ihr Verfasser A. J. Sievert unter den
Renovatoren der ehemaligen Herrschaft Badenweiler
auch Karl August Gysser, den „Schatzig-
bleger" und Freund J. P. Hebels. Der bis heute
noch erhaltene Briefwechsel zwischen beiden ist
einzig in seiner Art. Die Ursprünglichkeit, Unbefangenheit
und durch kühne Phantasie beflügelte
Laune werden nur übertroffen in ganz
wenigen Briefen an Pfarrer Güntert in Weil.
Mit dessen Amtsbruder, dem Pfarrer Jaeck in
Triberg, ist der Oberländer Rechnungsrat der
einzige unter den vielen Briefempfängern, der in
urecht Markgräfler Mundart dem Professor und
späteren Prälaten in der Residenz zu antworten
in der Lage ist.
Schon im ersten Schreiben des noch unbekannten
Dichters erfahren wir den Grund zu der
oft übersprudelnden Freude. Es ist zunächst die
Erinnerung an die bereits über 20 Jahre zurückliegenden
am Gymnasium in Karlsruhe verbrachten
Jugendjahre. Während der um wenige
Monate Jüngere seine Lehrjahre als Theologiestudent
in Erlangen fortsetzt, beginnt- Gysser
seine Berufslaufbahn bei der Bergverwaltung in
Oberweiler. 1794 übernimmt er die Stelle des
Renovators der weltlichen und geistlichen Einnehmerei
in Müllheim. Als solcher hat er die
Steuerveranlagung der Geschäftsleute, Handwerker
und Bauern in allen Dorfvogteien der Herrschaft
durchzuführen. Sein Weg führt ihn dabei
oft ins Pfarrhaus nach Hügelheim, wo ein anderer
früherer Schulfreund die Arbeit des Suskri-
bentenwerbers für die gerade bevorstehende
Erstausgabe der alemannischen Gedichte Hebels
übernommen hatte. Auch der „Schatzigbleger" läßt
sich in die Liste der Besteller eintragen und legt
einer Mitteilung des Pfarrers Schmidt an den
„Rimerisser" in der Residenz zwei Proben seiner
jungen Dichtkunst bei mit der Bitte, diese doch
beurteilen zu wollen. Es dauert nicht lange, bis
jener seiner Freude in einem langen Gedicht
Ausdruck gibt:
Dunderschieß! Wer rennt mer in mi Gäu?
Isch's der Gysser? 's isch bi miner Treu
Euer Glück, aß- Ihrs sind, Meister Gysser!...
Euer Versli isch so. nett und gschlacht,
aß i schier mein, i heigs selber gmacht.
Frili, wers bidenkt, es isch ke Wunder,
aß ders chönnet, schla' mi au der Dunder.
Ihr trinkt urig Poesie
in lange Züge, z'Mülle an der Post.
Tausig Sappermost,
isch seil nit e chospere Wi!...
Neie wohl! Se hettich au der Schmid
z'Hüglen überlistet mit mim Lied!
So ne gscheidte Ma, wie Ihr suscht sind,
chauft e Chatz im Sack, und seig sie blind.
Geb der Himmel, aß sie schöner Art
un mit chloren Augen use fahrt,
wenni 's Säckli lös un lock un sag:
„Büüsli chumm un loß di seh am Tag!"...
Jez, Her Gysser, bhüitich Gott der Her!
Haltet mer mi Grobheit für en Ehr!
Und Sankt Michael mit langem Säbel
sollich b'schirme!--Johann Peter Hebel.
Am fünften November Tusig achthundert Zwei;
i hätt's schier vergesse, mi armi Treu!
Zehn Tage darauf antwortet Gysser:
Geehrter Meister Hebel!
Haiget große mächtige Dank für Euer Brief und für
die gueti Meinig, wu drinn isch.
Ihr henn frili recht, 's isch chospere Wi an der Post,
aber der guet brennt mi verflucht wenig an d'Zähn, er
isch gar dunderschießig dhür. Allmig han i vum beste
's Schöppli für sechs Chrützer g'ha un ha gnueg g'ha
an Eim. Jez chostet's fufzeh, und wenn i's zweit g'ha ha,
se möcht i no meh.
Derdurwille chlage d'Lüt gar entsetzli, daß mit den
andere Lebensmittel au d'Rüsch so g'waltig uffg'schlah
henn, und daß jetz einer meh chost, as vor zwenzig Johre
drei... Ich für mi Teil trink numme vum ferndige und
der isch mer no kei Mol in Chopf g'stiege. Uff's wenigst
sieht me mer's nit a, wil i allewil e füürige Chopf ha,
un der isch no derzue nümme buderet wie vor Johre
z'Karlisrueh, wu Ihr mi als g'seh henn.
Mini Vers mach i mueterseelen alleinig bim Bsol-
digswi, un der isch — verzeih mers Gott, i chumm
's Chrimme über, wenn i numme dra denk — nit viel
besser as Lüri."
Nach einem Lamento in Versform über den
schlechten Besoldungswein macht er Hebel den
Vorschlag, in dieser für beide gleichwichtigen
Angelegenheit beim Markgrafen vorstellig zu
werden, und beschließt seinen Brief:
Drum bitt i unterdenigst
Um gnädige Bifehl, uff's allerwenigst
Mir alli Johr Ei Fueder — nit just vum Gottsallerbeste
— z'fülle,
Wenn er nummen isch, wie der vum Posthalter z'Mülle.
Aber potz Mordsakrament! Über dem Nahrewerch
hätt i schier 's Fürnehmst vergesse: I ha no zwo Charme
g'macht; zei wie, was sagen 'r zue dene?
Mülle im Monet November,
Fuffzeh Tag vor'm Dezember
1802.
Euer uffrichtiger Fründ bis in Tod
C. A. Gysser
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