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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1960-10/0015
Schreiber des weiteren
einige Gründe und
Überlegungen an, die
einerseits die Gründung
des Tüllinger
Rettungshauses motivieren
, andererseits die
Gemüter der Leser zur
tätigen Mithilfe an dem
Werk bewegen sollen.
Einige Abschnitte daraus
seien im Auszug
wiedergegeben:

Wir treiben dieß Werk
im Namen Gottes und
unseres Heilandes. Der
will haben, daß wir
uns der verwahrlosten
Kinder annehmen.
Was bringt's doch für
einen Segen, in einer
christlichen Familie
aufgewachsen, von
christlichen Eltern in
Gottesfurcht erzogen
zu werden, durch
christliche Sitte und
Zucht des elterlichen
Hauses vor vielen
Versuchungen und
Sünden bewahrt zu
bleiben, von früh auf

Gehorsam, Treue und Fleiß zu lernen, durch einen
frommen Vater auf den Ernst des göttlichen Wortes
zeitig hingewiesen, und von einer gläubigen Mutter
zum kindlichen Gebet angeleitet zu werden! Welch'
ein großer, reicher Segen ist das! —

Siehe, diesen Segen hast D u vielleicht empfangen
in deiner Jugendzeit. Vielleicht hat dich Gottes
Gnade so bewahrt, oder so geleitet, daß du nun im
Stande bist, den gleichen Segen deinen Kindern
zu gewähren. Das ist Gottes Gabe, an die ich dich
erinnern muß, weil ich ja am eigenen Herzen erfahre
, daß man nichts leichter vergißt, als die Gaben
Gottes.

Nun das Alles, was du an deinen Eltern gehabt
hast, was deine Kinder an dir haben, das alles
entbehren die armen Kinder, welche verwahrloste
Kinder genannt werden, und für welche die
Rettungshäuser bestimmt sind. Sage selbst, was soll
aus solchen armen Kindern werden? Wenn sie in
ihrem verwahrlosten Zustand verbleiben, wenn sie
vielleicht um etliche Gulden in der Gemeinde „verstellt
", oder gar an den Wenigstnehmenden vergeben
, so heranwachsen ohne liebevolle Aufsicht,
ohne christliche Zucht, ohne geistliche Pflege, ohne
den Schutz, den allein die Familie dem schwachen
Kinde gewährt, was soll oder was kann aus ihnen
werden? Wird es nicht geschehen, daß sie vorerst
unartig und tückisch, wild, frech und unbändig werden
, daß sie aber danach wie an Alter so auch an
Unart zunehmen, mit der Zeit und je nach Gelegenheit
in grobe Sünde fallen, und damit leiblich und
geistig verkommen?

Wenn aber das Alles geschieht, — urtheile selbst —
weß ist die Schuld? Es ist die Schuld dessen, der
hätte helfen können, und nicht geholfen hat. Oder
ist's anders?____

In dieser Art gehen die Ermahnungen und Betrachtungen
des Berichters noch ein gutes Stück
fort. Wir können das Folgende überschlagen, da
sachlich wenig neue Gedanken mehr geboten
werden. Interessant ist aber und darf noch einmal
festgehalten werden, daß der Schreiber von
1860 die Anstalt Tüllingen als eine Art christlicher
Großfamilie aufgezogen wissen wollte, da

Hier im ehemaligen Gasthof „Zur schönen Aussicht" wird die Schule eingerichtet.

Terrasse und Garten werden Spielplatz

nur eine Familie dem Kind geben könne, was es
an Erziehung bräuchte; eine Erkenntnis, die
heute wieder als Neuheit propagiert und z. B. in
den Kinderdörfern praktisch durchgeführt wird,
sich aber durchaus — wie man am Beispiel Tüllingen
sehen mag — vor hundert Jahren bereits
durchgesetzt hatte. Der Grenzen der Anstaltserziehung
ist sich der Berichterstatter dabei
durchaus bewußt, wenn er schreibt:

... Wir wollen den verwahrlosten Knaben helfen,
indem wir ihnen, soweit dies eine Anstalt vermag,
den Segen christlicher Familienerziehung gewähren.

Den Schluß des Artikels bilden noch ein paar
praktische Hinweise folgender Art:

Für Diejenigen, welche sich unseres Rettungshauses
annehmen und dasselbe mit ihren Liebesgaben
bedenken wollen, sei noch bemerkt, daß die
evangelischen Geistlichen hin und her in den drei
Amtsbezirken, ohne Zweifel gerne bereit sein werden
, die Gaben in Empfang zu nehmen, und entweder
nach Tülilngen, oder an eines der Comiteemit-
glieder abzuliefern. Vielleicht sind auch da und dort
Lehrer oder einzelne Gemeindeglieder willig, sich
der Sammlung und Einlieferung von Beiträgen zu
unterziehen. Die Liebe wird ja, auch ohne nähere
Bestimmungen und Bezeichnungen, den Weg zu
unserem Hause finden, und die Liebe ist's, an die
wir uns wenden.

Über die eingegangenen Beiträge wird in diesem
Blatte monatlich eine Empfangsbescheinigung veröffentlicht
werden. -id.

Auch die Namen der Comitee - Mitglieder sind
noch einmal veröffentlicht. Der Artikel ist mit
,,-ld." gezeichnet; der erste Artikel war es mit
„d". Es liegt daher nahe, als den Schreiber des
Artikels den auch im Comitee sitzenden Pfarrer
von Blansingen, Karl Odenwald, anzunehmen.
Karl Odenwald war 1822 in Asbach geboren, war
1847 Pfarrkandidat, 1850 Pfarrer in Wenkheim,
1852 in Neulußheim, seit 1859 in Blansingen

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