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einem so ideal gesinnten Dichter und Erzieher
zuzubilligen ist.
Hier sei angefügt, was Georg Längin 1875 in
seinem Werk „Ein Lebensbild von Hebel" über
Hebels Stellung gegenüber den Frauen schreibt:
„Obwohl Hebel nach seinem gemütvollen Wesen
auf den Umgang mit Frauen angelegt war und in
seinen Gedichten feinsinnige und tiefempfundene Charakterzeichnungen
der Frau als Mutter, als Gattin und
Jungfrau, namentlich in der naiven Form der Frauen
vom Lande sich finden, so darf man doch sagen, daß
die Frauen in seinem Leben wenig oder gar keinen
Einfluß ausgeübt haben. Es ist nach dieser Seite nichts
von jenem romantischen Schimmer über Hebels Leben
ausgebreitet, der sonst, im guten oder schlechten Sinne,
mit den Schicksalen reich und hochbegabter, besonders
dichterisch angelegter Naturen notwendig verflochten
zu sein scheint.
Hebel liebte es, mit Mädchen und Frauen zu scherzen
, mit hervorragend begabten und geistvollen Frauen
in Beziehungen der Freundschaft zu treten, aber weiter
ging er nicht. Nur einmal — es war im Jahre 1809
(da Hebel 49 Jahre alt war) — überkam es Hebel, den
gereiften Mann, wie eine fast jugendliche Begeisterung,
in welcher der Dichter und Mensch den Pfarrer und
Kirchenrat über den Haufen warf. Es war die berühmte
Schauspielerin Hendel (Schütz), die damals auf der
Höhe ihres Ruhmes stand, welche ihm eine vorübergehende
Neigung einflößte. Das Interesse für die Hendel
spukte bei Hebel noch in den nächsten drei Jahren,
bis die Stimmung verflog, wie sie unerwartet gekommen
war. Nachhaltiger und dauernder, und sich über
sein ganzes Leben verbreitend war die Beziehung
Hebels zu der schönen Gustave
Fecht in Weil. Mit ihr
stand er bis zu seinem Tode
in herzlichem freundschaftlichen
Briefwechsel. Verschiedene
Umstände hatten
dazu mitgewirkt, daß er
Gustave nicht als seine Frau
heimholte. In den ersten
15 Jahren seines Karlsruher
Aufenthaltes (ab 1792) unternahm
Hebel fast jährlich
Reisen ins Oberland, die
seine Liebe zur alten Heimat
belebten. Dabei besuchte
er nicht nur seine
Freunde daselbst (wie z. B.
Pfarrer Mylius in Kirchen),
sondern auch Frauen, die
er aus seinem Lörracher
Leben her kannte und die
ihm als Mädchen auch Anregung
und Motive zu seinen
Gedichten gegeben hatten
(»Wiese', Morgenstern').
Auch die geistreiche Frau
Haufe in Straßburg, deren
Gemahl einst in Lörrach
Hebels Schüler war, nahm
einen großen Raum in
Hebels Herzen ein und seine
Briefe an das Ehepaar
Haufe spiegelten nicht nur
Hebels schönes, heiteres Gemüt
, sondern auch die enge
Freundschaft zwischen ihnen
wieder."
Soweit schreibt Längin
sechs Jahre nach Verenes
Tod mit keinem Wort erwähnt
er diese Frau in
obiger Betrachtung, und
dies ist doch sehr auffallend
. Es mag ein Beweis
dafür sein, daß Längin
und andere Freunde Hebels
keinen Grund hatten,
dieser Frau ein längeres Gedenken zu bewahren
und ihre Bedeutung für Hebels Leben erscheint
in gemäßigter Form.
Verene war also in Grünwettersbach von 1817
bis 1824 im Pfarrhaus im Dienst, bis sie sich 1824
verheiratete. Die betreffende Eintragung im Ehebuch
des Grünwettersbacher Pfarramtes lautet
wörtlich: „Am 18. März 1824, vormittags um
11 Uhr (wurden) in der Kirche (getraut): Wilhelm
Friedrich Rohrer, Küfer, Sohn des weil.
Georg Jak. Rohrer, hiesigen Bürgers und Bauers
und der weil. Luise Margarete (geb.) Maier, ehelich
geboren den 29. August 1795, liedig, und
Verene Ellrichshausen, eines Herrn von Ellrichshausen
und der weil. Maria Geiger in Lörrach
außerehelich dortselbst am 26. Oktober 1779 geboren
, ledig. Zeugen: Andreas Rohrer, Gottfried
Fribolin, hiesige Bürger. Pfarrer Mylius". Verene
war bei der Trauung bereits 45 Jahre alt, also
um 16 Jahre älter als ihr Ehemann. Diese Ehe
gestaltete sich aber sehr unglücklich, da der Ehegatte
sich dem Trünke ergab und seine Frau
mißhandelte. Im Jahre 1834 verklagte Verene
ihren Mann deshalb beim Kirchenrat. Eine diesbezügliche
Eintragung im Protokollbuch des
Kirchenrates in Grünwettersbach vom 3. Dezember
1834 lautet wörtlich: „Des Küfers Rohrer
„Hans und Verene"
Foto: H. Konstantin, Grünwettersbach
Im städtischen Archiv in Karlsruhe befindet sich ein schönes Bild, darstellend
J. P. Hebel im Gespräch mit einer jungen Markgräflerin, das einerseits als „Hebel
und Vreneli", anderseits als „Hebel und Elisabeth Bauschlicher" benannt ist. Es ist
dies die Kopie eines Originals, das der Wiener Maler Karl Agricola (gebürtig in
Säckingen) schuf und zwar wahrscheinlich in der Zeit zwischen 1820 und 1824. Da
„Hebels Vreneli" (Veronika Rohrer in Grünwettersbach) im Jahre 1779 geboren, in
diesem Zeitraum schon 41 bzw. 45 Jahre alt war, der 19 Jahre ältere Dichter aber
schon 60 bzw. 64 Jahre zählte, kann die Benennung mit „Hebel und Vreneli" unmöglich
richtig sein, denn die kindlichen Züge und das ganze reizende Wesen des
Mädchens weisen auf ein Alter von bloß 20 bis 25 Jahren hin. Dies läßt sich auch
beim Vergleich des Altersbildnisses von Veronika Rohrer mit diesem Mädchenbild
feststellen, da an den beiden Bildern keine Spur von Ähnlichkeit der Züge zu entdecken
ist. Bei Hebel könnte das Alter — 60 bzw. 64 Jahre — nach dem Bilde stimmen
. Es kann sich bei diesem lieblichen Gemälde demnach nur um das Abbild der
Elisabeth Bauschlicher handeln, ein Mädchen, das der Obhut Hebels anvertraut
war und unser „Vreneli" hat mit diesem Bildnis nichts zu tun.
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